Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark wies bei Spielanpfiff um 18 Uhr am Samstagnachmittag (zu) viele leere Ränge auf. Die Idee von Stefan Willkommen war ein reichlich besuchtes, würdevolles Abschiedsspiel für den Ex-Profi Alex Alves zu veranstalten. Alves, war Herthas „enfant terrible“ und zugleich ein genialer Stürmer. Wer denkt nicht an das Tor gegen den bereits 0:2 führenden FC Köln im Jahr 2000? Aus der Mittellinie aus 52 Metern Entfernung schoss sich Alves in die begehrte ARD-Sportschau „Tor des Monats“-Auswahl, daraus wurde dann das Tor des Jahres.
Die Auswahl des „Alex Alves Memorial“-Teams wurde von Ex-Trainer Jürgen Röber trainiert. Wobei die Ex-Profis erst einen Tag zuvor in Berlin eintrafen. Eine Trainingseinheit habe es nicht gegeben, sagte ein Insider. Die Gegenmannschaft war der KSC im blauen Trikot. Alle Spieler des Memorialteams waren mit einem canarinho-gelben Trikot, mit der Nummer 7 drauf, versehen. Der einzige Landsmann von Alves auf dem Platz war Ailton, Ex-Werder Bremen-Stürmer, und noch immer ein Kugelblitz auf dem Spielfeld. Der Unterhaltungswert des Spieles stieg zusehends, als der Stürmer eingewechselt und – in Anlehnung an seine RTL-Dschungelcamp-Teilnahme – mit Fangesängen „Das Ailton!“ begleitet wurde. Zwar haben die beiden Brasilianer nie zusammen gespielt. Vor dem Nachkommen von Alves’s Familie und später des Landsmannes Marcelinho zum Berliner Verein, soll jedoch Ailton in der Anfangszeit, die wichtigste Bezugsperson von Alves gewesen sein, speziell wenn es darum ging, wie anders alles in Deutschland sei. „Um die 5 Male wöchentlich rief er mich an, manchmal mitten in der Nacht, stellte Fragen, sprach sich die Gewöhnungsschwierigkeiten aus der Seele. Ich riet ihm, Geduld zu haben“. „… Du bist in einem sehr guten Verein, dazu noch in der Hauptstadt … es wird sich schon alles einrenken …“.
Marcelinho, Alves Ex-Vereinskamerad und heute tätig für den Zweitligisten Boa Esporte, war für das Abschiedsspiel zwar in der Presse sogar mit Ankunftszeit in Tegel angekündigt, kam aber nicht. Als teuerste Anschaffung in der Vereinsgeschichte (7,5 Mio Euro), kam Alves vom Verein Cruzeiro Belo Horizonte nach Berlin, in einer Zeit, in der die Welt ohne den unaufhaltsamen Fortschritt digitaler Medien, noch viel unbekannter war als heute. Der Kulturschock und die darauf folgenden Querelen für Alves in Berlin war -mild gesagt – kontraproduktiv: Nächtliches Feiern unmittelbar nach Vereinsniederlagen, laute Handygespräche im Mannschaftsbus, zu späte Rückkehr aus dem Brasilienurlaub. Und dennoch: Wie Jürgen Röber nach dem Abpfiff am Spielfeldrand einem Fernsehjournalisten erklärte: „Ja, es gab die ganzen Querelen. Aber auf dem Spielfeld war er ein genialer Spieler.“
Die Atmosphäre in der VIP-Lounge nach dem Spiel zeugte von der erfüllten Pflicht, den im vergangenen Herbst verstorbenen, ein Abschiedsspiel durchgezogen zu haben. Alves‘ Tochter Alexandra, in Berlin geboren und heute 13 Jahre alt, schwankte zwischen Tränen der Rührung und unbegrenzter Freude. „Ich wusste nicht, dass mein Vater in Berlin so beliebt war!“, erklärte sie und strahle dabei übers ganze Gesicht. Der Ärger über die Nichtteilnahme von Hertha BSC bei diesem Event, war indes nicht zu überhören. Man bemühte sich zunächst um Contenance doch je später der Abend, desto lauter wurde der Zorn über die NICHT (An-)Teilnahme von Hertha-BSC an dem Abschiedsspiel.
Hertha veranstaltete an dem sonnigen Samstag zeitgleich ein Fantreffen. Das Statement von Manager Preetz (auch ein Alves Ex-Mitspieler), dass mit dem Abschluss einer Ausbildungsversicherung für Tochter Alexandra die Solidaritätsquote, sinngemäß, erfüllt sei, zeugt von Kleinkariertheit und ist empörend zugleich. Auch die Sturheit, das Fantreffen bis 18 Uhr zu terminieren, und damit den Fans den Weg in den Jahn-Sportpark erheblich zu erschweren, wenn nicht gar verhindern, zeugt nicht von sportlichen Fairness, schlimmer noch, es ist unklug. Die unnötige Spaltung der eigenen Fans an jenem Samstag hätte vermieden werden können und müssen. Das unschöne Spiel im Vorfeld zwischen Organisator Willkommen und das Management von Hertha ist ein trauriges Beispiel, wenn es darum geht, für den guten Zweck, an einem Strang zu ziehen. Der Erlös kommt krebskranken Kinder zu Gute.
Insbesondere für die Tochter Alexandra war dieses Abschiedsspiel sicherlich wichtig für die persönliche Verarbeitung, aber auch für einige, handverlesene sehr treue Hertha-BSC Fans. Stefan Willkommen’s Idee war richtig und nötig. Wäre Hertha mit von der Partie gewesen, hätte es im Stadion die leeren Ränge nicht gegeben und die anschließende Stimmung im Bereich VIP-Premium des Szeneclubs „Traffic“, wäre – trotz großzügigen Champus-Angebot – nicht derart desolat gewesen. Nach dem Motto „Jetzt erst Recht“ oder „Wir sind doch Wer“, bemühte sich der ersichtlich unter enormen Druck stehenden Organisator Stefan Willkommen um gute Miene zum bösen Spiel: Auf dem Spielfeld, in der VIP-Lounge im Jahnsportpark und im VIP-Bereich des „Traffic“. Auch die Ankündigung des DJs, im VIP-Bereich seien „Fußballstars“, hat die Stimmung nicht zum Besseren ändern können. Wie denn auch?
Der gerade in die erste Liga aufgestiegenen Verein hat an diesem Samstag keine gute Figur gemacht. Darüber hinaus noch in Kauf genommen, die eigenen Fans zu spalten. Von der Notwendigkeit von Mediatoren war im Vorfeld des Spiels in den Medien zu lesen. Wenn es soweit kommt, dass nicht direkt miteinander geredet wird, dann gute Nacht.