Bürgerfest im Schloss Bellevue – Der Bundespräsident lädt ein

Es ist eine Tradition in der Berliner Sommeragenda. Immer am ersten Septemberwochenende lädt der Bundespräsident zum Bürgerfest im Schloss, gebaut im Jahr 1786 in neoklassisistischer Architektur und seit 1994 der erste Amtssitz des Bundespräsidenten in Berlin, wenn er sich nicht gerade in Bonn befindet.

©Bundespräsidialamt/Offizielles Photo
©Bundespräsidialamt/Offizielles Photo

Der erste Tag, der Freitag, ist den ca. 4.000 Gästen gewidmet, die sich in ihren Städten und Gemeinden durch gemeinnützige Arbeit auszeichnen. Von den jeweiligen Städten und Gemeinden vorgeschlagen, wählt das Bundespräsidialamt die Projekten aus. Die Einladung nach Berlin gilt als Auszeichnung und als Dankeschön.

Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigt sich, wie bereits zu seiner Zeit als Außenminister, sowohl als ein Mann der Künste, bestens vernetzt und immer ein gerngesehener Gast bei Galavorstellungen, als auch als Schirmherr von Projekten mit Ausstrahlungskraft in die ganze Welt.

Seit 2011 darf ich dem Bürgerfest beiwohnen, das vom ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck so getauft wurde. Davor, in der unsäglichen Zeit von Christian Wulff (CDU), nannte man es „Gartenfest des Bundespräsidenten“. Das Klientel, welches sich dort – nur zu gerne – sehen ließ, passte gut zum Stil des Niedersachsen.

In der Ära Gauck erfuhr das „Bürgerfest des Bundespräsidenten“ eine neue Belebung. Über den schön klingenden Namen hinaus wurde der Anlass zum Spätsommer mit Leben erfüllt. Der Sozialdemokrat Steinmeier, der in dieses Amt kam, weil keiner der anderen Kandidaten es haben wollte oder kein Konsens unter den Parteien erzielt werden konnte, übt dieses Amt mit Würde aus und zeigte sich als souveräner Gastgeber.

Die Gastgeber bei der Eröffnungsrede

Ansprache

In einem vollen Garten und bei schönstem Kaiserwetter betrat der Bundespräsident die Bühne, begleitet von seiner Frau, der Juristin Elke Büdenbender, in einem wunderschönen Kleid, langarmig und in Senffarbe in Knielänge. Das Protokoll sieht vor, dass die Frau ein paar Schritte direkt hinter dem ersten Mann im Staat stehen muss. Ob das noch zeitgemäß ist, bezweifelt ich sehr. Die beiden haben eine sehr sympathische Figur gemacht. Steinmeiers Rede leidet nicht etwa unter mangelnder Bedeutung, aber an der forcierten Wahlkampf-Stimme. Die Rede unterscheidet sich nicht wesentlich von der Gaucks. Man sagt Danke und untermauert die Wichtigkeit der gemeinnützigen Arbeit für die Gesellschaft auch und für einen selbst.

Aus dem ersten Abschnitt des zuvor an Journalisten verteilten Redetextes heißt es:

Was für ein wunderbarer Anblick! Meine Frau und ich freuen uns, Sie alle hier zu haben. Ganz besonders herzlich möchte ich die vielen unter Ihnen begrüßen, die sich im Ehrenamt engagieren. Dies ist vor allem Ihr Fest, denn der heutige Tag feiert und würdigt Ihr Engagement. Danke für Ihre Ideen, Ihre Initiativen und die vielen tausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit, die Sie unserem Land und den Menschen schenken!

Zugegeben, das war mein erstes Bürgerfest mit Steinmeier. Im Jahr 2017 war ich zum Zeitpunkt des Festes in der Hansestadt, um die beste Band der Welt beim Auftaktkonzert der Europa-Tour im Hamburger Volkspark zu sehen.

Politische Dynamik und der Zufall

Bürgerfest mit italienischem Flair samt Gondoliere

Die Bürgerfeste unter Steinmeier haben offenbar immer eine Partnerregion und ein Partnerland. Das bestimmt nicht „nur“ das Bühnenprogramm, sondern auch die kulinarischen Nuancen beim Fest. Ganz im meinem Sinne, als Italienfan, erfuhr ich bei der Ansprache, dass das Partnerland 2018, Italien sei. Das konnte man sehr schnell feststellen, als man im kleinen Bach mitten im Garten eine riesige Gondel plus Gondoliere (der die Gondel charmant steuerte) feststellte. Allerdings konnte man nicht mitfahren, sondern nur staunen und ja, sich an dem italienische Flair – mitten in Berlin – erfreuen.

Ein Seitenhieb des Zufalls ist, dass das Fest gerade mal eine Woche nach den Ausschreitungen in Chemnitz stattfand. Dabei machte – wie schon öfters davor – der Sächsische Ministerpräsident, Michael Kretschmer (CDU) keinen Guten Eindruck, zum Beispiel als er am 05.09. bei seiner Regierungserklärung sagte: „Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome“. Die Bilder aus den Netzwerken sprechen eine ganz andere Sprache.

Der Ministerpräsident von Sachsen am Stand der Stollenmacher

Beim Bürgerfest ist man bemüht, die positiven Aspekte Deutschlands hervorzuheben. Doch klar. Diesmal gelang es aber nicht. Nicht mit Sachsen. Der Ministerpräsident begab sich an den Stand der Stollenmacher. Wir wissen, wenn es um den weihnachtlichen Stollen geht, ist Sachsen Weltmeister, aber das ist es auch schon. Es wäre begrüßenswert gewesen, wenn auch abseits des Protokolls, wenn der Ministerpräsident nach dem Talk mit den Stollenmachern und nach einem Zwischenspiel mit einem seiner Begleiter auf einer Mini-Tischtennis-Platte vom Stand des Mineralwasserherstellers Lichtenauer den Stand direkt gegenüber besucht hätte. Dort ging es darum, „Fremdsprache in der Heimatsprache zu lernen“.

Der Bundespräsident und seine Frau waren dort ganze 15 Minuten lang unter den aufmerksamen Augen der Pressevertreter.

Die Gastgeber beim Verein Back on Track e.V.

Alle Jahre wieder

Es ist schon ein von mir preußisch durchgeführtes Ritual, nach der Rede des Bundespräsidenten mich an diesen oder jenen Tisch zu setzen, auf der Suche nach Menschen, Geschichten (mit oder ohne Stolpersteine), Werdegängen, und überhaupt was diese tolle Menschen bewegt, sich für andere Menschen zu engagieren.

Beim ersten Berlin Besuch
Regina Gottschalk (links) und Renate Will (rechts)

An einem Tisch traf ich die Freundinnen aus Dortmund. Eine davon arbeitet als Animateurin für kranke Menschen und solche mit Bewegungsstörungen. Vor allem bringt ihnen Regina Zuneigung, Zeit und spannende Gespräche. Regina, mit dem eindrucksvollen Nachnamen Gottschalk, erläutert selbstbewusst und mit robuster Empathie „Meinen Name vergisst man nie!“. In einem langen, bodenständigen, ehrlichen und ja  amüsanten Gespräch stimmten wir überein, dass Kommunikation und Dialog wichtige Werkzeuge für ein glückliches Leben sind. Neben ihr saß eine ehemalige Klientin und heute Freundin, Renate, zu der sie liebevoll rüberschaut, wenn sie über die Arbeit mit ihr, spricht.

Neben dem Tisch stand ein Rollator, der zur Bewegung von Renate durch den Garten, diente. Die beiden Dortmunderinnen erzählten über die Zugfahrt nach Berlin, was sie schon gesehen hatten und ich fragte, ob ich noch einige Berlin-Tipps geben könne. Und ja, ich habe die Plattform „Panorama“ am Potsdamer Platz empfohlen. Dort hat man einen ausgezeichneten Blick auf die Hauptstadt und kann den Sonnenuntergang bei Cafe und Kuchen genießen, ließ ich verlauten. Auch die Stiftung Berliner Mauer wurde von mir empfohlen. Begeistert erzählten sie, dass sie gerüstet mit der Berlin-Card schon mehrere Sehenswürdigkeiten mit dem Bus erkundet hatten. Für beide war das Bürgerfest Anlass für den ersten Besuch in Berlin.

Gianna Nannini

Der musikalische Höhepunkt bei einem sehr intensiven und vielseitigen Programm war nicht etwa die Big-Band der Bundeswehr – im Übrigen eine Idee von Exkanzler Helmut Schmidt (SPD), wie der Moderator hat verlauten lassen. Nein. Der Höhepunkt kam tatsächlich aus Italien und heißt Gianna Nannini. Die 62-jährige, die sich sensationell gut gehalten hat und kein bisschen leise geworden ist, betrat die Bühne in einer knallrot leuchtenden Lederjacke und stellte sofort klar: Ihre Stimme ist und bleibt unverwechselbar. Manchmal kraftvoll-rockig-verraucht, manchmal melodisch-sehnsüchtig, manchmal glasklar. Ihr Publikum fordert sie noch immer heraus. Dauerbrenner wie „Amore Gigante“, „Fenomenale“ und die Mutter aller Evergreens „Bello e Impossibile“ durften -natürlich – nicht fehlen bei einem Konzert von knapp 90 Minuten. Das im Sitzen zuschauende Publikum war zugegebenermaßen nicht gerade eine Stimmungskanone.

Direkt vor der Bühne wurden glücklicherweise die Stühle weggeräumt, damit es losgehen konnte. Am Ende eines mitreißenden Konzerts und kurz vorm Aufbau zur Bundeswehr-Big-Band sagte der Moderator: „Sie hier vorne vor der Bühne sind eine Horde wilder Italiener geworden“. So charmant kann man sich beim Publikum Sympathiepunkte holen.

Eine überraschende musikalische Darbietung bot die sächsische Big Band mit einem Salsa-Programm. Nicht nur die Klänge ließen zur Sorge des ZDF-Kameramanns rechts neben mir die Hüfte schwingen. „Wenn es losgeht mit der Rede, bitte nicht tanzen“, sagte er unter den strengen Augen seiner Redakteurin, der Arme. Zwischen der swingenden Performance der Big Band samt Showeinlage der Musiker, in dem sie aus ihren Stühlen aufstanden und herumtanzten, und der Rede des Bundespräsidenten sagte ich zum Kameramann „Ich hätte nicht gedacht, dass die Sachsen so temperamentvoll sein können„. Etwas verlegen erwiderte er „Ich komme aus Sachsen“. Wer sagt’s denn?

Nicht alle Pressevertreter haben sich so regelkonform verhalten, wie der Mann vom Zweiten. Ein Photograph, hat direkt vor dem türkischen Stand „Kaplan“ in bester Badetuchmentalität mindestens drei Plätze auf einer Bank über eine Stunde freigehalten und immer, wenn jemand nett fragte, ob der Platz frei sei, sehr aggressiv fast schon cholerisch geantwortet hat. Selbst für Berliner Verhältnisse ist es schon bemerkenswert, dass sich jemand derart unangemessen verhält. Immerhin war er Gast des Bundespräsidenten.Darüber hinaus wird bei einem solchen Verhalten mehr als deutlich, dass diese Möchtegerne-Eliten-Presse und welche, die sich als solche gab, nicht verstanden hat, worum es thematisch beim Bürgerfest ging: Um Dialog, um gute Gespräch, und um gegenseitiges Kennenlernen.

Polittalk light

Am späten Nachmittag im Programm, und das ist auch schon Tradition, gibt es einen Polittalk. Der sächsische Ministerpräsident war auch mit von der Partie – sicherlich kein willkommener Zufall. Das Thema „Chemnitz“ musste angesprochen werde. Wurde auch, aber in sehr oberflächlicher Form. Der Übergang war auch nicht überzeugend. Kretschmar wurde gefragt, welche schönsten Erinnerung an seinem Italienurlaub habe.

Kein Präsident der jüngeren Vergangenheit hat das Bürgerfest so geprägt wie Joachim Gauck. Ein Segen für dieses traditionelle und wichtige Fest. Aber Steinmeier muss noch ein bisschen aus seiner Haut als Außenminister, sich mehr unters Volk mischen und mit ihm natürlicher interagieren. Beim Künstlervolk ist er beliebt, geachtet und ein gerngesehener Gast. Bei Otto Normalverbraucher ist noch viel Luft nach oben. Sein Frau ist ihm in der Hinsicht schon etwas voraus. Sie schlenderte durch die Sitzreihen und an den Ständen vorbei – natürlich, sympathisch und voller Empathie.

Unabhängig davon, wie schief die politische Lage in Deutschland sein mag, das zivile und gemeinnützige Engagement ist eine immens wichtige Säule des friedlichen Zusammenlebens. Sicher muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen, aber im Alltag hängt viel von der zivilen Gesellschaft ab, und das Bürgerfest als „Dankeschön“ ist noch wichtiger denn je in Zeiten des Zorns, der Politikverdrossenheit und heftiger sozialer Umbrüche.

Lichtinstallation
Die Innenfassade vom Schloß Bellevue aus der Gartenperspektive

Sieg der Vernunft

Ein beliebtes Ritual musste in diesem Jahr ausfallen. Die Feuerwerkshow, immer um Mitternacht, wurde kurzfristig abgesagt. Nach Hinweis der Berliner Feuerwehr auf die Dürre wurde darauf verzichtet. Nichtsdestotrotz ist es zu begrüßen, dass das Produktionsbüro der Empfehlung der Feuerwehr folgte. Im Übrigen wurde diese Berufsgruppe vom Bundespräsidenten bei seiner Rede besonders gelobt, für ihren Einsatz während den Löscharbeiten bei Treuenbritzen in Brandenburg Ende August.

Stattdessen gab es eine sehr stimmungsvolle Lichtershow und – anschließend- eine sehr langweilige Lasershow, extra von einer Agentur zusammengestellt, mit mäßigem Begeisterungserfolg. Auch die paar Tropfen Regen während auf der Bühne die Bundeswehr Big-Band spielte, hat die Lust der Gäste im Garten zu bleiben, nicht geschmälert.

About Fatima Lacerda

Kultur, Fußball, Musik sind meine Leidenschaften. Reiseberichte sind ein Genuss!

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