„Berlin, Berlin wir fahren nach Berlin!“ Wer Fußball liebt, kennt diesen Satz nur zu gut. Jeder Fußballverein hierzulande kann etwas auf sich halten, wenn er es bis zum Endspiel im Berlin geschafft hat. Bis dahin ist ein leidiger Weg voller Stolpersteine, und DAS, macht dieses Turnier so besonders. Mehrere Etappen
Für die erste Hauptrunde sind jeweils 18 Vereine der 1. und 2. Bundesliga qualifiziert sowie die ersten vier Mannschaften aus der 3. Liga. Dazu kommen 24 Mannschaften aus den unteren Ligen, in der Regel, die Verbandspokalsieger.
Das Turnier fasziniert Fußball-Fans weltweit. Auch solche, die immer traditionell und aus Prinzip für die Underdogs sind. Kennste, Kennste? HSV, Werder Bremen, FC Bochum und jetzt auch Hertha BSC-Fans können davon Lieder singen.
Etwa der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der mir in einem Interview im Februar 2022 auf die Frage danach, für welchen Verein sein Herz besonders schlage: „Arminia Bielefeld“ antwortete. Auf die Rückfrage, warum, sagte er mir, er habe auf einer Liste mit der Beliebtheitsskala der Fußballvereine in Deutschland nachgeschaut. Die Bielefelder hätten ganz unten gestanden. Da sei ihm klar gewesen, dass er zu Arminia halten müsse. Da soll einer sagen, es gäbe keine Parallele zwischen Fußball und Politik.
Aufwärts & Abwärts / Fußball & Politik
Als Olaf Scholz sich im Februar 2021 bei der Bundespressekonferenz als Kanzlerkandidat der SPD vorstellte und die Partei in den Umfragen gerade einmal 14% verbuchen konnte, ging ein Schmunzeln durch die ganze Republik und das Netz amüsiert sich köstlich.
Für den Aufstieg in die 1. Bundesliga der Saison 20/21 ernte Arminia Bielefeld viel Lob. Auch die Erleichterung über den Klassenerhalt 21/22 in der obersten Liga machte die Armina-Fans die Glücklichen der Republik.
Die SPD (Stand jetzt) wird gerade von der rechtsextremen AfD herausgefordert. Beide Parteien liegen gleich auf und die Arminia, die in der Saison 22/23 schon nur in der zweiten Liga mitmischte, ist in die 3. Liga abgedriftet. Sowohl die Bielefelder als auch bei der SPD gibt es viel nachzuholen und ja, für die Arminia, könnte es zu spät sein. Für die SPD sieht es nicht gut aus. Zu oft fehlt ein Machtwort des Kanzlers. Zu oft fehlt die Führung, die er im Wahlkampf 2021 versprochen hat. Zu oft versagt er, die Streitereien zu moderieren.
Top-Attraktion
Was den DFB-Pokal so spannend macht: Die Machtverhältnisse der Bundesliga werden hier neutralisiert. Hier werden die Karten neu gemischt! So kommt es zum Beispiel vor, dass ein Zweitligist Holstein Kiel den mächtigen Verein im Lande, dem FC Bayern, aus dem Turnier kickt. Oder der FC Freiburg schwarz-gelbe Träume der Dortmunder nach Berlin zu fahren zunichte macht. Auch die Austragungsorte der Spiele sind, weil es mehrere Vereine der unteren Ligen gibt, oft ein zusätzliches Highlight. Wenn ein großer Klub zum beschaulichen Stadion deines kleinen Vereins kommt. Das kann Generationen prägen.
Mit einem Augenzwinkern schaut man auf die Tabelle der Siegermannschaften bei dem Turnier, das seit 1935, damals noch unter dem Namen „Tschammer-Pokal“.
Fortuna Düsseldorf, heute in der 2. Liga ,war Pokalsieger der Jahre 1979 und 1980. Auch der FC Nürnberg, heute vollkommen in Vergessenheit geraten, kann auf eine glorreiche Pokal-Vergangenheit blicken.
Eine ganze Zeit lang führte der FC Nürnberg die Liste der Vereine an, die den Pokal am meisten mit nach Hause nehmen durfte. Heute ist der Verein in der Säbener Straße Rekordmeister: 20 Mal haben die Spieler den Trophäe in den Himmel Berlins hochgehalten. Seit 2021 sind die Bajuwaren nicht mehr dabei und das erfrischt das Turnier, das belebt den Wettbewerb. Auf den Sieger der letzten zwei Jahre kommen wir noch zu sprechen. Die Mannschaften, die des öfteren gegeneinander spielten, waren der FCB und der BVB.
Es hagelt Kritik
Lange her ist es, dass der Fußball sich bodenständig zeigte und, zeigen konnte. Inzwischen ist Fußball ein gesellschaftliches Phänomen, das vielfältigen äußeren Einflüssen untersteht. Auch bei dem Turnier, das die Machtverhältnisse der Bundesliga neutralisiert, ist nicht frei davon. Auch der Deutsche-Fußball Bund steht oft in der Kritik: zu wenig Fortschritt, zu wenig Divers, zu altmodisch.
Im Jahr 2017, in der Pause des Endspiels zwischen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt sang (Play Back) Helene Fischer. Empörung und Entrüstung machte sich daraufhin im Stadion und später in voller Härte in den sozialen Netzwerken breit.
Philipp Köster, Chefredakteur des Fußball-Magazins „11 Freunde“ schrieb am Tag nach dem Endspiel am 03.06. auf Twitter. „Der DFB macht das Pokalfinale jedes Jahr zu einem billigen Rummel mit Kirmesmucke und krakeelendem Stadionsprecher. Nun bekommt er dafür immer auch noch den passenden Pokalsieger dazu.“
Das Ritual beim Endspiel im Olympiastadion ist immer das gleiche. Viel Neues gibt es wirklich nicht und die Musik im Vorfeld ist eine Beleidigung für die Ohren. Die Stadionsprecher beider Mannschaften RB Leipzig und Eintracht Frankfurt machten das, was sie auch im Heimstadion machen: Stimmung. Bei dem einem weniger geglückt als beim anderen.
Ein Finale, das keiner sehen wollte
Spätestens nach dem letzten Spieltag der Bundesliga in der gerade zu Ende gegangenen Saison, als Borussia Dortmund die Meisterschaft fast in Händen hielt und zum Schluss doch vergeigte, wissen wir: Es gibt keinen Fußball-Gott mehr in Germany. Aber dass ausgerechnet der Verein, der in Deutschland am wenigsten gemocht und mit sehr viel Skepsis beäugt wird, auch zwei Mal hintereinander im Endspiel ist und auch gewinnt. Das ist mehrere Nummern zu viel.
Der Verein, der sich durch die wirtschaftliche Kraft seines Hauptsponsors Red Bull im Blitztempo den Zugang zur Bundesliga verschaffte verkörpert alles, was der Fußball nicht sein sollte. Die Frankfurter rollten ein Transparente aus worauf stand: Fußball-Terror“.
Es begann im Jahr 2022
Im Endspiel 2022 trafen RB Leipzig und Freiburg aufeinander. Für die Breisgauer war die Teilnahme am Endspiel in Berlin, eine historische Sache. Und ja, alle, die auf der Pressetribüne waren, hätten den Freiburgern und vor allem dessen Chef-Trainer Christian Streich diesen Triumph gegönnt. Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel herrschte totale Stille im Bunker des Stadions, im Mediencenter . Das Bild aus dem Jahr 2022, mit dem Spieler, der das Red-Bull-Getränk in den Pokal einschenkt, sorgte für heftige Empörung im Netz. Die Würde des Trophäes war angekratzt.
Hubschrauber anschauen
Das Endspiel 2023 zwischen RB Leipzig als Titelverteidiger und Eintracht Frankfurt war in der ersten Halbzeit ein Graus. Gerade die Frankfurter, die sonst Europa erobern und eine einzigartige Fan-Gemeinschaft haben (und, die hat auch geliefert) spielte ohne Biss, ohne Ideen und ohne den Eindruck zu erwecken, unbedingt gewinnen zu wollen. Somit kam es zu der Einzigartigkeit, dass es mehr Unterhaltung gab als ein Hubschrauber die ganze Zeit über dem Stadion flog. Arne Friedrich (Ex-Hertha Kapitän) und heute als TV-Kommentator tätig, wurde gesehen während der Halbzeitpause am Spielrand beim Pellen des gekochten Ei, das er von zu Hause mitbrachte. Mehr muss man von dem Betriebsklima an Abend des 03. Juni nicht wissen. Ein Symbolbild.
In der zweiten Halbzeit pressten die Leipziger umso mehr. Der Art nach zu urteilen, wie die Frankfurter spielten, durfte auch die Rede des ausscheidenden Eintracht-Trainers Glasner nicht sonderlich kämpferisch ausgefallen sein. Und Fußballkenner wissen, dass die Rede in der Halbzeit sogar Wunder verbringen kann, wie 1954 wie bei der Nationalelf im Endspiel im Schweizer Bern.
Und so kam es, wie es kommen musste: Die Leipziger, selbstbewusst, nutzen mit kaltschnäuzig die Unentschlossenheit der Frankfurter. Als das 1. Tor der Red Buller fiel, war auch die letzte Portion mentaler Kraft der Frankfurter verwässert, abgemagert, sprich hinüber. Im Gegensatz zu historischen Sieg gegen den FC Bayern im Jahr 2018 waren sie 5 Jahre später doch keine Eintracht.
Abgang
Noch ein paar Minuten bevor das Spiel zu Ende ging, verließ ich die Pressetribüne. Ich wollte nicht schon wieder die Ehrungszeremonie der Leipziger beiwohnen. Während die Fluren und Toiletten im Stadion leer waren, begab ich mich zum Bunker, dort, wo sich das Medienzentrum befindet. Ich nahm mir fest vor, die Pressekonferenz abzuwarten. Es dauert noch mehr als eine Stunde nach dem Spiel, bevor es endlich losgehen würde.
Beim Catering gab es nur noch traurig aussehendes Obst, Kaffee und ein paar Sorten Tee. Die Temperatur im Bunker ist immer herbstlich, wenn nicht winterlich. Im Flur sah ich, wie der Pressesprecher des DFB aus dem VIP-BEREICH kam, um zu telefonieren. Nach ca. 20. Minuten beschloss ich nun doch nach Hause zu gehen. Zur Strefe für mein Abhauen geriet ich in ein rotes Meer brüllender Leipziger-Fans, die auch alle zur S-Bahn wollen. Als ich dort in den erstbesten Zug einstieg um nur dort wegzukommen, dauerte es noch mehr als 8 Minuten bis zur (so dachte ich) erlösenden Abfahrt ohne Halt, aber nur bis Charlottenburg. Von Dort musste ich umsteigen. Davor allerdings fingen die spießig gekleideten Leipziger in der S-Bahn mit ihren Gesängen. Eine Summierung von Szenen aus der tiefsten Hölle.
Der Pokal-Endspiel-Abend 2023 wird keine schöne Erinnerung bleiben. Auch wenn es schön war, wieder einmal mit Kolleg*innen über die schönste Nebensache der Welt plaudern und fachsimpeln.
Ein Lob geht von hier aus noch an das Presse-Team des DFB. Vom Akkreditierungsantrag, über die Emailkommunikation bis zur Betreuung vor Ort leistete es veritablen Support. Die technische Infrastruktur der Pressetribüne vom Olympiastadion, bedarf allerdings einer Verbesserung damit irgendwann einamal auch sowohl der Kollege von der Zeitung „Die Welt“ und meine Wenigkeit, am Tisch auf der Pressetribüne Strom für unsere Geräte zum Arbeiten haben.
Diese Woche wurde das Orga-Team für die EURO 2024 vorgestellt. Zukunftsweisend sieht das, mit Ausnahme vom Weltmeister (2014) Philipp Lahm, nicht aus, mit Rudi Völler und der Bundesministerin (zur Zeit im Wahlkampf für die Landtagswahl in Hessen) Nancy Faeser (SPD). Es ist also noch viel zu tun wenn in einem Jahr, die Fußball-Fans hier bei uns zu Gast sind und die Europameisterschaft zu erleben.