Legende Carlos Santana in Berlin (13.06.2025): Virtuosität eines Menschenfängers

Der Sommer ist endlich da und die Musikfans in der Hauptstadt kommen ganz auf ihre Kosten. Weltstars gehen hier ein und aus. Beginnend mit dem Boss Springsteen, der das Olympia Station beben ließ und klare Wort zu der jetzigen Regierung in seinem Heimatland fand.

Santana in Action (Foto: Christian Könneke)

Am 18.06. während Tom Jones im Tempodrom seine Popsongs und seinem Charisma zum Besten geben wird, trifft der ehemalige Wahlberliner Iggy Pop in der Spandauer Zitadelle auf. Am 03. Juli gastiert der Enfant Terrible der Rockmusik, Neil Young in der Waldbühne, sicher ein Höhepunkt der Saison.

Freitag 13.06., begab sich der virtuose Gitarrist Carlos Santana in die sonst sehr kühle UBER Arena. Insgesamt sind von der Oneness Tour 5 Auftritte in Deutschland.

Der Anfang

Auf dem legendären Woodstock-Festival im Jahr 1969 wurde die Welt auf den Mexikaner, der in San Francisco sein Zuhause gefunden hat, aufmerksam.

Die hartklingende E-Gitarre mit einem Hauch Virtuosität, die Chocalhos* und die Bongos samt hoher perkussiver Musiksprache rockte die Musikwelt buchstäblich.

Alte Zeiten

Der experimentierfreudige und zum Risiko bereite Manager Bill Graham fand seinerzeit Potenzial in seiner Musik und als die Veranstalter von Woodstock an ihn aus lauter Verzweiflung die Band-Liste voll zu bekommen, herantraten, schlug dieser Carlos Santana vor. Bis dato war Santana eher in San Francisco und der Ostküste, wo er beim Atlantic City Festival im August 1969 auftrat, aktiv.

Mit der Zeit wurde seine Musik noch vielseitiger: Unter den drei Vorbildern Santanas seien Bob Marley, Miles Davis und John Coltrane, erzählte er Ende der 90er Jahren auf der Pressekonferenz des Montreux-Jazz-Festivals, dort, wo Genfer See die Musikgiganten sich die Klinke in die Hand geben.

Die Klangfarben seiner Vorbilder sind in seinen musikalischen Kosmos miteingeflossen. Deshalb seinen Musikstil lediglich als „Latin-Rock“ zu bezeichnen, gibt bei Weitem nicht das ganze Bild wieder.

Einflüsse: Brasilien & Karibik

Sein ältester Sohn heißt „Salvador“, eine Hommage an die Stadt im Nordosten Brasiliens, dort wo überwiegend afrikanische Einflüsse herausragend sind. Der Sohn ist auch Musiker und tritt gelegentlich mit auf.

Während des ersten Teils seines Konzerts in Berlin trug Santana, wie oft ein buntes Hemd mit dem Gesicht von Bob Marley.

Die Einflüsse von John Coltrane und Miles Davis fließen auch in seine Arbeit ein und während seines Berlinauftritts drehte er sich oft mit halben Rücken zum Publikum. Ich musste dabei an Miles Davis denken, der seine Form des Bühnenauftritts so reduzierte, dass er auf dunkler Bühne mit dem Rücken zum Publikum spielte. So radikal wird Santana nicht. Vielleicht war es aber auch nur ein Zufall.

Santana in Action (Foto: Christian Könneke)
Santana in Action (Foto: Christian Könneke)

Der Berlinbezug

Im Übrigen kennt Santana Berlin noch von der anderen Mauerseite. Am 06. April 1987, in dem Jahr, in dem Berlin die große 750-Jahre-Feier hatte, gab Santana sich die Ehre im Palast der Republik, damals mit noch langer Mähne. Schon beim damaligen Konzert trug er ein ärmelloses T-Shirt mit dem Gesicht von Bob Marley.

Der Einstieg

Um Punkt 20:05 Uhr betrat seine Band die Bühne. Während der ersten 3 Songs saß Santana auf dem Metallhocker und das Publikum rechts vor der Bühne hatte das große Los gezogen und konnte ihn meist von vorne anschauen.

Weil die Stimmung zu eisig war und die erste Reihe im Wohnzimmerstil gesessen hatte, haben die beiden Sänger mit wilden Gesten die Leute animiert, von hinten nach vorne zu kommen. Wer also die teuersten Karten hatte, musste flexibel sein. Das fällt dem deutschen Publikum oft schwer. Wo ich gesessen habe, war leider die Couch-Fraktion En Masse vertreten. Leute begannen zu tanzen und die ersten Auseinandersetzungen und Streitereien begannen. Wer zu einem Musiker vom Kaliber Carlos Santana geht und die ganze Zeit sitzen bleibt und die vorderen Reihen verdonnert dies auch zu tun, ist im falschen Konzert. Der junge Mann in meiner Reihe hat die Forderungen ignoriert und ließ sich vom Tanzen nicht abhalten. Richtig so.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Uber Arena nicht gerade ein Ort der Wärme ist und das Berliner Publikum an jenem Abend hat nicht sonderlich geholfen, diesen Zustand zu minimieren.

Es geht auch anders

Im Jahr 2000 in der Wuhlheide (Supernatural Tour) war die Stimmung, wie sie sein sollte: mit tanzwütigen Publikum und voller Begeisterung und Leidenschaft an einem perfekten Sonntagnachmittag. Während der Mauerzeit musste er immer am Checkpoint Charlie vorbei und an dem Abend erwähnte er, dass am 09.11.1989 die Mauer fiel und am selben Tag der Freiheitskämpfer Nelson Mandela aus dem Gefängnis freikam. „Das an einem Tag!“, hob er den mehrfach historischen Tag hervor.

Der Couch-Fraktion zum Trotz

Viele, die in der kühl wirkenden Uber Arena waren, wussten um die Besonderheit dieses Konzertes. Es könnte sein letzter Auftritt in Berlin gewesen sein.

Santana ist mit seinen  77 Jahren und bald 78 (20.07.) ist vom Alter gekennzeichnet. Größere Pausen wurden eingebaut. Bei einer nutze der Bassist die Zeit, die Europa-Hymne zu spielen. Eine politische Botschaft, die keine Anmoderation brauchte. In einer Zeit, in der die USA das transatlantische Verhältnis eher stiefmütterlich und als Störfaktor behandelt, fand Santana auch dafür die richtigen Klänge.

Die großen Evergreens kamen recht zügig. Gleich im ersten Abschnitt kam der Song, der Santana auf den 1. Platz der Charts katapultierte: „Maria Maria“. Seitdem Ende des Konzerts ist dieser Song ständig bei mir im Ohr. Ein derartiger Wurm wir man nicht so schnell los…

20:10 Uhr Black Magic Woman. Dann der Ohrwurm Oye Como Va und in der 26. Minute der Dauerbrenner und der Song, der Santana für mehrere Wochen den 1 Platz in den Charts bescherte, „Maria Maria“. Bei dem Song sind mehrere dann doch aufgestanden.

Santana schaut ins Publikum (Foto: Christian Könneke)
Santana schaut ins Publikum (Foto: Christian Könneke)

Später, schon im dritten Abschnitt, den er die ganze Zeit im Stehen und beweglich auf der Bühne angeboten hatte, lobte er den Zeitgeist. Man sei weiter mit dem Verständnis für die indigene Bevölkerung, die nicht mehr als „Monkeys“ wahrgenommen würden. Wohlwollender Applaus aus dem Publikum kam zügig. An dem Tag, in dem die Welt mit der Schreckensnachricht aufwachte, Israel habe den Iran angegriffen, fällt es schwer, den Zeitgeist positiv anzusehen und einzuordnen, aber Santana bleibt kohärent und glaubwürdig: Wer die Karriere von dem beliebten Musiker verfolgt, ist dessen bewusst, dass die indigene Bevölkerung ihm schon immer ein wichtiges Anliegen war. Auf der Eintrittskarte ist die Homepage von seiner Milagro Stiftung, die auf die Fahne schreibt, in dem Leben vieler Kinder den Unterschied zu machen in den Bereichen Kunst, Bildung und Gesundheit, kurzum, für soziale Gerechtigkeit und Inklusion.

Link: https://www.milagrofoundation.org/

Auf der Leinwand in der Arena liefen während des Konzertes Videos von Indigenen, von asiatischen Kindern, von afrikanischen Bevölkerungsgruppen, die ihre wunderbaren Tänze zum Besten gaben. Die Couchfraktion hätte sich daran ein Beispiel nehmen können, anstatt auf die Wohnzimmeratmosphäre und Komfort zu pochen und deswegen Streit anzufangen. Unfassbar!

Gerade bei einem Künstler, der wie kaum ein anderer die Völkerverständigung hervorhebt. Der Titel seiner Tour 2025 heißt nicht umsonst, Oneness„.

Die Gute Drummerin ist auch dabei (Foto: Christian Könneke)

 

Im dritten Konzertabschnitt gönnte sich Santana eine 10-minütige Pause rechts der Bühne. Während seine Frau Cindy Blackmann Santana (Siehe Foto) ein überragendes Solo auf dem großräumigen Schlagzeugset zum Besten gab, trank er viel Wasser und bewunderte das überragende Talent seiner Gattin.

Die Dehydrierung, die im Juli 2022 in den USA zu einem Zusammenbruch auf offener Bühne führte, war ihm offenbar eine Lehre.

Zum Schluss des Abends so um 22:50 Uhr gab Santana bei „Smooth“ noch einmal alles.

Wie alle Dinosaurier des Music Business wie z. B. die andere Legende Keith Richards dies immer tut mit dem Satz „It’s good to be here, It’s good to be anywhere„, bedankte sich Santana noch am Leben zu sein.

Trotz der nervigen Couchfraktion wurde das Konzert in der Uber Arena eine Begegnung und ein Bankett von lebenbejahenden Klangfarben und Rhythmen. Ein bemerkenswerter Abend mit dem unverwechselbaren Virtuosen, Humanisten und Menschenfänger Carlos Santana.

*Das Chocalho ist ein traditionelles brasilianisches Schlaginstrument, das besonders in der Samba-Musik verwendet wird. Es gehört zur Familie der Rasselinstrumente. Das Chocalho besteht aus einer Stange, die aus Metall oder Holz gefertigt ist. An dieser Stange sind mehrere Reihen von kleinen Metallschellen angebracht. (Quelle: Lexikon-Musikinstrumente)

About Fatima Lacerda

Kultur, Fußball, Musik sind meine Leidenschaften. Reiseberichte sind ein Genuss!

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One comment

  1. Heinz Nachtigall

    Eine sehr gute und umfassende Konzertkritik, die die Stimmung 1zu1 widerspiegelt.
    Lediglich bei der Tatsache, das Konzertende auf 22:50 Uhr zu verlegen, war wohl mehr Wunschdenken beim Verfasser im Spiel!!
    Oder hat er wie wir das Ganze noch bei einem „Absacker“ genossen und das als Konzertzeit zugerechnet?

    Freundliche grüße

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