Eisenhüttenstadt oder das übriggebliebene Stückchen DDR (Architekturkunst) – die Neustadt

Nun folgt endlich die „sagenumwobende“ Neustadt von Eisenhüttenstadt (zum ersten Artikel, der Altstadt Fürstenberg, hier entlang). Frisch geduscht und gefrühstückt ging es, so war der heutige Plan – endlich in die Neustadt – auch als Planstadt oder Stalinstadt bekannt. Dieser heutige Stadtteil war damals ab 1950 entstanden als Wohnlandschaft für das ebenfalls neue Eisenhüttenkombinat (EKO) und wurde Stalinstadt getauft. Ab 1956 fiel der ehemalige große Führer Stalin (gestorben 1953) immer mehr in politische Ungnade, zuerst in der UdSSR dann natürlich wenn auch mit Verzögerung in der DDR.

Daher wurde vieles was einen Stalinbezug hatte, einfach wieder getilgt, man denke auch an die ehemalige Stalinallee, die heutige Karl-Marx-Allee in Friedrichshain. Interessanterweise geschah die Umnennung der Straße in Berlin und die Auflösung der Stalinstadt am gleichen Tag – 13.11.1961. Somit wurde sogleich aus der (Altstadt) Fürstenberg, Schönfließ und der damaligen Stalinstadt, das heutige Eisenhüttenstadt.

Eisenhüttenstadt Neustadt - Friedrich-Wolf-Theater in der Lindenallee
Eisenhüttenstadt Neustadt – Friedrich-Wolf-Theater in der Lindenallee

Stadt, entstanden auf dem Reisbrett

Die Stalinstadt – damals ab 1950 – sollte natürlich eine Erfolgsgeschichte werden, mit einem großen Namen geschmückt. Es sollten  hochwertige Arbeiterwohnungen werden (wie in der Berliner Stalinallee), wie es nur der Sozialismus zu gestalten vermag. Tatsächlich entstand ein schönes Wohnareal für viele tausende Mitbürger. Allerdings mit dem Haken, das alte Stadtstrukturen fehlten und somit es auch keine Handwerksbetriebe gab. An Waren des täglichen Bedarfs hat es hingegen nicht gemangelt, dafür hat die Partei gesorgt, schließlich war es eine sozialistische Vorzeigestadt. So kamen – die vom Krieg – gebeulten DDR-Bürger zahlreich und die Stadt wuchs schnell von 2000 im Jahre 1952 auf über 15.000 Einwohner im Jahre 1955 an.

Zurück in die Gegenwart, was ist noch da – vom alten Glanz in dieser heutigen Neustadt von Eisenhüttenstadt, das war jetzt die berechtige Frage. Das EKO hatte seine beste Zeit hinter sich, zumindest was die Mitarbeiterzahl betrifft. Insgesamt hatte Eisenhüttenstadt nach der Wende in den Jahren 1989/90 und folgend viele Einwohner verloren, wie andere ehemalige DDR-Städte leider auch. Die Infrastruktur mit den wertvollen Gebäuden konnte natürlich nicht mitgenommen werden.

Die Sozialisten lassen grüßen

Was auch blieb sind ein Großteil der „sozialistischen“ Straßennamen, es grüßen u.a. Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Friedrich Engels, Maxim Gorki, Clara Zetkin und natürlich Karl Marx. Die Magistralen sind dabei die Straße der Republik in der Waagerechte, die Fritz-Heckert-Straße und die Lindenallee in der Senkrechte. Gerade die lebendige Hauptmagistrale Lindenallee (alt: Leninallee) wirkt untypisch für eine Kleinstadt, sehr breit und gesäumt mit vielen „ehemaligen“ Geschäften und großen Gebäuden. Und mit Blick gen Norden lässt das EKO grüßen, zumindest die Silhouette ist erkennbar.

Eisenhüttenstadt – Vorschlags-Route durch die Planstadt

WK – Wohnkomplexe statt Weltkriege

Zwischendrin viele schöne Gebäude mit Verzierungen in der Planstadt, welche es zu entdecken gilt, dabei hilft ein roter Faden durch die vier großen Wohnkomplexe (WK). Diese sind wie numeriert chronologisch nacheinander entstanden. WK I ab 1951 und stellt in der Nachbetrachtung die einfachsten Wohngebäude der damaligen Stalinstadt da. Abschnitt II 1953/54 setzte dem Rechnung und es entstanden in dieser Zeit die verbesserten und somit die schönsten und meisten Wohngebäude auf diesem Stadtgebiet. Komplex III folgte 1955 und der nächste Abschnitt IV von 1958-61. Es gab noch weitere inoffizielle WK-Fortsetzungen, die aber nicht zum eigentlichen Stadtteil bzw. dieser Betrachtung gehören. Hier sei weiterführend die umfangreiche Seminararbeit über Eisenhüttenstadt von Dr. Kerstin Sailer empfohlen (direkter Download).

Dieser schon sogenannte rote Faden startet an der Touristeninformation in der Lindenallee, gleich neben dem großen Friedrich-Wolf-Theater, was sogleich die Nummer 1 bedeutet. Es geht weiter im Uhrzeigersinn über Schulen, Kindergärten, dem Rathaus, einem ehemaligen Hotel und weiteres bis zur Nummer 13 dem Lindenzentrum in der Lindenallee und somit wieder in Sichtweite der Nummer 1. Hilfreich bei der jeweiligen Nummer sind die vor Ort stehenden rot-weißen Infotafeln. Drei Stunden sollten letztendlich für einen kompletten und entspannten Rundgang eingeplant werden.

Einfach treiben lassen

Als Besucher ist es wirklich empfehlenswert sich einfach ohne genauen Plan durch die Areale zu bewegen. So bekommt man ein Gespür – für die Gebäude mit Ihren Details, wie den Eingangstüren oder dem aufwändigen Wandschmuck an einigen Gebäuden. Die gepflegten Anlagen – wie die zahlreichen Innenhöfe mit Warnplakaten im Nachkriegsstil und den überraschend auftauchenden Skulpturen. Mit einer Vielfältigkeit von einem Wildschweineber über eine schöne Arbeiterfrau bis hin zum Obelisken zum Gedenken der gefallenen Sowjetsoldaten im 2.Weltkrieg.

Zu finden sind aber auch die typischen DDR-Überbleibsel wie die alten Straßenlampen oder das Restaurant „Aktivist“ – umgangssprachlich liebevoll „Akki“ genannt. Die Straßen sind weit, dafür wenig Autos, imposante Gebäude für eine relevativ kleine Stadt. Es wurde im wahrsten Sinne des Wortes, viel Geld und Liebe in Sand / das Vorzeigeprojekt gesteckt. Auf Dauer war es nicht zu halten, so kamen halt später die praktischen und günsterigen Plattenbauten.

Eisenhüttenstadt Neustadt - Lindenallee, Wandgemälde
Eisenhüttenstadt Neustadt – Lindenallee, Wandgemälde

Fazit

Eisenhüttenstadt ist definitiv eine Reise wert, es ist wirklich eine Zeitreise in eine architektonische DDR-Idylle mit 50er Jahre-Charme sowie in einem äußerlich soweit intaktem guten Zustand. Was fehlt – sind die Menschen, zum einen wegen der altbekannten Regel ohne Wirtschaft keine Einwohner, zum anderen waren jetzt die coronabedingten Einschränkungen vorhanden. Da Bilder bekanntlich mehr sagen als 1.000 Worte folgt eine umfangreiche Bildergalerie mit zahlreichen Impressionen, mal von weitem und mal von nahem betrachtet. Teil 1 der Fotosammlung startet im Süden mit dem großen Wohnkomplex II, Teil 2 zeigt die Orte in aus dem Areal I und IV.

Weitere Infos über Eisenhüttenstadt gibt es natürlich auf der offiziellen Webseite -> Link. Aufgrund des Umfanges wird noch ein weiterer Bonusartikel folgen mit Schwerpunkt zum Dokumentationszentrum DDR-Alltagskultur. Zu finden neben der Weltkugel in einem ehemaligen Kindergartengebäude.

Zur Info: Dieser zweiteilige Bericht ist ohne Unterstützung oder Förderung entstanden, einfach aus Neugierde auf die eigene Region;o)

Bildergalerie (WK II)

Bildergalerie (WK I und Teilweise IV)

About waldnase

Komme aus der Provinz und seit 1999 Berliner! Mich interessiert hauptsächlich Geschichtliches und Kreatives aus der spannendsten Metropole Deutschlands.

Check Also

Berliner Dom

Expats in Berlin: Bürokratische Hürden meistern

Mit dem Begriff Expats sind Menschen gemeint, die außerhalb ihres ursprünglichen Heimatlandes leben und arbeiten. …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.