Breakdance – B-Girls mitten in Berlin

An einem späten Freitagnachmittag, erschöpft auf dem Weg nach Hause,  von der Potsdamer Str. kommend, durchquere ich den Park am Gleisdreieck und sehe beim Tanzen eine Gruppe von Mädels,  die wie es sich später herausstellte, zwischen 14 und 18 Jahren sind. Rucksäcke, Jacken und Mäntel liegen auf der Wiese herum. Ohne groß zu überlegen habe ich sie angesprochen und gefragt, was das „Zusammenhocken“ auf sich hat.

Während die ersten großen und neugierigen Augen sichtbar wurden, eine, (und später würde ich erfahren, dass es sich dabei um Pia handelt), hat mitbekommen, dass ein Mann in nächster Nähe Photos und Videos von den Mädels machte. Unerlaubt, versteht sich. Gleich sind 3 Mädels zu dem frechen Zeitgenossen rüber gegangen um ihm die Leviten zu lesen, während ich den „Rest“ der Gruppe über meine Absichten – einen Bericht zu machen, konkreter erläuterte.

Ich wollte also einen Artikel über die Gruppe machen, sowohl in der brasilianischen Presse als auch in „einem Blog namens Inberlin„, so meine Ankündigung vor versammelter, wie ich nenne möchte,“Tanz-Belegschaft“. „Cool!“, sagte eine. Mit einem neugierigen Lächeln quittierte ein anderes Mädel mein spontanes Vorhaben an diesem Freitagabend, normalerweise der Augenblick, an den man sich nur noch nach Hause sehnt. Die Sache war so spontan, dass ich mich riesig freute, als ich merkte, dass mein Tablet doch in den Untiefen meiner Tasche lag. Damit konnte ich glücklicherweise, mit einem schönen Video, den Bericht abrunden.

WIN_20160422_203843 (Von links nach rechts: Julia, Dicko, Jenny, Pia, Melissa, Ute und Joela.

Als Pia und noch zwei weitere Mädels zurückkamen von der „Abrechnung mit dem frechen Mann“ packte mich die Neugierde über den Ausgang der „Verhandlungen mit dem ungebetenen Zaungast“. „Habt Ihr es geklärt?“. Ohne zu zögern und bei einen resoluten Blick, antwortete Pia, sinngemäß: „Wir haben ihn kleingekriegt“. (Der Originalton ist eine Nummer roher). „Sonst regel ich das“ kündigte ich an, konnte aber nach Pias Entschlossenheit sicher sein, dass die Mädels alles mit Bravour selbst und zügig gelöst hatten.

Als die Runde also wieder vollständig war, durfte ich allen über mein Vorhaben informieren. Schließlich will man (und Frau auch) wissen, was mit den aufgenommenen Bildern bzw Videos passiert und wann/wo etwas veröffentlicht wird.

Die Mädels

Die meisten besuchen die 11. Klasse. Obwohl einige nicht in Berlin geboren sind oder ausländische Vorfahren haben, sprechen sie alle einwandfrei deutsch. „Ihr sprecht nur gar nicht berlinerisch?“ fragte ich verwundert, bei der kulturellen Vielfalt. „Wir sind zu jung dafür“, attestiert Dicko (17). Ups! Das hat gesessen! „Wenn ich sauer bin rede ich berlinerisch, heißt es dann – dass ich schon alt geworden bin?“ fragte ich in die Runde. Es wurde höflich gelächelt… Auch das, ist eine Antwort.

Welche Eltern sind in Berlin aufgewachsen?“ wurde in die Runde geworfen. „Meine!“ sagte eine, obwohl: Um Berlinerisch zu reden setzt ja nicht voraus, dass man hier geboren und aufwachsen ist. Ich, die Autorin dieser Zeilen ist das lebendige Beispiel dafür.

Das Gespräch

Dann kam die Zeit, das Aufnahmegerät einzuschalten. Da aber das Gespräch sich als überaus lebendig zeigte (und das ist noch recht hanseatisch ausgedrückt), habe ich darauf verzichtet, die einzelnen Statements wiederzugeben sondern verlasse mich auf mein Gedächtnis:

Wie seid Ihr zu der Idee der Gruppe gekommen?
Wir sind alle in der gleichen Tanzschule und sind B-Girls bei einem Kurs welcher immer Freitags stattfindet. „Unsere Tanzschule ist legendär, dass ist DIE Tanzschule für Breakdance in Berlin“, erklärt Ute, die mit Abstand älteste in der Gruppe, bei der Fülle von Infos, untermauerte ihre Zuständigkeit für den Bereich Außenkommunikation. „Durch diesen Kurs werden B-Girls gefördert, weil man vermutet, dass Mädchen in dieser Kategorie aussterben“, erklärt sie.

Ich spreche mit den Berliner Gören aber eigentlich sprechen Sie auf vielen Kanälen mit mir: intensiv, gehaltvoll, begeistert und meist alle gleichzeitig, teilweise ergänzend, teilweise völlig durcheinander.  Meine Erkenntnis, die durchgehende Linie ist das die Mädels immer einen gemeinsamen Nenner finden, zum Beispiel wenn es um die Schritte geht.

Als ich wissen wollte, wie es ist, wenn die B-Girls direkt VOR einer Band von Jungs aufzutreten. „Wie ist es?“ wollte ich wissen: Stolz wie eine Spanierin, sagt Joela (17): „Das ist was besondes, gerade weil es in Berlin so wenig (B-Girls) gibt“.

Auf die Frage, wie die Jungs die Mädels begegnen: “Mit Respekt!“ sagt Uta voller stolz. Pia fügt hinzu „Die finden es voll cool und man kriegt auch Tipps von denen“, erläutert die 14 jährige, die jüngste im Bunde. Ihr sprecht miteinander also auf Augenhöhe?“ fragte ich. „Jaaaaaaa!!!!“, wird einstimmig und alle miteinander, in die Runde in voller Überzeugung, gerufen.

Gerade proben die B-Girls eine Nummer zum Anlass des Geburtstages ihres Lehrers, Samir, über den die Mädels unissono nun gar nicht mehr aus dem Schwärmen kommen. „Der ist tooooollll!“, wird in die Runde voller Euphorie geschrien, gelacht und überall zeigen sich zufriedene Gesichter.

„Wie reagieren die Leute allgemein auf Euch?“
„Uhuuuuuuuuuuu!!!!!“ wird wild in die Runde gejolt. Wenn bei den Auftritten genauso wie Begeisterung und Biss in der Luft (und nicht zuletzt in den Beinen liegt) dann gibt es keinen Halten mehr: B-Girls gehören mit immer größeren Selbstbewußtsein zum urbanen Szenario der Hauptstadt und dank des Kursangebotes und nicht zuletzt der Vision der Flying Steps Academy, besteht Grund zum vorsichtigen Optimismus, dass immer mehr Mädchen sich in diese Männerdomäne wagen und damit vielleicht auch einen Lebenstraum erfüllen.

Die meisten der 7er-Gruppe möchten Tanz später als Hauptberuf ausüben. „Was sagen eure Eltern dazu?“ will ich wissen: Nach einer Überlegungspause von gefühlten 5 Sekunden, sagt Dicko: „Meine Eltern würden mich unterstützen“. Joela, ihrerseits, lässt keinen Zweifel dass sie Profitänzerin werden will. Uta ist diejenige, die den Ton angibt wenn es darum geht, wichtige organisatorische Eckpunkte zu besprechen. Auch mir gegenüber war sie eine willkommene Quelle vieler Eckdaten und Infos rund um diese Gruppe, die dem Anschein nach, sehr organisch eine solche geworden war. Die Mädels haben an dem Kurs extra für B-Girls teilgenommen und langsam aber sicher kristallisierte sich daraus eine Gruppe, ich würde eher sagen, einen Bund. Wer aber denkt, dass die Absprachen hinsichtlich der Schritte und Reihenfolge der Choreographie glatt über die Bühne geht, der ist auf dem Holzweg. Es wird -im besten Fall- hintereinander weg geredet, ohne Luft zu holen, wenn nicht sogar alle gleichzeitig. Sicherlich gibt es die eine oder andere, die das Durchsetzungsvermögen, eine Eigenschaft, an die Mädchen und erwachsene Frauen im Laufe des Lebens feilen und perfektionieren müssen, schon jetzt ausgeprägter beherrschen. Die B-Girls sind aber -alle – auf dem guten Weg und das werden sie auch brauchen.

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It’s a man’s world!

Ganz gleich ob auf der Bühne bei einer Break-Dance Performance oder aber in einem Büro oder Unternehmen in der Vorstandsetage. Die Welt ist – nach wie vor – eine männerdominierte Welt. Schauen auf das Regierungskabinett – beim Bundeskanzleramt, dort wo Angela Merkl ihr Büro hat. Wie oft haben wir, Horst Seehofer, den Saboteur und Merkels schlimmsten Wiedersacher aus Bayern mit anschauen/anhören müssen wie er die Regierung, dem er (möchte man merken) auch angehört, versucht aus reiner Eitelkeit und Kalküll zu torpedieren? Auch die Autorin diesen Textes hat über ein Jahr gebraucht bis es ihr gelang, für ein brasilianisches Portal über den deutschen und europäischen Fußball zu berichten. Jetzt, diese Woche geeeeehhhhhtttt’s loooss!!!

Als ich wissen wollte, ob es im Zusammenhang im Wesen ein B-Girl zu sein, negative Erfahrungen gemacht wurden (unabhängig von möglichen nervigen Zeitgenossen, die unerlaubt – Bilder/Videos machte), hieß es sehr schnell „„Nein, nein…!!!“. Allerdings hatte Joela doch noch eine unschöne Erfahrung zu melden: Es hieß einmal, es werden Break Dancer für einen Film gesucht. Als wir uns dafür bewerben wollten hieß es: „Nee, wir suchen nur Jungs“, sagte sie, nicht ohne eine Enttäuschung an ihrer Stimme durchsickern zu lassen. Auch Uta berichtete über ihre Erfahrung als Tänzerin in Israel. „Dort ist es voll die Männerdomäne. Auf der einen Seite wurde ich sehr gefeiert, aber auf der anderen Seite war es auch scheiße weil ich das einzige Mädchen war“, berichtet die meist erfahrene in der Gruppe.

Als ich gegangen bin, herrsche keineswegs Ruhe in der Gruppe. Wild durcheinander wurden die nächsten Schritte besprochen. Ein Work in Progress mitten im Park. Das ist Berlin. Mit all seinem Chaos. Mit all seiner Vielseitigkeit. Julia ist ursprünglich aus Polen. An ihrer (Aus-)Sprache ist keinen Unterschied zu den anderen in Berlin aufgewachsenen Mädels festzustellen. So sieht gelungene Integration aus. Sarrazin, Henkel, von Storch, Petry. Schaut auf diese Stadt!

Wer demnächst durch den Park am Gleisdreieck schlendert und eine wild gestikulierende Gruppe von B-Girls Tanzschritte proben sieht, unbedingt anhalten, zuschauen, ins Gespräch kommen und mehr von diesen wilden, frechen und selbstbewussten Mädels erfahren und um sie auch mal live zu erleben. Vor allem aber weiterempfehlen!

Aufgepasst: Die nächste Möglichkeit gibt es gleich am kommenden Sonntag, 01. Mai um 18 Uhr im Jugendclub Lessing Höhe in Neukölln. Nix wie hin!

Abschließend möchte ich diesen wunderbaren B-Girls, die zumeist zwischen 14 und 18 Jahren sind, für ihre Offenheit und dem mir entgegen gebrachten Vertrauen, welches schliesslich diesen Artikel ermöglichte, herzlich bedanken!

Meinem Dank gilt: Dicko, Jenny, Joela, Julia, Melissa, Pia und Uta

Weiterführende Links und die „Absprachen zur Probe:

About Fatima Lacerda

Kultur, Fußball, Musik sind meine Leidenschaften. Reiseberichte sind ein Genuss!

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6 comments

  1. Lohnfertigung

    Eine sehr freshe und interessante Gruppe. Den Artikel zu den B- Girls habt ihr ausgezeichnet geschrieben und es fällt direkt auf dass sich dabei sehr viel Mühe gegeben wurde. Sehr übersichtlich, informativ und spannend- weiter so!

    Viele Grüße

    • Fatima Lacerda

      Ja…. Wir mühten uns redlich!!
      Ein bisschen Spaß muss sein!

      Bleibe uns weiterhin treu. Es lohnt sich!

  2. hallo fatima, toller artikel ist das geworden, das ist uns eine ehre! danke dir sehr! du hast uns und das Gespräch super wiedergegeben! herzliche grüße, Uta

    • Fatima Lacerda

      Liebe Uta,

      vielen Dank fürs positive Feedback.
      Es war mir eine Freude, dem Zufall sei Dank!
      Viel Spaß und viel Erfolg mit diesen wilden, fröhlichen und wunderbaren Berliner Mädels und das Beste: Kein bisschen leise! hehe

  3. Ich kenne diese Mädels sogar schon durch Social Media und bin wirklich beeindruckt! Ich möchte ebenfalls unbedingt professionell Breakdance lernen. Am besten werde ich mich dafür an eine passende Tanzschule wenden.

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