Als „Das Tor zur Freiheit“ galt lange das Notaufnahmelager Marienfelde. Im südlichen Westberliner Bezirk fanden Flüchtlinge – vor allem aus der ehemaligen DDR – eine erste Anlaufstelle. 14 Tage war die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bis ein bürokratischer Marathon über das weitere Leben der Ankömmlinge entschied. Bis zum „Verschwinden der DDR“ von der Landkarte, passierten 1,35 Millionen DDR-Flüchtlinge und Übersiedler das Tor des Lagers, so die aktuelle Pressemitteilung.
Mit seiner Grundaufgabe, Menschen in Flucht Sicherheit zu gewähren, war die Einrichtung gleichzeitig prädestiniert ein Überwachungsobjekt der Stasi zu sein. So die Aussage des langjährigen Leiters Harald Fiss, der von der Stasi beobachtet wurde, die akribisch über seine internen Äußerungen und Handlungen bestens informiert war. Dies, so versicherte er während der Pressekonferenz vergangenen Dienstag, habe ihn nicht weiter interessiert und keine Angst eingejagt. Auch die Alliierten waren durch ständige Präsenz vor Ort und haben die Flüchtlinge zum Unrechtsystem der DDR ausgiebig ausgefragt.
Sicherlich ein Glücksfall für Berlin der eingetragener Förderverein – dessen Ehrenvorsitzender Herr Fiss ist, denn in der Zwischenzeit ist das Notaufnahmelager – ganz offiziell, das Pendant zur geschichtlichen Gegebenheit in der Bernauer Str. und Teil der Stiftung Berliner Mauer geworden. „In der Bernauer Str. geht es um die, die es nicht geschafft haben“, teilte Prof. Dr. Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer auch während der Pressekonferenz mit.
Noch heute leben ca. 600 Menschen aus Krisengebieten wie Syrien und Iran im Notaufnahmelager. Ihnen soll es in Marienfelde aufgrund der ausgiebigen Betreuung und der Wohnqualität so gut gefallen, dass sie ungern den Ort wieder verlassen, ließ Dr. Klausmeier noch verlauten. Wenn man aus Krisengebieten kommt und womöglich um sein Leben und des seiner Familien bangen musste, wird es sicherlich nicht schwer fallen, die Unterkunft sei es in Marienfelde, Blankenfelde oder Kleinmachnow zu mögen. Dem Internationalen Bund, zuständig für die aktuelle Verwaltung sei ein wichtiges Anliegen, den Flüchtlingen einem Gesicht zu geben. Im Foyer der Einrichtung sind Videos, auf denen Flüchtlinge sich vorstellen. Der im Gebäude vorhandene Gemeinschaftsraum soll das vorhandene Isolationspotenzial unterbinden, hieß es weiter.
Ab Donnerstag, den 11.04.2013 bietet ein viertägiges Programm spannende und vielseitige Einblicke in diesen so wichtigen Ort für die Geschichte – weit über Berlin hinaus. Das Notlager war oftmals ein Schicksalspunkt und -Ort für viele Menschen. Dort wurden neue Biographien geschrieben, alte umgeschrieben. Menschen, die gerade mit einem Koffer kamen und alles auf Anfang machen mussten, hatten spätestens beim Ankunft eine – aber ganz entscheidende Erkenntnis: Endlich in Freiheit leben zu können! Zusätzlich zum Programm und dem Anlass gebührend gibt es am kommenden Sonntag einen Festakt mit Anwesenheit des Mannes der glaubwürdig und authentisch über Freiheit sowie ihren Mangel sprechen und bezeugen kann: Bundespräsident Joachim Gauck ist der berühmteste Gast in diesen Tagen in Marienfelde aber keineswegs der Wichtigste. Zeitzeuge wie Dr. Renate Werwigk-Schneider, Wilfried Seiring, Rheinhard Klaus und nicht zuletzt Berlins Innensenator, der als DDR-Flüchtling das Notaufnahmelager durchkreuzte, werden miteinander diskutieren.
Eine Sonderausstellung „Freigekauft – Wege aus der DDR-Haft“ läuft noch bis zum 14.04. und ist ein Muss. Nicht nur für die Generationen, die das DDR-Verbrecherregime nicht erleben mussten. Das hartnäckige Vorhaben von Herrn Fiss, einen Ort zur wachen Erinnerung zu schaffen und zu pflegen, ist geglückt. Unabhängig von Jubiläum ist ein Besuch beim Notaufnahmelager empfehlenswert: Feinfühlig werden Besucher an das Schicksal unterschiedlicher Menschen herangeführt, die nur einen Traum hatten: In Freiheit und Sicherheit zu leben. Der Notaufnahmelager ruft unmissverständlich ins Bewusstsein, dass Flucht, Vertreibung und Verfolgung noch immer ein Thema ist, auch vor unserer Haustür. Na dann, lass uns darüber reden!
Links:
http://www.notaufnahmelager-berlin.de/de/foerderverein-12.html
danke für diesen Artikel,
Erinnerungen kommen hoch – vor 52 Jahren als 7-jähriges Kind mit meinen Eltern, Schwester, Großmutter – ohne Koffer- war Marienfelde der erste Anlaufpunkt in der sog. Freiheit, die für mich als Kind riesige Hallen mit unzähligen Mehrstockbetten waren. Kein Platz zum Spielen, Angst sich zu verlaufen und meine Eltern nicht wieder zu finden, wenn ich z.B. zur Toilette mußte. Kein Platz um sich hinzusetzen, so dass mein einziges kleines Kinderspielzeug von einem Gesäß zerdrückt wurde. Ja es war gut, dass es das Lager gab. Für alle (!) Kinder und Erwachsene sollte es bessere Orte geben auf diesem einzigartigen Planeten, der genug von allem für alle hat. Möge es mir mehr und mehr gelingen mich in dankbarer Erinnerung an die Aufnahme in Marienfelde damals, mich dafür mit Herz, Verstand und Tatkraft einzusetzen.