In einer überaus unübersichtlichen Metropole wie Berlin, kann „gutes italienisches Esses“ viel heissen, wenn der Tag lang ist. Es macht also Sinn, auch im Sinne der Verbraucher, die Spreu vom Weizen trennen. Ein Versuch.
Das neueste Projekt ist „Girogusto“ und hatte am Montag (23.04) Premiere in Berlin. Danach „wandert“ dieses kulinarische Vorhaben durch andere deutsche Städte, darunter München, Hamburg und Düsseldorf. Der Startschuss fiel bei einem eleganten Dinner in der oberen Etage des weltberühmten Restaurants Bocca di Bacco an. Im 1. Stock des selben Hauses in der Friedrichstraße befindet sich ein Salon für Events der Extraklasse. Wir haben darüber schon mal im Blog über ein früheres Event berichtet, damals eine Hommage an die Kunst des Luciano Pavarotti. An diesem Abend im kalendarischen Frühling kochte einer der Di Baccos‘ Köche, Renzo Pasolini, der oft zu sehen ist in der Glamour-Presse zusammen mit glücklich „bekochten“ Stars. Die deutsche Schauspielerin Iris Berben soll ganz besessen von seiner Kochkunst sein.
An dem 23.4 sollte es also losgehen. Ich kam dort recht pünktlich an und nach kurzer Überlegung, ließ ich meinen Mantel an der Kleiderstange, die zum Zeitpunkt außerhalb des Raumes im Voreingangsbereich platziert war und ich war skeptisch, ob ich den Mantel dort „draußen“ lassen sollte, was ich später ja zu tiefst bereut habe. Der Kleiderbügel, an dem mein Mantel hing – ging innerhalb des über 4 Stundenevents, kaputt, das gute und sehr teure Stück lag auf dem Boden und zwei Male habe ich die ganze Stange durchsucht und konnte das Kleiderstück partout nicht finden! Und weil alle guten Dinge 3 sind, habe ich bei der dritten Inspektion, das gute Stück an der hintersten Ecke der Kleiderstange, gefunden. Uff!
Mehrere Gäste, insbesondere die italienische Gruppe von Gästen und Produzenten waren größtenteils schon vor Ort, als ich eintraf. Und da war es wieder, die unverwechselbare guten Laune und Geradlinigkeit der Italiener, wenn es darum geht, jemanden anzusprechen, sich vorzustellen, das Geschäft anzukurbeln. Dafür ist man ja auch da und so ein Abend dauert mal locker 4 Stunden. Es gilt also das Beste daraus zu holen. Bei manchen deutschen Veranstaltungen auf höchster Ebene wird der Gast noch vom Gastgeber ermuntert, „Kommt miteinander ins Gespräch!„. Bei italienischen Events geschieht das wohl von selbst. Als Gastgeber geht man ja mit guten Beispiel voran.
Wozu Girogusto?
Es ist so simpel und schwierig zugleich. Erfahrene italienische Unternehmen, Pierpaolo Pecori, Lantieri (ohne Repräsentanz an dem Abend), Nastro D’oro, Sorrentino wollen Einzug halten in die Speisekarten von den besten Restaurants der Hauptstadt und zwar mit einer bisher nicht möglichen und nicht erreichten Konstanz. Wie ich im Gespräch mit dem Export-Manager Americo Liberato (Bild) erfahren habe, es bestehe durchaus Interesse seitens der Restaurants, des sog. gehobenen Segments, es fehle aber die Konstanz und zwar weil, natürlich, die Konkurrenz schläft nicht und die Angebote anderer Hersteller stehen schon auf der Matte und wollen gekauft werden.
Eine perfekte Mischung zwischen Tradition und Qualität
Trüffelsalami von Sorrentino
Mir ist ein Familienunternehmen aus dem französischen Lyon bekannt. Dort habe ich die beste Salami meines Lebens probieren dürfen. Eine solche Extase für den Gaumen – war mir, ich – die keine regelmäßige Salamiverzehrerin bin, ein Novum, insbesondere der Trüffelsalami. Das schmeckte gigantisch! Unter den diversen Salamisorten, welche an diesen Abend in Berlin als Vorspeise serviert wurden, kam der Genuss ziemlich nah an der Perfektion der Salami, die ich in Lyon probiert hatte.
Leider ist die Webseite von Sorrentino sowohl graphisch – wie auch textlich – rudimentär gestaltet und mit vielen Fehlern behaftet. Dies soll allerdings das Potenzial der Salami nicht schmälern, so ist zu hoffen, dass die Restaurantbesitzer dies nicht als Hinderungsgrund sehen, die beste italienische Salami für ihre Kunden zu bestellen und ihnen damit das Beste auf den Tisch zu bringen.
Zusätzlich zu Details vom Geschmack, Reifelevel konnten wir einiges über die Philosophie des Familienunternehmens erfahren und feststellen mit welcher Liebe und geradezu detektivischer Aufmerksamkeit von Sorrentino nach dem besten Fleisch gesucht wird, in dem die „Qualität des Rohmaterials durch eine strenge Auswahl der Bauernhöfe sichergestellt ist„. Es ist immer entzückend und willkommen gleichermaßen zu sehen, mit welcher Lust die Italiener sich dem Genuss widmen, widmen können. Italiener sind eben dem kulinarischen Genuss verpflichtet – als solches aber auch als Pflege, Erhalt und Fortführung der Tradition und der Familiengeschichte (im Falle von einem Familienunternehmen). In den Hochglanzphotos sieht es alles wahnsinnig harmonisch aus zwischen Eltern und Söhne und zwischen Brüder. Na bitte, geht doch!
Erlesene Weine
Das ganze Menü wurde vorbereitet mit den Produkten und abgestimmt mit den Weinen für jeden einzelnen Gang. In einer Geniesserrunde wird der Wein ausgetauscht, damit der „jetzige“ Wein, der das „jetzige“ Gericht begleiten soll, auch zeitgleich mit dem Essen gekostet wird.
Es wurde alles sehr akkurat vom Koch, wohl im Vorfeld, abgestimmt aber die Ausführung eines solchen Abends verlangt eine herausragende logistische Leistung von denen die bedienen. Das muss alles im Akkord und ohne groß Palaver geschehen. Wenn man genau es betrachtet, steckt eine Dramaturgie jawohl eine Choreographie, hinter dem was wir schließlich als Bewegung um uns herum wahrnehmen, wenn der Sommelier sich von der rechten Seite annähert und dezent und freundlich fragt: „Darf ich?“ oder „Posso?“(die italienische Variante). Hier ein großes Lob fürs gesamte Team von Bocca: effizient, aufmerksam und zurückhaltend zugleich.
Ein weiteres hohes Lob geht an den Sommelier des Bocca di Bacco. Mit Bravour hat er beigetragen, dass der Abend ein Erfolg wurde.
Pierpaolo Pecorari, ein sehr sympathischer und geschäftstüchtiger alter Herr, der die Runden begeisterte mit seinen ausführlichen wie leidenschaftlichen Erzählungen u.a. darüber, dass die Liebe zum Wein von den älteren Generationen aus dem 18./19. Jahrhundert stammt. Pierpaolo erzählt genüsslich und en Detail über alles, was die Weinherstellung anbetrifft und ist genüsslich unterhaltsam wie authentisch dabei.
Dessert
Das Dessert, eine halb gefrorene Melone mit Waldbeeren und verfeinert mit dem Limoncello Likör der Firma Nastro d’Oro, die „typische Liköre der sorrentinischen Halbinsel“ herstellt. Eddy, der das Produkt vorstellen sollte, kam nach einer Stunde nach Beginn der Veranstaltung erst an. Vom dem Italiener, der die ganze Übersetzung, mehr oder weniger genau, den ganzen Abend exerzierte – hieß es – mit einem typisch italienischen Lächeln im Gesicht und wurde quasi als Alibi verkündet: „Sein Flug hatte Verspätung und sein Gepäck ist nicht mitgekommen“. Das sind die Italiener, wie man sie kennt! Die Brasilianer sind anders. Es gibt immer eine Ausrede, immer ist der andere schuld auch wenn dieser anderer der Wettergott oder eine dunkle Macht. Aber die Gäste nehmen diese eher typischen Privatinfos mit Fassung bzw. keiner fühlt sich wirklich davon tangiert, meine ich, von Eddy’s Schicksal. Der Koffer wird sich schon finden (denkt man guten Glaubens) und Eddy’s Lächeln lässt die schlechte Nachricht als Schnee von gestern erscheinen.
Das Dessert wurde also mit einem Schuss des traditionsreichen Likörs veredelt und verfeinert. Das fertige angerichtete Dessert sah einladend und verführerisch aus. Vom Format her erinnert es mich an eine himmlische französische Spezialität namens Petit Gateau, nur eben kalt während die Petit Gateau die heiße Schokolade aus dem Kuchen herausfliessen lässt.
Bis auf die Tatsache, dass die Akustik in dem Raum eine Katastrophe ist und dadurch, dass ich an dem hintersten Tisch platziert wurde, habe ich (und ist sehr zu bedauern) viel von den Erzählungen, die leidenschaftlich vorgetragen wurden, nicht viel hören, nicht viel mitbekommen können und wenn ja, mir viel Mühe und dabei brauche ich die deutsche Übersetzung nicht mal. Da geht ein Viertel des Abends, dessen Inhalt, im wahrsten Sinne des Wortes – flöten! Wäre ich bloß aufgestanden und hätte ich mich neben Harald Pignatelli, dem sympathischen Moderator vom Magazin Zibb (RBB Brandenburg) gesetzt? Der war, strategisch gesehen, viel besser platziert, nämlich an einem Tisch direkt vor den Rednern. Auch wenn der Abend zu Anfangs nicht glatt ab lief – die Produkte, die Weine, die Wurst und das Likör Limoncello können sich sehen, riechen und genießen lassen und wären eine Bereicherung für das kulinarische Berlin. Mögen die Berliner Restaurantbesitzer und -Manager, wie zum Beispiel Adriá Salas Rotger, der das „Cecconi’s“ im prestigeträchtigen Soho Haus betreibt, den Kunden dieses Stück gelebter italienischer Kultur nicht vorenthalten wollen.
Ich finde das Qualitätssiegel ist definitiv gerechtfertigt! Super Beitrag, Berlin ist kulinarisch eine Besonderheit!
Italienisches Essen auf den Punkt. Es ist immer wieder toll zu sehen, mit wie viel Emotion und Leidenschaft die italienische Küche Gerichte fertigt. Mit einem ausgeprägten Perfektionismus und dennoch einer Leichtigkeit wie sie es sonst nirgends zu sehen gibt. Senstationell!
Ganz toller und schön geschriebener Beitrag. Weiter so!