Mit einer erstaunlich funktionierenden Logistik begann in den ersten Stunden des 13. August 1961 in der Bernauer Str. der Mauerbau, der eiserne Vorhang, die Mauer für die Ewigkeit oder für 100 Jahre wie einst Erich Honecker wortwörtlich zu prophezeien wagte: „Die Mauer wird in 50 und auch in 100 Jahren bestehen bleiben, wenn die dafür vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sind“. Allein an der Berliner Staatsgrenze sollen 136 Menschen ihr Leben gelassen haben. Nicht in den offiziellen Statistiken ist die horrende Zahl von Familien, die von der Mauer und durch den Bau der Mauer auseinander gerissen wurden. Ganze Biographien wurden ausgelöscht.
Am gestrigen Tage (13.08.13) fand die offizielle Gedenkveranstaltung an der Versöhnungskapelle statt, dort wo bis 1985 die Versöhnungskirche stand. Den DDR-Machthabern war ihre Symbolik ein Dorn im Auge: Die Versöhnungskirche mitten auf dem Todesstreifen und so nah an der Grenze, das war den Machhabern nicht geheuer. So wurde die Kirche 1985 schliesslich gesprengt (hier das Video dazu) und somit der Dialogpolitik zwischen Ost- und Westberlin eine deutliche Absage erteilt. In der heutigen sehr kleinen Kapelle hat man einen Blick auf die gesamte Fläche der Bernauer Str. und steht richtig im Zug der Windbewegung. Unabhängig von der persönlichen Glaubensfrage ist ein Besuch der im Jahr 2000 eröffneten Kapelle sehr beeindruckend und allemal empfehlenswert.
Bei solch offiziellen Anläßen wie gestern sind Politiker gerne dabei. So auch der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der froh sein durfte, von den zahlreichen anwesenden Journalisten nicht über das BER-Desaster gefragt worden zu sein. Am 13. August geht es schliesslich darum, den Opfern zu gedenken und sich zu erinnern bzw. die Erinnerung wach zu halten, was ein Verbrecherregime mit einem Land, einer Stadt und ihren Einwohnern machen kann. Besondere Aufmerksamkeit der diesjährigen Veranstaltungen galt SchülerInnen, die erst nach der Friedlichen Revolution 1989 zu Welt gekommen sind. Anschliessend sollte mit Schülergruppen im World Cafe im ehmaligen Aufnahmelager Marienfelde diskutiert werden. Zeitzeuge waren auch dabei. Hier der Link zu der Stiftung der Berliner Mauer mit Infos zur Gedenkstätte Berliner Mauer und der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde.
Unter den Politikern und Prominenten waren bei dem kurzgehaltenen Gottesdienst u.a Bernd Neumann – Bundesminister für Kultur und Medien, Prof. Dr. Axel Klausmeier – Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Innensenator Frank Henkel, Ramona Popp – die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus und Roland Jahn, ehemaliger Bürgerrechtler und heute Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU). Rainer Wagner, heute Vorsitzender der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOOG), erzählte den auch dort anwesenden Schülern von seiner Zeit in der Jugendhaft. Der jetzige Gemeindepfarrer Thomas Jeutner fand bewegende Worte: „Dieser Tag und diese Kapelle stehen am heutigen Tag im Zeichen der Erinnerung und Versöhnung“. Eine Lesung bestehend aus Details aus dem Leben des von der Volkspolizei getöteten Otfried Rech (14.12.1944 – 27.12.1962) zeigte mehr als deutlich, wieviele Jugendträume , wieviele Lebensperspektiven dem Gleichmachersystem zum Opfer fielen.
Anschließend gab es tradionellerweise die – medienwirksame – Kranzniederlegung. Bei einem spontanen Gespräch mit 3 SchülerInnen, die nach eigenen Angaben die 10. Klasse besuchen, stellte ich die Frage, was sie von der Mauer überhaupt wissen. Nach langem Überlegen und Starren auf die Handydisplays der beiden Mädchen, sagte eine zögerlich: „Berlin war eine geteilte Stadt„. Während der Unterhaltung, dessen Stoff ziemlich schnell an seine Grenze angelangt war und nur noch Starren ins Leere verursachte, zeigte der Junge in der Gruppe seine Begeisterung, Klaus Wowereit hautnah zu erleben, nicht jedoch ohne sich vorher von einer seiner Schulkameradinnen bestätigen zu lassen, ob es sich tatsächlich um ihn handele.
Schüler lediglich zu einer Gedenkveranstaltung als Teil des schulischen Curriculums oder gar eines Tagesausfluges zu schicken ist nicht genug. Viel wichtiger ist, sie bereits geschichtlich im Unterricht auf das Event vorzubereiten. Es gibt also viel zu tun, um den Bau der Mauer für die jüngere Generation verständlich zu machen.
Die Spuren der Mauer sind in Berlin schwer zu finden. Die Spuren der Teilung in den Köpfen Menschen, die noch immer in Ossi-Wessi-Kategorien denken, ist allgegenwärtig und nicht nur in Berlin.