Ungewöhnlicher Bahnhof mit ungewöhnlichem Namen

Der U-Bahnhof  Onkel-Toms-Hütte ist ein derart besonderer Bahnhof, dass man sich wundern muss über die geringe Beachtung, die er genießt (oder eben nicht genießt!) Was hier alles vergessen, verdrängt oder nicht weiter verfolgt wurde, kann man im Rahmen eines Blogs nicht aufzählen, aber zumindest kann ich Interessierten ein paar Hinweise und Bilder liefern, damit man sich dieses Kleinods richtig bewusst wird.

O-Toms-Hütte29

Nachdem bei vielen Bahnhöfen die leerstehenden Fahrkartenschalter, Gepäckaufbewahrungen und Warteräume nunmehr gewerblichen Zwecken dienen, fällt ein Bahnhof mit angeschlossener Ladenzeile kaum noch richtig auf, aber bei diesem U-Bahnhof muss man einfach mal genauer hinsehen.

Diese überdachte Shopping Mall ist über 80 Jahre alt und von Anfang an so konzipiert worden.

Im Gegensatz zu Bahnhöfen mit Kaufhausanschluss (z.B. Hermannplatz) hatte man hier den Einzelhandel eingeladen, einige Geschäfte haben sich denn auch bis heute gehalten. Leider hat man dieses Konzept in Berlin nie wieder aufgegriffen, überarbeitet oder erweitert. Spätestens seit Aufhebung der Einlasskontrolle auf Bahnhöfen hätte man hier die strenge Trennung zwischen Ladenzeile und Bahnsteig im Sinne einer zukunftsweisenden Architektur aufheben können. Dazu ist es jetzt wahrscheinlich zu spät, denn nun wird mit Sicherheit der Status Quo durch den Denkmalschutz eingefroren.

Die Architektur des gesamten Siedlungsgebiets ist übrigens eine Geschichte für sich, sie führte sogar zu einem „Zehlendorfer Dächerkrieg“ – da ging es um angeblich. undeutsche Dachformen. Die Architekten des Komplexes (Wagner, Taut, Salvisberg, Grenander) emigrierten denn auch nach 1933 und später im Nachkriegsberlin vergaß man dann sogar die spezielle Farbwahl der im Volksmund „Papageiensiedlung“ genannten Wohnzeile.

Statt vieler Worte wollen wir hier lieber Bilder sprechen lassen, am sinnvollsten ist aber ein persönlicher Besuch. Am besten wäre der aber eben auch mit der U-Bahn, schon allein die Einfahrt in den Bahnhof ist ein Erlebnis.

Drei Anmerkungen noch nachträglich:

  1. Hier fährt die U-Bahn als Grabenbahn, das ist preiswerter als unter der Erde und gleichzeitig lärmmindernd und fahrgastfreundlicher. Diesen Teil (ab Thielplatz) hatte der Unternehmer Sommerfeld der Stadt Berlin geschenkt ! (Trotzdem musste auch er unter den Nazis fliehen)
  2. Der ungewöhnliche Name hängt mit einem (ehemaligen) Lokal an der Rodelbahn zusammen. Der Besitzer hieß Tom und hatte kleine Bretterbuden für Familien als Besonderheit, die hießen dann (logo) Toms Hütten, und da der Roman von Beecher-Stowe gerade en vogue war, hieß das Lokal bald Onkel-Toms-Hütte. Die Sklaven-Problematik hatten die Namensgeber wohl eher nicht im Sinn. Bei den Schwarzen Amerikas ist der Begriff Onkel-Tom wohl mittlerweile eher ein Schimpfwort.
  3. Während andere Wohnanlagen von Taut/Wagner u.a. auf der Weltkultur-Erbe-Liste stehen, hat man diese Siedlung schlicht vergessen – und scheute den Aufwand der nachträglichen Aufnahme.

Bildergalerie:

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Uralter Urberliner. Taxifahrer, Eisenbieger, Schneeschipper, Student, Wagenwäscher, Bananenverkäufer, Bauleiter, Ausbilder, Dozent, Hilfsarbeiter, Operator, Systemanalytiker, Autor, Stadtführer, SES-Experte, Seniorenfahrer, Berliner Schnauze, usw. usw. Ich glaub´, ich habe nichts vergessen . . . . . .

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3 comments

  1. Finde Berlin allg. eine tolle Stadt, deine blog Seite auch.

    Grüsse aus der Schweiz

  2. Danke für den tollen Artikel. Als Zehlendorfer, der im direkten Umfeld des Bahnhofs aufgewachsen ist, teile ich die Sicht vollends, dass es sich um einen kleine Bahnhof handelt, der ein eigenartiges, aber tolles und unverwechselbares Flair ausstrahlt. Auf diesem Bahnhof macht Warten definitiv mehr Spaß, weil das Leben um einen drum herum strömt.

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