Hamburg: Auf den Spuren der Kaffeemetropole

Das erste Kaffeehaus Norddeutschlands wurde, nicht wie oft vermutet in Wien, sondern 1673 in Bremen eröffnet. Jan Jahns van Huisten bekam das grüne Licht vom damaligen Stadtrat. 1677 fand die Eröffnung des ersten Kaffeehauses in Hamburg statt, immerhin 6 Jahre vor der des ersten Wiener Kaffeehauses (1685). Damit ist die Rolle von Norddeutschland rund um die Geschichte des Kaffees unumstritten, auch wenn nicht allgemein bekannt.

Blick in die Speicherstadt
Blick in die Speicherstadt

Wer die Geschichte der Hansestadt mit Herz und Verstand begreifen will, wird nicht drumherum kommen, das Speicherstadtmuseum und das Kaffeemuseum zu besuchen.

Um einen Gesamteindruck zu gewinnen, empfiehlt es sich zunächst einen Besuch im Speicherstadtmuseum zu machen und dann einen im Kaffee-Museum der prestigereichen Rösterei Burg.

An einem Wochenende, typisch für Hamburg mit Sturm, Windstärke XXL mit abwechselndem Sonnenschein machte ich mich auf die Spurensuche zum Thema „Kaffee“ und besuchte die beiden Einrichtungen; wie es sich später herausstellte, in der richtigen Reihenfolge.

Das Speicherstadtmuseum

Henning Rademacher, der Betreiber des kleinen Museums war früher Seeman und kennt die große weite Welt. Das wird auch ziemlich schnell klar, sobald die exklusive Tour für Inberlin durch das Museum am späten Nachmittag beginnt. 60 kg Säcke mit großen Schriften von fernen Ländern liegen herum.

Bilder, die unmittelbar verknüpft sind mit der Essenz von Hamburg auch. Repliken von Schiffen, die in Rio de Janeiro entworfen und gebaut wurden und Kaffee nach Hamburg transportierten oder einfach Utensilien, die im Umgang mit Kaffeebohnen verwendet wurden.

Spurensuche zu Fuß

Zunächst war ich terminiert für eine 2 stündige Tour durch die Speicherstadt mit der Museumsmitarbeiterin Lydia Struck. In einer Gruppe von 8 Personen zeigte sie uns die Lucken, durch die die Kaffeesäcke früher mit Winden in den Speicher gehoben und dort gelagert wurden, machte uns auf die gläsernen Kachelschmuck an der Fassade aufmerksam, aber auch darauf, dass früher Kaffee als Luxusgut galt und nur den Bessergestellten vorbehalten war.

Einfachen Menschen blieb die Option kaffeeähnliche Getränke, wie Muckefuck* zu trinken. Weil der sehr bitter war, tat man gerne „Kaffeegewürz“ hinzu, das z.B. aus karamellisiertem Zucker und Feigen bestand.

Die Nutzung der Gebäude in der Speicherstadt heute ist alles andere als einfach, erzählt Lydia: „Vor allem Modespeicher sind drin, große Firmen und auch ein kleines Museum. (…) Es ist nämlich gar nicht erlaubt, in einen leeren Speicher einzuziehen, weil so ein Speicher die heutigen Sicherheitsauflagen nicht mehr erfüllt. Wer einen Speicher mieten möchte, muss sich an die Firma HHLA – Das Tor zur Zukunft wenden. Dieses Unternehmen hat das Monopol über die Vermietung, die mit unzähligen Bedingungen verknüpft ist.“

Aus der Homepage heißt es: „In der Speicherstadt steuern wir erfolgreich den Strukturwandel und fördern die nachhaltige Quartiersentwicklung. Das Nebeneinander von alten und neuen Nutzungen ist einer der Garanten für die Attraktivität der Speicherstadt bei Mietern, Touristen und Hamburgern, die das Flair der ans Wasser wachsenden Innenstadt genießen.“

Harmonie zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Die Entstehungsgeschichte vom Hotel AMERON, das einzige zugelassene Hotel in der Speicherstadt, welches zum UNESCO-Kulturerbe gehört, durfte natürlich nicht bei der Tour fehlen. Hat der Gast Glück, bekommt er ein Zimmer, in dem er nach links in die Vergangenheit zur Speicherstadt schaut und nach rechts in die kosmopolitische Hafencity hineinblickt. Erst nach langem Zerren bei den Behörden, die zunächst skeptisch waren, klappte es dann mit der Zulassung des Hotels.

Überhaupt: Die Antworten über Hamburg als Handelsstadt für Kaffee, Teppiche und Gewürze aus der weiten Ferne sind in der Speicherstadt. Viele Fußwege, viel Zeit und Neugierde erachtet diese Autorin als unabdingbar, um sich einen Gesamteindruck zu verschaffen. Es gibt viel zu sehen.

Das Speicherstadtmuseum ist ein Ort voller Geschichte und unzähliger Erinnerungen. So viele, dass die Räume viel zu klein sind, um den bemerkenswerten Exponaten die richtige Platzierung zu geben. Hier werden die Detailfetischisten ein Bankett erleben.

Pandemie bedingt ist zwar das kleine Cafe nicht in Betrieb, aber die Zeiten werden sich ändern. So oder so. Wenn Mensch diesen Ort verlässt, vor allem aber nach solch einer fundierten und langen Tour durch Herrn Rademacher, ist der überwältigt von den Eindrücken.

Am Ausgang gibt es ein Gästebuch. Die Begeisterung der Besucher*innen aus nah und fern wird in dem Buch verewigt.

Das Kaffeemuseum

Es ist ein regnerischer Montag und ich warte überpünktlich vorm Eingang des Kaffeemuseums auf Frau Dahms, die Visitenkarte des Museums. Der Termin wurde von Hamburg Marketing GmbH, die mich bei der Pressereise logistisch unterstützte, vereinbart. Den großen Raum hatte ich zwei Jahre davor schon kennengelernt, aber nichts, aber auch gar nichts vergleichbar mit dem, was ich an jenem Montag bei einer exklusiven Tour von ca. 1 Stunde durch Frau Dahms entdecken werde: Auf der ersten Etage befindet sich das Museum. Ich, als nicht Kaffeetrinkerin, bin immer wieder fasziniert über die kulturellen Eigenschaften dieses Getränks.

Frau Dahms ist eine frohe Natur, vollkommen untypisch für nordische Gefilde. Punkt um 10 Uhr öffnet sie die Tür und sagt: Mooooin! Da wusste ich. Es wird ein ganz besonderer Tag.

Als Journalistin auf Menschen wie Frau Dahms zu treffen, ist ein Geschenk. Gekonnt und selbstbewusst erzählt sie über ihre Erfahrung im fernen Brasilien. Ganze 3 Wochen schaute sie bei mehreren Kaffeeplantagen und Kaffeefabrikanten zu, wie dort, Kaffee geplant, gepflückt und geröstet wird. Als Frontwoman der Rösterei Burg im Museum ist sie die beste Besetzung.

Während wir durch das Museum laufen und ich aus dem Staunen nicht mehr herauskomme, insbesondere bei den Regalen mit den Kaffeedosen von einst oder aber die Kaffee-Neon-Tafel, erzählt sie ganz lebhaft weiter.

Ich frage sie, ob sie Shitstorm bekommt, wenn bei den Führungen durch das Museum die Praxis des Kaffeehandels in der Kolonialzeit (Mitte des 17. Jahrhunderts) thematisiert wird. Sie antwortet: „Wir müssen darüber sprechen und können nicht so tun, als ob es diese Zeit nicht gegeben hätte“, hieß es weiter.

Im exklusiven Interview für den Blog, erzählte Frau Dahms über die Geschichte des Ortes und die Geheimisse des Geschmacks. Über die Führungen spricht sie ergiebig zum Beispiel, dass in einem Brasil-Kaffeesack 60 kg hineinpassen und fügt hinzu:“Wenn der Kaffee an der Trommel geröstet wird, haben wir unter dieser Trommel die Gasflammen. Das ist natürlich eine Sensation, wenn man sich überlegt, dass wir einen mit offenen Flammen betriebenen Röster haben. Das ist schon Klasse. Man sieht dann eben, wann die Bohnen herausgekippt werden und das Ganze dampft„.

Inberlin: Das führen Sie den Besucher*innen vor?

Frau Dahms: Genau. Und das ist auch der Kaffee, den wir hier ausschenken. Das ist mit das ganz ganz große Plus (im Portfolio) nicht „nur“, um alles um den Kaffee herum erklären zu können, sondern, dass man ihn gleich hier probieren kann.

Seit wann gibt es das Kaffeemuseum?

Seit dem 11.11. 2015. Wir sind jetzt im sechsten Jahr.

Von woher kommen die Kaffeesorten?

Wir haben tatsächlich unglaublich viele Herkünfte, das ganze Regal voll: Brasilien haben wir mindestens zwei oder drei (Sorten), Guatemala, Kolumbien, Papua Neuguinea, Indien, Uganda, Tansania, Kenia. Es sind viele!

alte Kaffeeverpackungen
Alte Kaffeeverpackungen (aus heutiger Sicht mit Beigeschmack)

Nach welchen Kriterien wählen die Besucher*innen ihre Kaffeesorten aus?

(…) Da gibt es natürlich die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Das vermitteln wir auch in den Seminaren und Verkostungen. Es geht darum, wie bereite ich den Kaffee zu, und danach sollte man tatsächlich wählen was man möchte. Natürlich kommt auch der persönliche Geschmack dazu, ob ich einen Kaffee mit mehr oder weniger Säure haben möchte; Die Säure, die schon im Kaffee ist und nicht die, die durch die Röstung entsteht oder ob ich einen haben möchte, der ein bisschen was nussiges, schokoladiges oder fruchtiges hat. Deswegen haben wir auch eine Riesenauswahl.

Welche Sorten von Ihrem Sortimenten würden Sie hervorheben?

Brasilien, wenige Säure, leichte nussige Note.

Die kolumbianische Sorte, ist etwas schokoladiger.

Die indianische Sorte ist für seine große Fülle bekannt. Diese erzeugt einen ganz langen Kaffeegeschmack. Zusammen sind diese drei ein Super-Team.

Wie entsteht der Kaffeepreis auf dem Handelsmarkt?

Der Kaffeepreis ist heute nicht gemacht, angesichts des Aufwandes, der betrieben wird, sondern es sind viele Spekulanten an den Kaffeebörsen der Welt, dass da ein Kaffeepreis gemacht wird, der nichts mehr mit dem realen Preis zu tun haben muss.

Gibt es bei den Gästen Kaffee, der besonders gerne getrunken wird?

(Vergnügliches Lachen) Ja! Der Begriff „Säure“ ist der, nach dem sich alles dreht. (…) Wenn wir einen Orangensaft nehmen oder einen Birnensaft, dann wissen wir: Die haben unterschiedliche Säuren. Der Fruchtsaft, der keine Säure enthält, ist tot. Das gleiche Prozedere gilt für den Kaffee. Säure macht Kaffee lebendig! Vielleicht sollte man lieber „Fruchtige Noten“ sagen. Das Wort „Säure“ ist zu negativ besetzt. Die Säure, die da gemeint ist, die negative, entsteht, wenn der Kaffee falsch geröstet wird. Die können wir (hier) ausschließen, weil der Kaffee lang und sorgfältig geröstet wird.

Wie lange?

15 bis 20 Minuten. Es hängt ein bisschen von der Sorte ab. Ein Espresso wird immer viel länger geröstet als Filterkaffee. Da entscheidet sich, ob der Kaffee magenfreundlich ist. Das ist einer der wesentlichen Erfolge von Jens Burg (Der Gründer der Rösterei). Der hat mit diesem Röster, den wir hier stehen haben, geröstet, magenfreundlich, magenschonend und traditionell lange geröstet. Deswegen kann man Kaffee mit einer deutlich fruchtigen Note trinken und genießen und der Magen hat überhaupt keine Probleme damit. Man sollte aufpassen: selbst das Aufbewahren des Kaffees in der Thermoskanne sollte nicht länger als eine halbe Stunde halten.

Was ist aus Ihrer Sicht der „Kaffeegenuss Par Excellence“?

Ohne Milch und Zucker. Wenn der Kaffee gut genug ist, dann braucht er solche Zusätze nicht. Es hört sich sehr gemein an, aber ich bin immer wieder begeistert, wenn Besucher*innen bei unserer Verkostung feststellen, dass der Kaffee trinkbar ist ohne Milch und Zucker.

Mit welchen Erwartungen kommen die Gäste hierher?

Viele kommen erstmals mit der Frage: „Was hat der Kaffee eigentlich mit Hamburg zu tun?„. Dass Hamburg eine Kaffeestadt ist, ist vielen gar nicht klar. Es wird aber auch immer mehr im Tourismussektor damit geworben. Und wer kann das besser zeigen als ein Kaffeemuseum? Und das sind wir!

Was sorgt für Überraschungen bei den Besucher*innen?

Oft ganz erstaunlich bei vielen, die uns besuchen, die Wien als Hauptstadt des Kaffees sehen und dann feststellen, dass wir noch vor Wien das Kaffeehaus hatten und dann den größten Rohkaffeehändler der Welt hier in einer Hamburger Familie, die an jeder siebten Tasse Kaffee auf der Welt beteiligt ist. Das ist der aktuelle Stand und das verdutzt viele. (Herzhaftes Lachen)

Wie sind Sie zu diesem Job gekommen und haben Sie sich damit einen Lebenstraum erfüllt?

Ganz klar. Als Leiterin des Kaffeemuseums Rösterei Burg habe ich einen Lebenstraum erfüllt bekommen.

Seit wann sind Sie Leiterin?

Seitdem wir das Museum eröffnet und ich es eingerichtet habe (herzhaftes Lachen). Es ist mein Museum! Nein, es gehört meinem Chef. (Lautes Lachen). Ich bin aber voll und ganz mit dem Herzen dabei, habe es eingerichtet, kenne diesen Speicher aber schon sehr lange. (,,,) Ich war früher bei dem Museum für Arbeit tätig und habe für dieses Museum, mit Herrn Rademacher und anderen zusammen, das Speicherstadtmuseum eingerichtet. Und das ist in diesem Speicher gewesen, in dem heute das Kaffeemuseum steht.

Hier wird gemahlen
Hier wird geröstet

Fazit: Ein Tor zur Welt des Kaffees

Am Ende der Tour bereitete mir Frau Dahms zwei Kaffeesorten zu, wir setzen uns hin und unterhielten uns amüsiert. Die eine aus Brasilien. Die andere aus Tansania. Als nicht Kaffeetrinkerin, wohl gemerkt, habe ich alle beide OHNE MILCH ZUCKER probiert. Die nussige brasilianische Note war interessant und geheimnisvoll. Als ich die Variante Tansania probierte, fühlte ich mich regelrecht als Vaterlandverräterin, aber das, was die Variante Tansania bot, war ein Tanz der Gaumen, wie auf einer Silvesterfeier. Der starke Charakter des Geschmackes führte mich direkt nach Afrika und dies „nur“ durch ein unvergessliches geschmackliches Erlebnis. Ganz zu schweigen, dass das Aroma von beiden den ganzen Raum beschlagnahmte.

Ein bisschen Kaffee?
Kaffee Excellence !

Eine perfekte Liaison: Hamburg, das Tor zur Welt, erweitert die gastronomische Wahrnehmung über ein Getränk, die nicht zu meinem Alttag gehört und mich trotzdem umhaute, mit so viel Charakter, so viel Aroma und einem unvergesslichen Geschmack.

Links:

*Muckefuck ist ein Aufguss­getränk, welches dem Kaffee sowohl geschmack­lich und farb­lich sehr ähnlich ist. Jedoch enthält dieser Aufguss kein Koffein. Ein anderes Wort für Mucke­fuck ist Kaffee-Ersatz oder Ersatz­kaffee. Quelle: Coffee-Perfect.de

About Fatima Lacerda

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