Es war eine langes Ringen, ein Hoffen und Bangen, ob die Ausgabe 2022 nicht doch abgesagt wird. Die Medienlandschaft hat sich positioniert (Link zum Welt-Artikel). Die Journalistin Wenke Husmann (Die Zeit) allerdings hinterfragt überhaupt das Stattfinden des Festivals im Artikel vom 19.01., mit dem Titel: „Wie im falschen Film“ (Kommentar in der Zeit). Andere sahen in einer Verlegung auf den Sommer die Gefahr, auf das Niveau von Festivals wie Rotterdam (Holland) abzudriften. Dies ist allerdings mehr als unwahrscheinlich, denn auch wenn der Film im Vordergrund steht: die Berlinale ist darüber hinaus eine sehr robuste wirtschaftliche Säule, mit großzügiger Finanzspritze des Bundes, auch schon vor der Pandemie.
Ein Beigeschmack
Die Zusage, den Kern der Berlinale (Mit Publikum und Filmteams in Präsenz) stattfinden zu lassen, hinterlässt einen Beigeschmack. Die Zahl der Neuinfektionen mit Covid19 erreicht jeden Tag Rekordhöhe. Auch wenn das Hygienekonzept der Sommer-Edition überarbeitet bzw. angepasst wurde, die Wege zu den Vorführungen verkürzt und für Pressevorführungen die Tickets nicht mehr am Counter abgeholt werden, sondern im Vorfeld online ergattert werden müssen, so bleibt doch ein Fragezeichen, ob es im Schatten einer Pandemie von nationaler Tragweite, die richtige Entscheidung war, das Festival doch stattfinden zu lassen.
Alles anders
Der Europäische Filmmarkt (EFM), der sonst immer als DAS TREFFEN der Branche im Gebäude des Martin-Gropius stattfand und bei denen die Feierabend-Cocktail-Parties sehr beliebt waren, findet schon zum zweiten Mal online statt. Dazu kommen noch die Sparten „Berlinale Talents“, ein Treffpunkt des Branchen-Nachwuchses sowie die Sparte „World Cinema Fund“, eine Förderplattform für Länder, die keine klassischen Kinoländer sind und wo Produktionsmittel nicht zur Vervollständigung des Werkes reichen, die alle online stattfinden.
Für das Hygienrahmenkonzept gilt: 2G-Plus-Maske-Plus-Test-ModellMariette Rissenbeek für alle Besucher*innen. Also, kein Anzeichen von einem ganz normalen Kinoerlebnis. Wie denn auch?
Auf der Webseite heißt es: „Teilnehmende müssen geimpft oder genesen sein. Als ergänzende Maßnahme gilt die Pflicht zur Vorlage eines innerhalb der letzten 24 Stunden durchgeführten Point-of-Care (PoC)-Antigen-Tests“. (…) „Personen, die bereits eine sogenannte Booster-Impfung erhalten haben sowie Personen, die genesen sind und bereits 2 Impfungen erhalten haben, sind von der Testpflicht befreit.“
Der Vorverkauf für Kinokarten beginnt am 07. Februar um 10 Uhr. Es empfiehlt sich schon im Vorfeld eine Wunschliste zu erstellen, auch schon Vorgeld samt einer PlanB-Variante. Die Berliner*innen sind ohnehin sehr kinohungrig. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass die Kinokarten, die ohnehin sehr begehrt sind, für das beliebteste Festival im Lande in Zeiten der Pandemie und mit 50% Auslastung der Kinosäle, noch schneller also sonst, schneller vergriffen sind als sonst. (Link: Tickets)
Was bleibt ?
Es bleiben also in der Kernzeit Berlinale 7 Tage (10.- 16.) Filme zu sehen, Filmteams zu bewundern und Filme wieder in klassischer Form zu genießen. Die letzten 3 Tage (bis zum 20.) sind als ausgeweiteter Berlinale-Kinotag vorgesehen. Das Publikum darf die Kinos stürmen und die Filme aller Sektionen, ansehen. Inwiefern dieses Vorhaben mit all den strengen Vorschriften (Warteschlange, Benutzung der ÖPNV, Kneipenbesuch) und dem Dauertragen der Maske auch ein Genuss werden wird, darf angezweifelt werden.
Die Filme / Die Sektionen
In der virtuellen Pressekonferenz am 19.01. direkt aus dem Haus der Kulturen der Welt haben die CEO Mariette Rissenbeek und Festivaldirektor Carlo Chatrian Einblick in die Ausgabe von 2022 gegeben. Junge und erfahrene Filmemacher*innen sind in den unterschiedlichen Sektionen vertreten.
Wettbewerb
In der Pressemitteilung (VÖ am 19.01.) heißt es: „18 Filme werden im Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären konkurrieren. Produktionen aus 15 Ländern sind vertreten. 17 Filme werden als Weltpremiere gezeigt. Bei sieben Filmen haben Frauen Regie geführt“. Die Zahl der Weltpremieren kann sich im Vergleich zu den früheren Ausgaben, sehen lassen. Eine Weltpremiere in Berlin, erhöht die Relevanz des Festivals und der Eindruck, dass alle wichtige Regisseur*innen die Premiere ihrer Filme für Cannes „aufheben“ kann hiermit, Stand jetzt, entkräftet werden.“
Sektion: Berlinale Special
„Programm umfasst 15 Filme aus 12 Ländern – sechs dokumentarische Formen und neun Spielfilme, darunter zwei Kurzfilme. 12 Filme werden als Weltpremiere gezeigt. Bei Berlinale Special Gala sind es meist Genrefilme – die Spanne reicht vom Horrorfilm zum Musical, vom Fantasy- zum Gangsterfilm. Berlinale Special zeigt hauptsächlich dokumentarische Formen.“
Retrospektive & Berlinale Classics
Die vom Publikum und Filmliebhaber*innen sehr beliebte Reihe Retrospektive/Berlinale Classics, die 2021 aus technischen Gründen ausblieb (wegen der Besonderheit der Projektionen), ist wieder zurück.
In der Pressemitteilung aus dem 17.01. heißt es: „Berlinale Classics: Das Programm zeigt sieben neu restauriert und digitalisierte Filmklassiker sowie wieder entdeckte Filmarchive. Einer der Filmleckerbissen ist „Mamma Roma“, ein Meisterwerk des italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini aus dem Jahr 1962.“
Auch der Kultfilm „Tommy“ (1975) in restaurierter Fassung mit einem Cast-de-Luxe mit Roger Daltrey, Elton John, Eric Clapton, Jack Nicholson, Pete Townshend und Tina Turner verspricht einen Genuss für alle Sinne.
Dass die Berlinale wieder in Februar stattfindet, ist eine Erleichterung. Zumal, wenn ich an die Summer Edition 2021 darunter 37 Grad (der heißeste Tag des Jahres) denke und den Großstadtlärm drumherum während der Vorführungen, ist die Berlinale im Winter wenigsten ein winziger Hauch von Normalität, der wie eine Frühlingsbrise wirkt und eine Freude des Wiedersehens doch aufkommen lässt.
Wir werden sehen.
Link: berlinale.de