An der Spree nahm 1895 alles seinen Anfang als 1.500 Zuschauer*innen im Wintergarten-Varieté die weltweit erste kommerzielle Kinovorführung verfolgten. Genau dort setzt das Buch „Klappe! Geschichte der Filmstadt Berlin“ von Oliver Ohmann an …
Normalerweise kaufe ich Bücher nicht sofort als Hardcover, aber da ich seit Monaten rund um das Thema Stars im Berlin der Goldenen Zwanziger schmökere, musste ich es sofort haben. Und ich bin nicht enttäuscht worden! Oft sind geschichtliche Rückblicke eher schwer zu lesende Kost mit vielen Fußnoten, aber auf die verzichtet der Autor hier komplett. Man kann es darum ganz easy einfach weglesen. Aufgelockert wird es zusätzlich durch viele historische Fotos und Boxen mit biografischen Infos zu einstigen Größen wie Fern Andra, Harry Piel oder Curt Bois.
Reise durch die Filmgeschichte Berlins
In 14 Kapiteln führt Ohmann durch die ereignisreiche Filmgeschichte, wobei die ersten 7 Kapitel die Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges abdecken und für mich persönlich der spannendere Teil sind. Wer hätte gedacht, dass Bilder ausgerechnet hier dank eines Max Skladanowsky das Laufen lernten? Oder Berliner Stummfilmstars wie Asta Nielsen durch die leicht zu übertragenden Zwischentitel vor weit über 100 Jahren täglich von weltweit 1,5 Millionen Menschen auf der Leinwand bewundert wurden?! Zurecht sind viele dieser einstigen Berühmtheiten Berlins heute noch im Stadtbild präsent.
Spannend auch, dass in Berlin 1920 mit „Das Cabinet des Dr. Caligari“ mit Conrad Veidt in der Hauptrolle nicht nur der expressionistische Film erfunden wurde, sondern auch das Horrorgenre. Und zwar 1922 mit dem legendären Streifen „Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“ von Friedrich Wilhelm Murnau. Den gruseligen Vampir spielte ein heute recht unbekannter Max Schreck (ja, der hieß tatsächlich so!).
Größere Einschnitte bedeuteten für das Kino unter anderem das Aufkommen des Tonfilms sowie die Machtergreifung Hitlers. Viele große Namen mussten oder wollten damals Deutschland den Rücken kehren. Andere blieben und wurden von Goebbels protegiert. Zarah Leander ebenso wie Hans Albers. Auch dem Kultfilm „Feuerzangenbowle“ widmet sich „Klappe! Geschichte der Filmstadt Berlin“ natürlich. Nicht nur, weil die Komödie mit Heinz Rühmann unvergessen ist. Der Autor hat über die Entstehung des Films auch schon ein eigenes, leider vergriffenes Buch geschrieben.
Kinogeschichte 1945 bis heute
Vom Neuanfang nach dem Krieg über die zwei Filmwelten im geteilten Berlin bis hin zu Hollywoodproduktionen als Dauergast in der deutschen Hauptstadt bekommt ihr unzählige Anekdoten serviert. Mit Geschichten über Filme wie „Die Legende von Paul und Paula“ (1973), „Der Himmel über Berlin“ (1987), „Lola rennt“ (1998) oder „Inglourious Basterds“ (2009) führt euch das Buch bis zur ungewissen Zukunft der derzeit 68 Kinos Berlins aufgrund der Corona-Pandemie.
Fazit „Klappe! Geschichte der Filmstadt Berlin“
Ich hab das Buch verschlungen und finde es wahnsinnig interessant und kurzweilig. Im Vorwort steht: „Wenn der Leser während der Lektüre die Lust verspürt, Filme aus oder über Berlin zu sehen (bestenfalls in einem Kino), dann hat der Autor sein wichtigstes Vorhaben erreicht“. Bei mir hat es funktioniert. Vor allem will ich endlich mal wieder in eines der schönen alten Lichtspielhäuser gehen! Vielleicht ja ins Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz …
Das kann ich euch auch nur ans Herz legen. Wie wäre es vorher mit einem Besuch einiger Drehorte in Berlin oder einer Visite in der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz? Dort gibt es unter anderem einen Nachbau des Skladanowsky-Bioskops zu sehen, den die Berliner einfach Kurbelkasten nannten. Direkt vor dem Filmmuseum findet ihr außerdem den – zugegebenermaßen sehr hässlichen – Boulevard der Stars, wo Skladanowsky ebenso wie Emil Jannings, Hans Albers oder Marlene Dietrich einen Stern hat.
Ohmann, Oliver: Klappe! Geschichte der Filmstadt Berlin, Elsengold Verlag, Berlin 2022.
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