Der „Tränenpalast“ in der Friedrichstraße – ein Ort der deutschen Teilung

Viel Verzweiflung und viele Tränen sind mit diesem Ort verbunden – der 1962 errichteten Abfertigungshalle am Grenz-Bahnhof Friedrichstraße in Berlin. Durch dieses Gebäude musste jeder durch, der aus der DDR mit S-, U- oder Fernbahn nach West-Berlin einreisen wollte. Die deutsche Teilung war daher hier ganz unmittelbar spürbar. Freude und Hoffnung über den genehmigten Ausreiseantrag mischte sich mit Abschiedsschmerz und Sehnsucht bei der Verabschiedung der West-Besucher, aber auch Angst und Wut derjenigen, die zurück bleiben mussten. Der volkstümliche Name „Tränenpalast“ kommt daher nicht von ungefähr.

Der Tränenpalast wurde durch den Architekten Horst Lüderitz konzipiert. Im historischen Stadtviertel Dorotheenstadt des Ortsteils Mitte entstand hier ein modernes Gebäude mit lang gezogenen hohen Fensterfronten auf drei Seiten, die viel Licht ins 550 qm große Innere warfen. Doch diese Offenheit und Transparenz täuschte – im Inneren herrschte Kontrolle und Schikane.

Heute geht der Pavillon aus Glas und Stahl auf dem sog. Spreedreieck, im Schatten des S-Bahnhofs, des daneben liegenden Hochhauses und der Einkaufsmeile Friedrichstraße, fast unter. Wer sich trotzdem dorthin verirrt, landet in der Ausstellung „GrenzErfahrungen. Alltag der deutschen Teilung“, die versucht, die Situation von damals erfahrbar zu machen. Filmausschnitte zeigen, wie es im Tränenpalast damals zuging, Schilder, wie strikt alles geregelt war. Ausreisende standen in langen Schlangen vor dem Gebäude. Am Eingang eine erste allgemeine Vorkontrolle von Pass und Visum, um überhaupt eintreten zu dürfen – der Abschied musste also schon draußen vor dem Gebäude stattfinden, verborgen vor den Augen der West-Öffentlichkeit. West-Berliner, die noch DDR-Geld bei sich hatten, mussten dieses in einer Filiale der „Staatsbank der DDR” auf einem Sonderkonto deponieren, denn die Ausfuhr von DDR-Währung war verboten. Bei einer erneuten Einreise konnte dieses Geld wieder abgehoben werden. Dann in langen Schlangen oft mehrere Stunden anstehen zur eigentlichen Pass- und Personenkontrolle.

Die alten Passkontroll-Schalter sind wieder aufgebaut worden. Schilder zeigten früher an, wo man sich einzureihen hatte: „Bürger Berlin (West)“, „Bürger der BRD“, „Bürger DDR“ und „Bürger anderer Staaten“. Tritt man in eine dieser engen kleinen Kabine ein und schließt sich die Tür, bekommt man ein beklemmendes Gefühl. Der Kontrollschalter ist erhöht angebracht, der Kontrolleur schaut auf einen herab, während man mit schneidendem Ton und strengem Blick ausgefragt wird. Spiegel zeigen alles, was sich im Rücken der Reisenden befindet. Nach vorne raus geht es erst, wenn der Kontrolleur die Tür frei gibt. Wie müssen die Menschen geschwitzt und gehofft haben, alleine in diesen Kabinen, ausgeliefert der Willkür der SED-Grenzer. Dürfen Sie ausreisen in den Westen? Eine kurze Reise zu einem runden Geburtstag eines Verwandten? Oder wird ihnen die Ausreise verwehrt? Komme ich mit meinem gefälschten Pass / Visum durch? Hatten die Reisenden auch noch Schmuggelware dabei, wurden die Minuten hier schnell zu Stunden. Die Grenzer waren gut ausgebildet und durchsuchten noch vor der Passkontrolle Koffer und anderes Gepäck, viel wurde entdeckt und die üblichen Schmuggel-Verstecke wie in hohlen Sohlen von Plateauschuhen waren schnell bekannt. Fast alle Fluchtversuche ohne gültige Papiere scheiterten. Hatte man die Grenzkontrolle überstanden, ging es durch einen schmalen Verbindungsgang hinüber zum Bahnhof, ab Richtung Westen.

Nach der Grenzöffnung 1989 verlor der Tränenpalast seine Funktion, der Verbindungsgang wurde schnell abgerissen. Die erste direkte S-Bahn von Ost nach West über die Friedrichstraße fuhr im Juli 1990. In der alten Abfertigungshalle gab es ab 1991 bis zum Verkauf des Grundstücks 2006 den Club „Tränenpalast“. 1993 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Seit 2011 wird hier durch die Bonner Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ eine  Dauerausstellung mit 570 Objekten und 30 Medienstationen präsentiert. Neben der Geschichte des Tränenpalastes und Einzelschicksalen von Menschen, die nur mit einem einzigen Koffer in den Westen ausgereist sind, wird in der Ausstellung auch ein kurzer Abriss über die deutsche Teilung, Mauerbau und schließlich die Wiedervereinigung gezeigt. Der Eintritt ist kostenlos und regelmäßig finden ebenfalls kostenlose Führungen statt.

About sunnykat

War 4 Jahre lang "Berliner" - im Moment hat es mich ins Rheinland verschlagen. Aber mein Herz geht immer noch auf, wenn ich nach Berlin komme! :-)

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