Die Pressevorführungen der Berlinale beginnen spätestens zur Mitte Januar. Wer in Berlin ansässig ist kann also schon mal die Werke (außer Wettbewerb) anschauen und herausfiltern, über welchen Film berichtet wird und über welchen nicht. Vor dem Premieren-Termin gibt es ein Embargo, das zu beachten ist,sprich also,es soll nicht allzu viel vorab gespoilert werden und wir halten uns selbstverständlich daran.
Wer aber bevorzugt, die Filme später im Kino zu sehen, wird mit der Liste etwas anfangen können. Aber auch wer die 4 Tage „Berlinale Kinotag“ nützen möchte, um ein wenig Festival-Feeling doch noch zu genießen, wird hier fündig. Aufgepasst: Die Karten sind sehr begehrt aber nicht unmöglich zu bekommen. Also, los geht’s!
Berlinale Special
„Eine Deutsche Partei“ – Regisseur Simon Brückner hat drei Jahre lang die rechtsextremistische Partei begleitet, Protagonisten und das „Innenleben“ der Partei beleuchtet. Die AfD, die keine Alternative ist, hat das parteipolitische Spektrum Deutschlands auf den Kopf gestellt.
Ihr Klientel ist insbesondere im Osten sehr stark. Zu behaupten aber die AfD wäre eine „Partei des Ostens“ täte dem gegenwärtigen Bild, unrecht, Der Dokumentarfilm als Langzeitbeobachtung zeigt, wie sehr sich die Partei verändert hat. Während auf politischer Ebene die AfD schon keine Sonderheit mehr ausmacht, so ist aber der Film eine großartige Möglichkeit, sich mit dieser Partei auseinander zu setzen.
Mehrere Protagonisten zeigen ihren Arbeitsdrang, vor allem aber wird ihre Eitelkeit deutlich. Dieser Film kann ein Einsortieren über den Zustand der Partei ermöglichen. In drei Jahren ist viel passiert. Von den Euroskeptikern über die konservative Mitte bis zur Radikalisierung zum äußersten rechten Rand wie im Falle Björn Höcke.
Wer sich auf der Berlinale kein Restrisiko einer Infektion eingehen möchte, ist dies auch kein Problem. „Eine Deutsche Partei“ kommt anschließend in die deutschen Kinos.
Berlinale Shorts
„By Flavio“ ist ein Augenschmaus für Liebhaber*innen der Art-House-Kinos. Mit einer sehr alltäglichen Geschichte einer jungen Frau, ihren trostlosen Alltag und ihre Träume, schafft der junge Regisseur Pedro Cabeleira es, gerade aufgrund der Einfachheit der Geschichte (zunächst) uns mit entzückenden Wendung zu überraschen.
Die Protagonistin Marcia, gespielt von Ana Vilaça, auch Co-Autorin des Drehbuchs, ist eine Wucht auf der Leinwand und dies, ohne jegliche Dreispurigkeit. Wenn der Zuschauer gerade dabei ist, sich von der Protagonistin abzuwenden, ZACK, kommt die Wendung um die Ecke. In dem Presseblatt wird der Plot auf den Punkt gebracht: „Ein erfrischendes Porträt einer jungen Mutter, die weißt, Möglichkeiten auszuarbeiten“. In der Tat, und das hartnäckig!
Die zweite Empfehlung bei den Shorts ist der brasilianische Kurzfilm „Sunday Morning“. Er erzählt die Geschichte einer Pianistin, die es von ganz unten bis ganz nach oben geschafft hat. Ihre Erinnerungen trägt sie in die großen Säle. Raquel Paixão, die Protagonistin, ist im realen Leben tatsächlich eine herausragende Pianistin, aber offenbar auch für ein zweites Standbein in der Schauspielkunst gut vorbereitet. (siehe Youtube-Video)
Die sensible Kameraführung vom Wilssa Esser lässt der Poesie dieses Films allen Raum zur Entfaltung. Die bodenständige und unprätentiöse Regie von Bruno Ribeiro lässt die Linse als stiller Beobachter am Fluss der Bilder teilhaben, zum Genuss der Zuschauer*innen.
Auch wenn das Berlinale-Programm sektionübergreifend schlanker ist, ist die Zahl der Filme aus Brasilien auffällig klein. Die Politik der dortigen rechtsextremen Regierung und deren Politik der Einschüchterung und Repressalien gegenüber dem gesamten Kultursektor zeigt jetzt auch in Berlin seine Spuren.
Panorama
„Fogaréu“; Der zweite brasilianische Filmempfehlung ist ein Familiendrama mit politischer und sozialer Kritik. Wie im anderen brasilianischen Beitrag ist auch hier die Protagonistin Fernanda (Bárbara Colen) auf der Suche nach ihrer Identität und stößt auf ein verheerendes Familiengeheimnis.
„Fogaréu“ ist das Filmdebüt der Regisseurin Flávia Neves, die auch das Drehbuch schrieb. Aus dem Pressematerial heißt es: „In ihrem surreal-phantastischen Debüt verknüpft Flávia Neves virtuos die Suche nach der eigenen Herkunft mit der kolonialen Vergangenheit Brasiliens. Im Zentrum der Familiengeschichte steht die Auseinandersetzung mit überkommenen Traditionen und Ausbeutungsverhältnissen“.
Eine Alternative zur Präsenzveranstaltung können auch die vielen Onlineangebote und Pressekonferenzen sein. So kommt trotz Pandemie ein bisschen Berlinalestimmung auf, bis die „richtige“ Berlinale 2023 im vollen Glanz stattfinden kann. Dann gibt es kein Halt. Die Filmkunst wird auf allen Ebenen zelebriert und das Festival wird sich auch so solches Ereignis anfühlen.
Link: Berlinale.de