Der inBerlin-Blog war auf Reisen im Sommer und die Reise nach Hamburg war so ergiebig, dass ein zweiter Artikel unumgänglich war und ein dritter soll den Reisebericht, abschließen. Gerade mal 300 km von Berlin entfernt, bietet die Hansestadt viel mehr als „nur“ Luftveränderung (und gute Luft können wir Berliner immer gut gebrauchen). Die Stadt, deren zweiten Name „Das Tor zur Welt“ lautet, bietet eine atemberaubende Skyline zum Verschmelzen, zum Staunen, zum Verlieben.
Die Choreographie der Krähen, das Schlendern vorbei an den übergroßen Schiffen oder eine nächtliche Spazierfahrt an den Landungsbrücken direkt am Hafen sind einer der Leckerbissen, die Hamburg, offeriert. Aber auch charmante Ecken, entlang der Elbe sprechen eine Einladung zum Chillen aus.
Dann ist noch der mondäne und weltberühmte Kiez – St. Pauli. Ein Areal, das nicht schläft und die Heimat von unzähligen Nachtklubs, Sexhops und Kneipen, die an die einsamen Herzen Seemänner erinnert.
Auf der Reeperbahn liegt die Davidwache (und nicht Davidswache wie so oft geschrieben), eine Berühmtheit im ganzen Land insbesondere durch die Serie „Polizeirevier“. Auf der anderen Straßenseite liegt die Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“, seit der Berlinale 2019 auch außerhalb der Grenzen der Stadt bekannt durch den gleichnamigen Film vom Regisseur Fatih Akin, ein waschechter Hamburger der in seinen Filmen nicht müde wird, seine Liebe zur Heimatstadt, zu bekunden.
Um das Beste der Hansestadt zu erleben, reicht es nicht nur im Internet zu recherchieren oder einen Blick auf die Rezensionen von Tripaadvisor zu werfen. Es bedarf mehr.
Ich war auf einer Pressereise in Hamburg und, wie schon im Jahr 2019, dürfte ich auch diesmal, den Hochsommer erleben bei Temperaturen zwischen 29 und 33 Grad (!!!). Mitgenommen habe ich viele Eindrücke und jede Menge Erinnerungen eines grandiosen Aufenthalts.
Zunächst beginnen wir bei einer ausdrücklichen Nichtempfehlung: Ein NoGo-Lokal ist das Café Gretchen Villa, direkt im St. Pauli Kiez, umrundet von vielen Geschäften und unweit vom Flohmarkt. Die Bedienung in diesem Laden und das Serviceverständnis erreicht Berliner-Niveau. Wenn der Gast, bei 33 Grad und fast tropischer Sonne, eine Pause zwischen zwei Terminen einlegen möchte und viel Kohldampf hat, ist ein solches Erlebnis besonders ärgerlich. Das verzögert alles. Freche Kellnerinnen, die es nicht einmal für nötig halten, sich vom Tisch zu entfernen, wenn man ein persönliches Gespräch bekommt und dies auch als solches, ankündigt.
Selbst eine erfahrene Gastronomie-Kritikern – wie ich – aus der Servicewüste Berlin wird in Starre versetzt bei so viel Frechheit. Die Suche nach der Chefin oder nach einer verantwortlichen Kollegin zwecks Beschwerde blieb erfolglos. Es war keiner vor Ort an einem Samstag bei vollen Haus. Kurzum: Ein schlecht geschultes Team wurde auf die Gäste losgelassen.
Im Gegensatz zur Berlin, bildet der gastronomische Sektor tatsächlich ein attraktives Merkmal, um die Touristen in die Stadt zu locken. Ob im Café oder Restaurant, auch die, die nicht zum sog. Luxussegment gehören, man findet immer etwas Besonders. Der portugiesische Viertel, direkt am Hafen, belegt diese These. Dort findet man eine Vielfalt an Restaurants für jede Zielgruppe. Drum herum eine lockere bis herzliche Atmosphäre und wenn Straßenmusiker vorbeikommen, wird schon mal miteinander gesungen. Es sind keine Volkslieder aus Portugal, sondern Evergreens der Achtziger, damit jede und jeder mitmachen kann und das Gemeinschaftsgefühl kann aufblühen. Auch Passanten verlangsamen ihre Schritte und steigen in die Singerei ein. Andere verzögern ihre Abfahrt mit dem Fahrrad, behalten das Schloss in der Hand und betrachten, genüsslich, die Leichtigkeit eines frühen Sommerabends in einem Jahr, in dem eigentlich alles abgesagt wurde.
Ein absolutes Muss beim Besuch des Viertels ist das Probieren von Caldo Verde (ein portugiesisches Nationalgericht), vorzugsweise im Restaurant „Porto“, schon über mehrere Generationen, einem Familienbetrieb präsent in Hamburg. Zum Glück können andere MitbewerberInnen für Touristen, in Puncto Serviceleistung und Freundlichkeit glänzen. Einige, die besonders herausragten, werden hier aufgelistet.
Gastronomie
Hard-Rock Café
Der Blick von der Terrasse, speziell zum Sonnenuntergang dürfte zu einer der schönsten in Hamburg gehören. Das Service-Team, meist englisch sprechend, fungiert fast als Butler in diskreter Choreographie: aufmerksam, freundlich, schnell und es bedarf nicht nachzufragen, wo die Bestellung bleibt und viel unwahrscheinlicher ist, dass man eine falsche Lieferung reklamieren muss. Es wird nicht viel herum palavert. Es ist alles sehr geräuscharm, insbesondere angenehm, wenn am Tisch, eine 6-er Gruppe sitzt bei spannenden Gesprächen sitzt. Beim Hard Rock Cafe Hamburg ist der Gast wirklich ein König. Im Mittelpunkt steht dessen Wohl und Zufriedenheit. Auch das Menü lässt keinen Gaumen frustriert zurück. Die Präsentation der Gerichte sind mal legere mal elegant und alle sehr schmackhaft.
Und ein bisschen Gedankenlesen, was die Bestellung des Desserts betrifft, kann das exzellent geschultes Team auch. Sie denken mit, überraschen den Gast. Das Prädikat hierfür insgesamt: Überragend.
Anschließend begab sich die Journalistengruppe ins Museum, welches sich über das Treppenhaus bis hin zum Erdgeschoss ausdehnt. Sie wurden von einem Mitarbeiter geführt. Parallel zum Abendessen auf der Terrasse fand auf der mittleren Etage eine Veranstaltung namens „Speed Dating“ statt. Also das Portfolio des Gebäudes, in dem das Café beheimatet ist, lässt Raum für Veranstaltungen auch außerhalb des Musikbusiness .
Das Museum kann sicherlich mit anderen Großstädten vom Bestand her (sehr überschaubar), nicht mithalten. Ein paar interessante Exponate fungieren aber schon als Eye-Catcher. Zum Beispiel die Handschuhe von Superstar Prince oder eine Postkarte, die der Schlagzeuger des Beatles, Ringo Starr, seiner Großmutter schrieb, als die Beatles sich in Hamburg länger aufhielten. Auch eine Jacke, die von John Lennon getragen wurde, steht hinter einer Glasvitrine. Eine von Michael Jackson und Paul Mc Cartney autographierte Schallplatte erinnert an den Evergreen/Ohrwurm „The Girl is Mine“.
Link: Hard Rock Cafe
Eis de Luxe !
Ein Auslandssemester in Italien und ein Kurs in der prestigereichen Eisuniversität der Stadt Bologna waren der Startschuss für den Beginn einer wunderbaren gastronomischen Reise. Kreativität, Begeisterung und Leidenschaft sind hier Programm. Das Team hinter der Diele im kleinen Laden in der Detlev-Bremer-Str. im Bezirk St. Pauli ist auch in heißen Tagen und beim vollen Haus ein Ort mit vielen gastronomischen Überraschungen und eine Lokalität der Begegnung, des Austausches, der Freude.
Luicella‘s Ice Cream beglückt alle Sinne mit den besten Zutaten, akkurat und minusiös ausgesucht. Dieser Laden ist nicht „nur“ eine Eisdiele, ist ein Ort der Verkostung der besten Eiskreationen der Stadt. Demnach empfiehlt sich hinzusetzen, ganz langsam sowie genüsslich das Aussehen, die Textur und Farbe zu betrachten sowie die dann folgende regelrechte Geschmacksexplosion auf dem Gaumen, zu genießen. Meine persönliche Empfehlung ist, die Sorte Schoko de Luxe. Ein Gedicht! Für mich, mit hoher Wahrscheinlichkeit das Beste Schokoladeneis, was ich gekostet habe. Ein Unvergessliches Erlebnis!
Link: Luicella Ice Cream
Old Commercial Room
Hier hatte der Ex-Kanzler und SPD-Urgestein Helmut Schmidt, sein Lieblingslokal. Manchmal kam er einfach mitten am Tage zum Labskaus essen oder einfach um die Gedanken zu ordnen und in Ruhe seinen Zigarettenschachteln zu zeigen, wer der Herr im Hause ist.
Die Sicherheitsleute saßen an den Nebentischen und der Kanzler selbst, am Fenster zur Straße. Dort war sein Stammplatz. An der Wand, oberhalb des Tisches wurde er in einem Foto verewigt. Der Besitzer vom Lokal welches sich exakt gegenüber der Kirche St. Michaelis befindet, kann stundenlang über die Besuch von Schmidt erzählen. Der sehr gesprächige Mann heißt mit Nachname, Rauch(!). Kein Wunder, dass die beiden sich so gut verstanden haben.
Auf Spurensuche des Kanzlers …
An einem sehr heißen Sommernachmittag im August, komme ich noch vor der vereinbarten Zeit, an und bevor die Gruppe Journalisten eintrifft, um mir das Old Commercial Room genauer unter die Lupe zu nehmen, Eindrücke zu sammeln und dabei auf die Spuren des Kanzlers zu gehen. Mein journalistisches Gespür lag richtig und die Rechnung geht voll auf. Die Entdeckungsreise beginnt schon an der Eingangstreppe. Dort steht eine Tafel mit der Beschriftung:“Wenn alle kommen, sind wir voll“. Hanseatischer Humor.
Ein überaus freundlicher und erfahrener Keller macht die Tür auf, begrüßt mich und ich fange an ihm gleich in Löcher in den Bauch zu fragen. Er bringt die Karte und erzählt über die einzelnen Speisen und braucht nicht lange, um zu merken, dass ich auf den Spüren von Helmut Schmidt bin. „Original Kanzler Portion“ zeigt er den Finger auf der Karte und ich bin beeindruckt über wie geschichtsträchtig dieser Ort ist. Ein bisschen später werde ich erfahren, dass es diese Bezeichnung erst seit nach dem Lockdown gibt.
Die Räume, gestaltet mit Lounges wie „Capitan‘s Lounge“ oder „Portiers Lounge“, sind versehen mit hanseatischer Eleganz und jeder Menge Corporate Identity, denn in Hamburg geht nichts ohne das Symbol eines Seemanns, Schiffes oder Kapitäns. Das ist eine Konstante in Hamburg. Ziemlich überall.
Alle Details, Bilder an der Wand von Commercial Room, der eine Stehtisch mit unendlichen vielen Flaschen für den herben Geschmack oder aber die Tischdekoration, die Teller und das Besteck, all das ist mitnichten dem Zufall überlassen. Wer in Hamburg wahres hanseatische Flair mit Stil, Eleganz, einer Prise Humor und einem exzellenten Service und unzählige Geschichten aus der Kanzlerzeit erleben möchte, wird hier ein unvergessliches Erlebnis einfahren. Das Restaurant ist zwar schon zur Mittagszeit geöffnet, aber Zeit ist ein wichtiges Merkmal hier. Es empfiehlt sich ein Besuch zum späten Nachmittag oder Abend. Auf der Homepage werden die Gästelisten akkurat protokolliert. Ganz vorne weg natürlich: Kanzler Helmut Schmidt. Dazu noch Woody Allen, Kanzler Willy Brandt, Jon Bon Jovi, Charlie Sheen, Franz Beckenbauer, Rolf Eden, Frank Zander, Boris Becker, Norbert Blüm, Freddy Quinn und viele andere.
Der Old Commercial Room war an jenem heißen Nachmittag ein Teil des Programms im Rahmen des 60 jährigen Jubiläums des ersten Auftrittes der Beatles in Hamburg. Das Englische Hamburg, thematisch übereinstimmend mit dem restlichen Programm von insgesamt 3 Tagen, sollte den Journalisten (2 aus England, Dänemark, Österreich, Mannheim und Berlin) präsentiert werden. Legendär, es begann hier der Aufstieg der Beatles am 17.08.1960 und die Musikwelt, von Hamburg aus, für immer, verändern würde. In dem dritten Artikel der Reihe, What We Did Last Sommer“, wird sich alles darum drehen.
40 bis 50 Male soll Helmut Schmidt während seiner Kanzlerschaft (1974-1982) in dieser Lokalität gewesen sein. „Loki war dabei, auch der dänische Ministerpräsident. Es war sehr interessant“, leitet unser Wirt das Gespräch ein. An einen Besuch des Kanzlers erinnert sich Herr Rauch ganz besonders. Der Kanzler hatte Geburtstag (23.12.) , und wollte nicht direkt im Lokal feiern aber wohl mit einer Zahl von erlesenen Gästen nach dem Gottesdienst in der Sankt Michaelis Kirche, zum Sekt trinken, einkehren. Sollten unter ihnen doch welche Hunger haben, ließ er Kanzler verlauten, wäre Labskaus die Option. Das Gericht, welches sehr herzhaft ist, vereint rote Bete, Gewürzgurke, Kartoffeln, Corned Beef und Spiegeleier. Im Commercial Room gibt es die als Vorspeise und als Kanzlerportion, diese, wie der Name suggeriert, sehr reichhaltig.
„Er kam mit seinen zwei bis drei Sicherheitsleuten. Die saßen zwei Tische weiter. Ab 2006, als das Rauchverbot in Kneipen eingeführt wurde, kam er nicht mehr.“ Er war schlecht zu Fuß. Wir hätten einen Fahrstuhl einbauen müssen“, führt Herr Rauch fort.
„Wie war er zwischenmenschlich? War er hanseatisch wortkarg?“, wollte ich wissen.
„Wortkarg war er schon nicht. Er hat schon gerne geredet, war intelligent. Das gibt es nicht mehr“ (herzhaftes Lachen).
„Wir sind bekannt mit den Hamburger Speisen, insbesondere Labskaus aber jetzt in der Coronazeit, ist alles nicht so einfach„, sagt der Besitzer. Trotz Corona bleibt das Essen in diesem Lokal grandios. Selbst beim Fisch kann der Gast überrascht werden, wenn der ehemalige Bewohner des Meeres sich über den Tellerrand hinaus streckte. Die Überraschung bei dem dänischen Kollegen, der links von mir saß, ist wahrlich gelungen. Er war völlig aus dem Häuschen.
Link: Old Commercial Room
Fischbrötchen mit Finesse
Bei Underdocks gesellte sich die Gruppe der Journalisten zum letzten Mal zusammen. Kurz vor der Heimreise, mit einem Mittagessen in einem Lokal, das als Start-Up begann und mehrfach auszeichnet wurde, erstmalig 2017 für Kreativität und Relevanz des Konzepts. Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ins Leben gerufenen Wettbewerb gab Underdocks einen wertvollen Qualitätssiegel. Den Gastrogründerpreis haben die Macher, Selbsternannte Fischbrotretter Burhan Schawich und Samet Kaplan, bekommen. In der Tat. Bei Docks ist ein Fischbrötchen ein Erlebnis, eine Überraschung und ein wahrlicher Genuss. Die Preise sind nicht schlecht fürs Marketing aber bei Underdocks hätten sie es gar nicht nötig. Das Urban Fisch Food war von Anfang an ein voller Erfolg.
An Vielfalt, Mut, Kreativität und eine Prise Frechheit fehlt in diesem Start-Up nicht. Es fängt schon bei der Karte an, und geht über die unzähligen verschiedenen Variationen von Fischbrötchen weiter. Nur beim Service gibt es einen Abzug. Nicht etwa weil die Kellnerin unhöflich war, nein. Aber ziemlich allein, als einzige Bedienung mit vielen Gästen verteilt auf alle Bänke und das in der Corona-Zeit. Sie hat es mit Bravour geschafft aber es sind bei den Bestellungen doch Verzögerungen vorgekommen und eine Bestellung (Mineralwasser) wurde gänzlich vergessen. Diese Momentaufnahme soll aber nicht das ganze Projekt, schmälern. Im Gegenteil. Ein Besuch dorthin lässt feststellen, wie cool, modern und urban Fischbrötchen sein können und wo der Einfluss von spanischen Tapas auf das Urgericht, kein Tabubruch darstellt.
Link: Underdocks
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