DFB-Pokal Endspiel (21.05.): Endlich wieder Fußball in vollen Zügen!

Die Pandemie gönnt uns gerade mal eine Auszeit aber herrscht wieder Krieg in Europa und doch gehören die Sehnsucht nach den Gesängen aus der Kurve, die ausgelassenen Stadien gehören wieder zum Ritual am Wochenende und an so einem Tag, fungierte Berlin als Hauptstadt des Fußballs zum DFB-Pokal-Endspiel.

Fans am Eingang des Olympia Stadions

Dieses Turnier, dessen Höhepunkt seit 1985 im prestigereichen Olympiastadion stattfindet, entkräftet und neutralisiert die Monopole der Bundesliga. So kommt es also zum Beispiel vor, dass ein Zweitligist wie Holstein Kiel einen der mächtigsten Vereine Europas, den FC Bayern, aus dem Turnier buchstäblich heraus kickte. Überraschungen oder Wunder, wie im Finale 2018, haben bei diesem Turnier, Konjunktur.

Ein Verein aus dem tiefsten Süden und gar mit dem Kultcharakter eines Underdogs im Fußballgeschäft, der SC Freiburg, stand zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte im Finale. Der Chef-Coach, Christian Streich, seit 11 Jahren in dieser Position, prägte wie kaum einer den Verein. Auf der anderen Hälfte des Rasens stand das absolute Gegenteil: ein Verein der sich in den letzten 5 Jahren, aufgrund eines robusten Sponsoren zu einer wirtschaftliche Macht im deutschen Fußball entwickelt hat: RB Leipzig. Also es war ein Duell zwischen David und Goliath.

Die Leipziger unter immensen Druck
Die Leipziger unter immensen Druck

Popularität im Keller

Während die Freiburger Sympathie von überall in der Republik erfuhren, so stand der Getränke-Verein mit seiner Popularität im Keller und siehe da, schafft es sogar, noch mehr Ablehnung zu erfahren, als der Klub in der Säbener Str. in München.

Zwei Wochen vor dem Endspiel veranstaltet der DFB ein ritualisiertes „Hand Over Event“. Die Mannschaft, die im dem Jahr zuvor den Pott holte, muss einen Botschafter oder bekannten Spieler (aus der Vergangenheit oder Gegenwart) nach Berlin schicken und den Pokal wieder an die Stadt zurückgeben.

Für die zwei Wochen zwischen Hand Over und Endspiel wird die begehrte Trophäe treuhänderisch der Stadt Berlin übergeben. Während dieser Zeit können Berliner*innen oder Besucher*innen die Trophäe im Roten Rathaus bestaunen.

Die medienbewußte Regierende Bürgermeisterin dürfte bei dem Event mit Austrahlungskraft in aller Welt, natürlicht nicht fehlen. Die einstudierte Haltung vor der Kamera oder mit den kleinen Spieler*innen oder mit dem DFB-Präsidenten oder Sekretären beherrscht Franziska Giffey aus dem FF.

Christian Streich während der Pressekonferenz vor dem Spiel
Christian Streich während der Pressekonferenz vor dem Spiel

Bodenständigkeit

Es ist entzückend und bezeichnend gleichermaßen, dass während der Pressekonferenzen des SC Freiburg während der Bundesliga-Saison, gerade mal Mineralwasser und Biogetränke spartanisch auf dem Tisch stehen. „Schwarzwäldermilch“ haben die Spieler auf dem Trikot geschrieben und das ist schon alles. Nicht zu vergleichen mit dem Verein aus Sachsen, der regelmäßig eine ordentliche Finanzspritze von einem österreichischen Unternehmen überwiesen Red Bull bekommt; Pandemie hin oder her.

Auf der Pressekonferenz im Bunker des Olympiastadions ein Tag vorm Spiel, machte Christian Streich seinen Ruf als der bodenständige Chefcouch Deutschlands allen Ehren. Er saß dort, zunächst schweigend, und schaute sich um, als würde er sich fragen: „Was mache ich überhaupt hier?“

Peu a Peu ließ er sich auf die Fragen der Sportjournalist*innen ein. Großer Ehrgeiz war aus ihm nicht herauszukitzeln. Er empfand es als „Große Freude“ in Berlin zu sein. Wenn aber es mit dem Pott holen nicht klappen würde, wäre das auch nicht schlimm. Die Leipziger pflegten eine ganz andere Rhetorik. Zwar lobten sie die gesamte Saison der Freiburger machten aber unmissverständlich klar, dass sie den Pokal holen wollten. Schließlich ist auch die Erwartungshaltung auf der oberen Chefetage eine ganz andere als beim Klub aus dem tiefsten Süden.

Fußballfans
Fußballfans

Wie ein Kind vor Weihnachten

So habe ich mich gefreut auf den Spieltag. Seit 2019 war ich nicht mehr im Olympiastadion mit Publikum und zuletzt im Oktober beim FC Benfica, dessen Stadion zum ersten Mal nach Beginn der Pandemie voll ausgelastet war zum Spiel gegen den FC Bayern im Viertelfinale der Champions League.

Ein Meer aus roter Leidenschaft stand in der Freiburger Kurve und ein Transparent, das sich zunächst nicht richtig rollen ließ, fasst diesen Verein in einem Satz gut zusammen: „Ein einzigartiger Verein“. Darunter noch eine Ergänzung: „Wie Du soll Fußball sein“.

friedliche Eintracht vor dem 11m Schiessen
friedliche Eintracht vor dem 11m Schiessen

Auf der Pressetribüne befanden sich Fans von Werder Bremen, Dortmund und Bayern und alle waren für Freiburg. Als der Schiri nach dem mutmaßliche Handspiel das Spiel weiterlaufen ließ, schmiss der Leipziger Journalist seinen Plastikbecher in die Luft. Während der gesamten ersten Halbzeit hatten wir die Befürchtung, dass er sein Laptop zertrümmert. Diese Sorge blieb bis das Spiel kippte. Anstatt den Vorteil von einem Mann mehr auf Platz kaltschnäuzig und unbeirrt zu nutzen, schaffte die junge Mannschaft es nicht, mehr Druck auszuüben. Im Gegenteil. Mit einem Mann weniger zu spielen brachte die Leipziger erst recht auf den Geschmack, mit allen verfügbaren Karten zu spielen, alles nach vorne zu werfen, und das, wie wir wissen, mit Erfolg.

Während die Kollegen aus Leipzig sichtlich erleichtert waren, schauten alle anderen um mich herum eher bedauernd. Ich für meinen Teil hätte vor allem dem Chefcoach gern diesen Triumph gegönnt. Er hätte sich zu Recht, damit unsterblich gemacht. Dazu noch einer ganzen Region diesen Erfolg geschenkt. Wie der Botschafter des Klubs, kein Geringerer als der ehemalige Bundestrainer Joachim Löw im Hand Over Event sagte: „Dieser Verein lebt seine Werte“. In dem gesellschaftlichen Phänomen, das der Fußball aus wirtschaftlicher, politischer und sozialer Sicht nun einmal geworden ist, keine Selbstverständlichkeit.

Freiburg Fans (Trotzdem Applaus nach dem Spiel)
Freiburg Fans (Trotzdem Applaus nach dem Spiel)

Ehrenmann Streich

Genau diese Werte lebte der Chefcoach der Freiburger nachdem Abpfiff. Anstatt sich in die Kabine zu verkriechen, nahm er sich die Zeit um dem Leipziger Coach zu gratulieren, allen Spieler einschließlich derer die schon Kinder auf den Schultern hatten. Als wäre dies nicht genug, ging er zu den Schiris und umarmte sie auch. Wer tut den so was? Christian Streich eben!!!

Dann aber kam die Zeit des Feierns in der Kurve mit den Fans und der gesamten Belegschaft. Exzellent vorbereitet für alle Fälle, haben die Freiburger nach dem Abpfiff ein Transparent herausgeholt auf dem es hieß: „Scheiß Red Bullen“, und das sprach vielen aus dem Herzen.

Alles angerichtet für die Pressekonferenz
Alles angerichtet für die Pressekonferenz

Auch bei der Pressekonferenz nach dem Spiel (im Gegensatz zur vorherigen Ankündigung der Pressestelle vom DFB) tauchte Christian Streich dort auf. Gut gefasst zwar, aber die Enttäuschung stand ihm schon noch im Gesicht. Auf die Frage eines Journalisten ob er sich jetzt ärgere, antwortete er: „In den nächsten Tagen bestimmt“. Nach seinem kurzen Statement stand er auf und wurde über 15 Minuten in einer Ecke von von Journalisten umlagert. Ein Menschenfänger, ein brillanter gleichzeitig Kritiker-und Liebhaber des Fußballs.

Nach ihm betrat Domenico Tedesco die Bühne, der die Leipziger erst seit 5 Monaten trainiert. Sein Auftritt und seine Ausstrahlung wirkten eher, als sei er gerade von einer Beerdigung gekommen und hätte nicht gerade den Sieg in Berlin errungen, nachdem sein Verein so oft schon im Finale stand und bis dato stets leer ausgegangen war. Selbst die obligatorische Bierdusche, die ihm die Mannschaft vor gesammelter Presse verpasste, reichte nicht, um ihn zu irgendeiner Art menschlicher Regung zu bewegen.

Der Mann hat einen Namen, der nach italienischem Temperament geradezu schreit: Domenico Tedesco! Ein Widerspruch in sich! Als der Coach von einer Journalistin befragt wurde, wie er zu Feiern gedenke, sagte er, er werde sich mit einigen Mitarbeitern treffen und sich ein Gläschen Wein gönnen.

Der RB Leipzig ist also kein Grund den Fußball wie wir ihn lieben, zu feiern. RB Leipzig ist noch mehr ein Unternehmen als alle andere in der Liga. Also steht nach dem Sieg ein Treffen mit den Mitarbeiter*innen auf der Agenda.

Mannschaftsbus am Ritz-Carlton

Nachdem ich aus S-Bahn im Zoo ausgestiegen war, stand der Bus vom RB Leipzig vorm Hotel Ritz Carlton und die Spieler waren gerade am Aussteigen. Ein paar Fans standen herum, aber die richtig große Freude und ausgelassenes Feiern sieht anders aus. Ich habe mir nicht mal die Mühe gemacht, mein Fahrrad abzustellen und nach der Stimmung zu schauen.

Der Fußballgott hat also doch gegen die Freiburger entschieden. Das ändert nichts daran, dass sie die Champions der Herzen sind. Und bleiben.

Leipziger Block unter dem Himmel Berlins
Leipziger Block unter dem Himmel Berlins

About Fatima Lacerda

Kultur, Fußball, Musik sind meine Leidenschaften. Reiseberichte sind ein Genuss!

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