Abenteuerurlaub direkt ab Berlin: Mit dem E-Auto zur Müritz!

In Zeiten von Corona macht man wieder Urlaub im eigenen Lande. Wem das zu langweilig ist, der baut eine Variante ein, die etwas Abenteuer verspricht: Man mietet sich ein Elektroauto. So also auch wir (meine Frau und ich) und dazu natürlich auch ein E-Auto aus heimischer Produktion: ein BMW i 3. Frei nach dem Motto: support your local dealer. (Mal sehen, ob mir BMW für diese Image-Kampagne was rüberwachsen lässt!)  Das Gute zuerst: Es wird nie langweilig, die Tage sind mit Pfadfinderspielen gut gefüllt und man kommt mit wildfremden Menschen ins Gespräch.

Eigentlich müsste jetzt ein Seminar „Elektrotechnik für Fortgeschrittene“ folgen, in dem mindestens das Ohm´sche Gesetz und der Unterschied zwischen Stromspannung, -stärke und -leistung aufgefrischt wird, aber dazu fehlt uns hier die Geduld. Geduld braucht man aber zuhauf, wenn man im Umland Berlins Strom tanken will, sowie Weitsicht, ein Smartphone und ein funktionierendes Internet.

Das sind nur drei von zehn möglichen Steckern !

Damit haperte es bereits bei der ersten Ladesäule Prignitz-Ost kurz vor dem Dreieck Wittstock. Nicht, dass wir da schon etwas brauchten – bis zur Müritz sind es nur 180 km bei angezeigten 290 km maximaler Reichweite – aber das sollte der erste Test sein. Das Scan-Feld der Ladesäule reagierte nicht, das Internet war wohl zu dünn oder weg = die Hotline jedoch (die funktionierte !) spendierte uns gratis einige KiloWatt. (Achtung: Kalauer)

Also noch was Positives: Man bekommt als Exot noch sehr oft was geschenkt, z.B. vor Baumärkten und sogar beim Vermieter: Im Gegensatz zu Benzinern muss man den Wagen nicht voll (-getankt) zurückgeben. Toll !

Wobei Bau- und Supermärkte das natürlich mit Hintergedanken machen, denn unsere erste Regelladung in Malchow dauerte dann auch drei Stunden. Da kann man schon ´ne Menge einkaufen! Aber das Aufladen birgt noch andere Probleme als das Zeitproblem: Das Steckerproblem. Im Mietwagen war zwar nur einer drin, da konnte man nichts verwechseln, aber wenn man sich per App oder Internet die Ladesäulen anzeigen lässt, fängt die Raterei schon an:

Ladekabel Typ 2 (Mennekes)

Ist das nun Typ 2 oder Mennekes oder Mode 3 – Stecker ? AC oder DC ? (die Fans mögen mir verzeihen)

Combo-Stecker CCS

Irgendwie ist das alles zwar lösbar, wir hatten ja auch keinen Termindruck und keinen strömenden Regen, aber insgesamt suboptimal, wie es so schön im Managerdeutsch heißt. Warum zeigt jede App andere Orte an, teilweise auch private Ladestationen auf Hotelparkplätzen? Warum benutzt jeder Anbieter andere Abkürzungen? Warum sind die Ladekosten ziemlich versteckt, genauso wie die Ladesäulen in Natur und im Navi (nicht unter L oder T, sondern als Sonderziel).

Die häufigste Frage wird aber nach der Reichweite gestellt. Da ist selbst der Bordcomputer oft mit überfordert, denn der rechnet ständig neue Reichweiten aus. Peinlicherweise immer aufgrund des bisherigen Fahrprofils, und ist damit ebenso zuverlässig wie die Prognose der Wirtschaftsweisen. Denn letztere konnten Corona ja auch nicht ahnen, und der Bordcomputer weiß ja auch nicht, ob man demnächst über eine Umleitungsstrecke in die Berge muss. Und hier befindet sich m.E. das größte Problem der PKW-Elektrifizierung: Es gibt keine Art von Reservekanister – also vergleichbar einer Powerbank für Handys.

Der Bordcomputer weiß auch nicht alles

Das Reichweitenproblem ist nämlich ein anderes: Das der Energiedichte.

Wenn man bei einem Fahrzeug mit leerem Benzintank sich ganz gut mit einem 5-l-Reservekanister behelfen könnte, müsste man für das gleiche Potential einen 400 kg schweren Li-Ionen-Akku anschleppen. Einziger Trost an der Sache: Im Gegensatz zum Verbrenner bleibt das E-Auto nicht einfach stehen, sondern schleppt sich mit reduzierter Leistung noch ein bisschen weiter. Und Strom gibt´s dann vielleicht an einer Steckdose bei einer alleinstehenden Person, die sich über einen längeren Besuch sicher freut…

Ladesäulengespräche

Hat also alles wie immer seine zwei Seiten. So also auch der Urlaub 2020 im eigenen Land gleich vor der Haustür – gefühlt aber auf einem anderen Stern.

Kleine Pointe nebenbei: Das gewählte Reiseziel Naturressort Drewitz (Nähe Malchow) entpuppte sich dann also als die ehemalige Jagdresidenz von Erich Honecker, traumhaft im Wald gelegen, weit außerhalb jeder Ortschaft. Und natürlich ohne leistungstarke Stromleitung,  deshalb ohne Ladesäule oder Wall-Box. Dabei hatte Lenin doch vor 100 Jahren schon gesagt: „Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes“ . Na vielleicht hilft ihm der olle Kapitalist Elon Musk auf die Sprünge, der baut womöglich bei Grünheide ein neues Batteriewerk (sofern dort keine Großtrappen brüten).

Rechts Berlin, Mitte MeckPomm = Wüste

About Wolfkamp

Uralter Urberliner. Taxifahrer, Eisenbieger, Schneeschipper, Student, Wagenwäscher, Bananenverkäufer, Bauleiter, Ausbilder, Dozent, Hilfsarbeiter, Operator, Systemanalytiker, Autor, Stadtführer, SES-Experte, Seniorenfahrer, Berliner Schnauze, usw. usw. Ich glaub´, ich habe nichts vergessen . . . . . .

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3 comments

  1. Das ist ja unglaublich. Kein Wunder, dass so wenig Menschen auf Elektro Autos umsteigen (es sind halt nicht nur die Anschaffungskosten, sondern die gesamte Infrastruktur). Wobei ich nicht glaube, dass es in anderen Ländern in West-Europa viel besser ist.
    Dennoch vielen Dank für diesen ernüchternden Bericht.
    LG + bleibt gesund
    Armando

  2. na , das waren sicherlich spannende Erlebnisse und Suchen. Seid ihr gut heim gekommen? gruss von Pot

  3. Übrigens : BMW sollte sich was schämen !
    Bis heute ist kein einziges Dankeschön für die Image-Kampagne bei mir eingegangen !
    So wird das nie was mit dem Paradigmen-Wechsel . . . . . . . . . .

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