Tilo Jung rockt die Berliner Republik und ruft jährlich zur Revolution auf

In Ortsteil Leuschentin in der Mecklenburgischen Schweiz aufgewachsen, hat der Journalist, Podcaster und Webvideoproduzent sich sehr schnell nach der weiten Welt gesehnt. Highschool in den USA, 2016 nach Rio de Janeiro zu den Olympischen Spielen zu Interviews mit Medienprotagonisten dort zu führen, wie zum Beispiel der Pulitzerpreis-Gewinner und The Intercept Brasil-Mitgründer Glenn Greenwald.

Tilo Jung ist DER Star unter den Berliner Hauptstadtjournalist*innen.

In mehreren Talkshows wie “Maischberger” oder “Hart, aber Fair” war er schon öfter als Gast. Ein Dauergast ist er bei der Internetmesse „Republica“, immer dann, wenn es um die Analyse der journalistischen Arbeit der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten geht. Zwischen den beiden Verständnissen, was Journalismus ist und sein sollte, liegen Welten. Buchstäblich.

Der Gründer des YT-Kanals „Young & Naiv- Politik für Desinteressierte“ ist unbequem und gefürchtet zugleich.
Sein Hauptbetätigungsfeld als Journalist ist eine wöchentliche Sendung, die immer einen neuen Gast vors Mikrofon bringt. Wer sich mit dem Format schon befasst hat oder seine legendären Interviews angesehen hat, ist im Bilde: Der Name ist nicht Programm. Tilo mag jung sein, aber naiv? Mitnichten!

Gefürchtet in der Bundespresskonferenz

In der Pressekonferenz der Bundesregierung, bei der die Pressesprecher*innen der Ministerien dreimal wöchentlich der Presse Frage und Antwort steht, ist Tilo ein durchaus sehr gefürchteter Fragesteller.

Den Pressesprecher*innen der jeweiligen Ministerien, die hinter dem Pult sitzen, steht oft die blanke Furcht im Gesicht, wenn der Journalist mit seinen Fragen daherkommt. Es sind fundierte und  vor allem unbequeme Fragen, die von Wohlfühl-Journalisten*innen zu oft übersehen oder gar bewusst vermieden werden.

Tilo Jung ist nicht ganz allein bei der Unbequemlichkeit, aber bekommt außergewöhnliche Gesellschaft. Auf der Bundespressekonferenz sind eher die ausländischen Korrespondent*innen, die sehr selbstbewusst diejenigen, die die kritischen und unbequemen Fragen stellen.

Speziell Journalist*innen der öffentlich-rechtlichen lassen oft zu wünschen übrig, die Sprecher*innen der Ministerien oder die Sprecher des Bundeskanzlers mit harten Fakten zu konfrontieren, um an Information zu kommen. Oft werden Standardantworten wie „Ich möchte nichts hinzufügen“ oder aber „Ich verweise auf das Statement der Ministerin vom..“ Oder „Die Worte des Ministers stehen für sich“ im Rahmen der Bundespressekonferenz verwendet.

Der gefürchteter Dominator

Manche Kolleg*innen beklagen sich darüber, dass Tilo Jung den prestigereichen Rahmen der Bundespressekonferenz zu sehr dominieren würde, zu viel Raum einnehme, zu komplizierte Fragen stelle. Das stimmt auch zum Teil, aber erst durch  Hartnäckigkeit, insbesondere beim Nachhaken und dem Umgang mit den Protagonisten der Berliner Republik, hat der Mecklenburger einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet, den schönen Saal direkt an der Spree gelegen, zu einem lebendigeren  Ort des Austauschs zwischen Politiker*innen und Journalist*innen zu machen.

Tilo Jung schafft es immer wieder, die Sprecher*innen der Ministerien von dem hohen Ross herunterzuziehen oder sich vor der Hauptstadtpresse erst gar nicht bequem machen.

„Politik für Desinteressierte“ ist das zweite Motto des „Young & Naiv“-Kanals und damit schafft er seit Jahren, dass viele junge Menschen sich angesprochen fühlen und sich immer mehr mit Politik befassen. Und siehe da, sie schauen sich Woche für Woche die Regierungspressekonferenz an.

Jung & Naiv – Politik für Desinteressierte (jungundnaiv.de)

Aufnahmestudio als gefährliches Terrain

In der Folge 558 vom Podcast „Young & Naiv“ nannte Erika Steinbach, ehemaliges Mitglied des Bundestages (früher CDU-Abgeordnete und heute AfD), einen „Schwachkopf“. Agnes Strack-Zimmermann (FDP) konfrontierte Tilo Jung wiederum damit, sie sei Mitglied in einer NGO für Rüstungsindustrie und insinuierte, sie würde als Lobbyistin im Rahmen der Waffenlieferungen für die Ukraine fungieren. Plötzlich stand die sonst selbstbewusste und schlagfertige Politikerin mit dem Rücken zur Wand und geriet unter Rechtfertigungsdruck.

Politiker wie Wolfgang Kubicki (der George Clooney der FDP) oder Friedrich Merz (CDU) lassen nicht selten in ihren Netzwerken ihrem Ärger über Tilo Jung Luft. Auch Redakteur*innen vom Springer Verlag sind im Bund mit dabei. Für sie ist Tilo Jung ein schlimmer Aktivist. Ein besseres Qualitätssiegel für seine journalistische Arbeit wäre nur der Pulitzer-Preis.

Palast-Revolution

Zunächst werden die Gäste erst mal freundlich empfangen und dann ergiebig eingeschult oder durchgeräuchert, teilweise in einen mehrstündigen Sendungsmarathon, wie mit dem damaligen Spitzenkandidaten der AfD zur Europawahl, Maximilian Krah.

Event im Admiralspalast
Event im Admiralspalast

Ganze 6 Stunden dauerte das Interview, ein absoluter Rekord in dem Format auch bei der Besucherzahl. Ganze 2 Tagen nach seiner der Sendung mit Krah kam raus, dass sein enger Mitarbeiter, aus China stammend, als Spion für die chinesische Regierung von seinem Büro aus agierte. Der Chinese sitzt immer noch im U-Haft. Mehrere SMS von zweifelhafter Provenienz führten zu der Gemengelage dazu. Die Wahlkampfveranstaltungen waren für ihn Geschichte. Heute ist Krah Persona Non Grata sogar von der eigenen Partei und sitzt heute vollkommen isoliert im Europaparlament.

Auch der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk bekam sein Fett weg bei „Jung & Naiv“. Hier hat Tilo ein Meisterwerk an Journalismus geboten. Zunächst begann der Podcaster mit der Frage, woher Melnyk so gut Deutsch könne. Da war der rote Teppich ausgerollt und der ehemalige Botschafter konnte seine ganze Eitelkeit defilieren und rausposaunen.

Während er im selbstverliebten Ego-Trip badete, kam die Frage nach den nationalistischen ukrainischen Politiker Andrijowytsch Bandera, Mitglied der Organisation ukrainischer Nationalisten (OUN), daher, dessen Grab Melnyk in München besuchte. Wenig später war er dem prestigeträchtigen Job als Botschafter los. Er wurde schließlich in die brasilianische Hauptstadt Brasilia versetzt. Weit weg von Europa.

Es ist also nicht ungefährlich bei Tilo Jung Frage & Antwort stehen. Das Jahr 2023 konnte der Podcaster grandios abschließen: Niemand weniger als der US-Senator Bernie Sanders, Amerikas Robin Hood, stand Tilo Rede und Antwort, als im alten Europa sein neuestes Buch „Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu seinveröffentlicht wurde.

Das Netz feierte Tilo Jung gebührend für den Fischfang. Als ich Tilo für den Artikel persönlich fragte, wie ihm dieser Coup gelungen sei, antwortete er selbstbewusst: „Sein Team hat sich bei uns gemeldet“. Wenn das Team vom wichtigsten Politiker der USA bei Dir anklopft, musst Du etwas richtig gemacht haben und es ist ganz egal, was Wolfgang Kubicki oder Friedrich Merz dazu sagen.

Tilo und Küpperbusch
Tilo und Küpperbusch – Logo

Der Admiralpalast war am 29.06. vollständig ausgelastet. 1.700 Personen fanden den Weg zum Ausrufen der Revolution an einem sommerlich heißen Samstag und während der Europafußballmeisterschaft.

Bei Tilo Jung in der Sendung „Jung & Naiv“ war der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow (Die Linke) in der langen Geschichte des Formats der einzige Gast, der aus lauter Wut aufgestanden und gegangen war. Die Einladung vor großer Kulisse im Admiralpalast sollte quasi als ein zweiter Versuch oder gar eine Versöhnung mit Ramelow werden.

Der Ministerpräsident habe „sofort zugesagt“, habe ich mir von dem Podcaster sagen lassen. Der MP erzählte über den laufenden Wahlkampf und philosophierte darüber, warum Thüringen schon immer konservativ war und erläuterte Beispiele seiner „Linken Politik“, zum Beispiel den Wegfall der Kindergartengebühren in seinem Bundesland.

Palast Revolution - Logo
Palast Revolution – Logo

Abend in Überlänge

Der Abend begann um 18 Uhr und ging bis fast Mitternacht. Der Abend wurde in drei thematische Säulen geteilt. Zunächst das Gespräch mit Bodo Ramelow, dann zwei Fronten „Pro & Contra“ in Sachen „Verbot der AfD“ und in der zweiten Hälfe „Legalisierung aller Drogen“. Die zweite hälfte, so ist den Kommentaren jetzt in den Netzwerken zu entnehmen, kam nicht gut bei den Zuschauer*innen an. Einigen wäre es lieber gewesen, weiter über die AfD zu sprechen. Das hätte auch ich begrüßt.

Viele der Zuschauer*innen sind während der Pause gegangen, einige zusätzlich nach dem Beginn der zweiten Halbzeit. Die Plädoyers für Pro & Contra wurden von jeweils 3 Personen pro Fraktion gehalten.

Die zweite Hälfe zerrte schon an meinen Kräften. Die Luft im Saal war verbraucht, es war brühend heiß und einkaufen musste ich auch noch. Also ging ich zu Beginn der zweiten Halbzeit erst mal den mondänen Bedürfnissen im Bahnhof-Friedrichstraße nach und kam aber zum Admiralpalast zurück.

Das Publikum durfte zu den beiden Themenkomplexen Fragen stellen. Der Gastgeber selbst instruierte die Gäste, „Bitte kein Vortrag halten, sondern direkt die Fragen stellen”.

Admiralpalast
Admiralpalast

Nach dem Ende der Veranstaltung ist der Gastgeber persönlich zum Bühnenrand des Admiralpalast und tauschte sich mit einigen Gästen kurz aus. Der begehrteste aller Expert*innen der Pro & Contra-Fraktion war sein Kompagnon, der Journalist Hans Jessen, der auch bei „Young & Naiv“ eine eigene Show hat.

Reibereien nach Ausruf der Revolution

Seitdem das gesamte Video „Palast Revolution“ für alle auf YouTube frei zugänglich ist, ist der Ärger groß. Viele Gäste und Politiker*innen äußern sich negativ und die Geister streiten sich über die Besetzung des Podiums, welches Argumente für oder kontra für ein Verbotsverfahren der AfD oder aber gegen die Legalisierung aller Drogen.

[A4BUCH] ad 4 h1 yt normal (youtube.com)

Einmal jährlich: Revolution, bis es ins Fernsehen kommt!

Seit 2023 geht Tilo mit seinem Weggefährten und wunderbaren Medienanalytiker Küppersbusch und seinen Redakteur*innen in den geschichtsträchtigen Admiralpalast. Im Jahr 1873 wurde der heutige Admiralspalast als Badehaus „Admiralsgartenbad“ in der Friedrichstrasse eingeweiht. Tilo verspricht, das Format zu verfolgen, bis „es ins Fernsehen kommt“. Es klang nicht wie ein Versprechen.

About Fatima Lacerda

Kultur, Fußball, Musik sind meine Leidenschaften. Reiseberichte sind ein Genuss!

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