Mit diesem berühmten Satz, versuchte einst der Physiknobelpreisträger Albert Einstein – auch wenn nicht ganz ohne Selbstironie – seinen jüngsten Sohn Eduard zu überzeugen, ihn in der Sommerresidenz in Caputh zu besuchen:
Sei ein gutes faules Tier,
Streck alle Viere weit von Dir.
Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt,
Und auf Papa, wenn Dirs gefällt.
Caputh, im Landkreis von Potsdam-Mittelmark und wunderbar am Fuß des Schwielowsee gelegen, war Ende der 20er Jahre eine bevorzugte Umgebung für wohlhabende Kaufmänner und Intellektuelle aus dem mondänen Berlin. Nach einer bewegten Geschichte mit diversen Nutzungsvarianten, wird heute das Haus vom Einstein Forum verwaltet, eine Stiftung des Landes Brandenburg. Die Erbegemeinschaft, der das Haus gehört, ist zu 70% der hebräischen Universität Jerusalem und zu 30% geteilt. Darunter und aufgrund der Tierliebe der Adoptivtochter Margot, hält – auf ihren Wunsch hin – ein Tierschutzverein einen kleinen Anteil an dem Haus.
Am Waldrand und mit herrlichem Blick auf den Templiner See verbrachte Einstein drei glückliche Jahre, von 1930 bis 1932 immer von April bis November, teilt der Referent Thomas Schubert während der Führung mit, an jenem Sonntag Mittag, als auf der großzügigen Terrasse, bei strahlendem Sonnenschein noch hartnäckiger Schnee lag. Zahlreiche Anekdoten gibt es über Einstein in seiner Zeit in diesem heute verschlafenen Ort. Ich hörte von einem Brauch der Familie in der Sache „Erreichbarkeit am Telefon“ und wollte wissen, ob meine Version stimmt. Thomas klärte auf: „Es gibt unendliche Geschichten. Von dieser ist aber ein 3/4 doch wahrhaftig. Wenn das Telefon des Nachbars klingelte (das Haus links vor der Terrasse gibt es noch immer) und die Familie Einstein gemeint war, so gab es auf der Trompete drei Töne für die Bewohner des Hauses. Kein Ton für Einstein“, lässt er zu unserem Staunen durchsickern… Auf irritierte Nachfrage kam prompt die Lösung: „Einen Ton gab es für die Adoptivtochter Margot, einen für die Haushaltshilfe und einen für Einsteins Frau Elsa, diese war diejenige, die entschied ob es wichtig war, dass Einstein sich zum Telefon begeben musste…“ und fügt mit der Sachlichkeit eines Historikers hinzu: „… denn für jeden der Einstein in Caputh anrief, war es wichtig“, und ernte von den Anwesenden beglücktes Lächeln.
Neben den Eckdaten, die während der 45-minütigen Führung mit auf dem Weg gegeben werden, ist ein extra Highlight und gleichwohl sehr empfehlenswert, durch die inneren Räume des Haus zu laufen, sei es zusammen mit der Gruppe oder anschließend allein. Die wunderschöne Sommerresidenz am Waldrand, erreichbar über die Rosenstraße ist weit mehr als ein ein gelungenes architektonisches Werk von Konrad Wachsmann. Es beherbergte für einige Zeit einen Mann, von dem sicher viel wissenschaftlich bekannt ist; Naturwissenschaftler sind hier allemal gut aufgehoben. Aber das Haus bietet viel mehr: Nicht nur den Einsatz der Referenten, um den neugierigen Gästen ausführlich und fundiert Fragen zu beantworten, sondern die Möglichkeit sich das eigene, ganz persönliche Einsteinbild zu vervollständigen: Einstein der Wissenschaftler, der Jude, derjenige der bei seiner Vereidigung auf die amerikanische Verfassung 1940, demonstrativ, keine Socken trug. Einstein, der Sozialist, der Weltbürger, der politische Mensch, der der hochrangige Politiker und Wissenschaftler selbstbewusst zu Hause barfuß empfing – angeblich mit dem Satz: „Wenn sie meine Klamotten sehen wollen, mache ich den Kleiderschrank auf“. Im Übrigen, während seiner Zeit in Caputh kristallisierte sich die politische Positionierung heraus, u.a. die berühmteste ausgestreckte Zunge der Moderne, noch bevor die beste Band der Welt diese als Symbol des Unangepasstseins, verewigte.
Das Einsteinhaus, welches die Stadt Berlin durch den damaligen Bürgermeister Gustav Böss dem berühmtesten Wissenschaftler zum 50. Geburtstag schenken wollte, sei ein Kompromiss zwischen der von Einstein gewünschten Gemütlichkeit und der Experimentierfreudigkeit des damals ehrgeizigen 28-jährigen Architekten Wachsmann. Dieser, zweifelsohne, ein Verfechter der „neuen Sachlichkeit“, die insbesondere im Wohnzimmer beim Holzwandschrank zur Geltung kommt. Das Wohnzimmer ist ein Augenschmaus für sich. Dort saß Einstein schon in Begleitung von Thomas Mann, Käthe Kollwitz, Max-Planck und vielen anderen Intellektuellen und Wissenschaftlern seiner Zeit. Mit dem berühmtesten Vertreter des deutschen Impressionismus, Max Liebermann, soll es intensiven Briefkontakt gegeben haben, sagt Thomas wenn es darum geht, mit wem alles Albert Einstein befreundet war.
Dort am Tisch zu sitzen und über Einstein, sein Werk und seine Persönlichkeit zu diskutieren ist ein intellektueller Genuss erster Güte: Unter Gleichgesinnten, auf den Spuren von Einstein in seinem Häusle, unbestritten, ein historischer Ort. Anschließend empfiehlt sich ein Spaziergang oder ein Innehalten auf der Terrasse oder ein Stopp vor dem kleinen Gästehaus. Davor kann man sich – bei atemberaubenden Blick auf den Templiner See – auf der Bank eine Pause gönnen und die Gedanken – im besten einsteinischen Sinne – schweifen lassen. Im Garten stehen zwei schmale Holzstühle, mutmaßlich strategisch positioniert. Die Vorstellung, dass Einstein selbst dort saß und kontemplativ auf den See das Nachdenken praktizierte oder einfach die herrliche Ruhe genoß, zieht sofortige Nachahmungsversuche mit sich. Erinnerungsphotos mit dem Liebsten nicht ausgeschlossen.
Im einsteinischen Sinne, so der Referent weiter, soll das Haus nicht steril museologisch, sondern als Ort des wissenschaftlichen Austausches genutzt werden. Die Führungen seien wohl eine logische Konsequenz, weil die Sommerresidenz in Caputh überhaupt das einzig verbliebene Einsteinhaus war, ergänzt der Referent. Sein Geburtshaus in Ulm, das Haus in München, wo er aufwuchs sowie seine Schöneberger Wohnung in der Haberlandstr. 5 haben die wuchtigen Zerstörungen des II Weltkriegs nicht überlebt. Dem Wunsch Einsteins nach einer Ort der Begegnung wird durch das Konzept des Einsteinsforum entsprochen. Auch der Weg zu Fuß dorthin kann von leiser euphorischen Erwartung erfüllt sein, hungrig auf alle Informationen und Eindrücke, die dort die Besucher bereichern werden.
Wer die Fähre vom Potsdamer Anlegehafen nach Caputh nutzt, steigt am Besten an der Anlegerstelle „Caputh Schloß“ aus. Nach 50 Metern Fußweg, schräg nach links abbiegen, dort zeigt ein gut lesbares blaues Schild die Richtung zum „Einsteinhaus“. Auf dem Weg zum Ziel kann gemütlich durch den Ort ca. 20-25 Minuten geschlendert werden, dann die Rosenstraße hinauf bis es nicht mehr weiter geht – direkt am Waldrand. Dann links, dem grünen Schilde entlang. Angekommen!
Wer nach nach so vielen Emotionen Hunger bekommen hat oder die gewonnenen Erkenntnisse erst einmal sortieren muss, kann dies direkt am See im Kavalierhaus Café tun. Der dortige Schoko-Birne Blechkuchen und der grüne Tee sind recht ordentlich und zeugen gemeinsam für eine sinnliche Harmonie; umgeben von einer typisch brandenburgischen Landschaft: Schlicht, bodenständig, naturbelassen und zum langen Verweilen einladend.
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Bildergalerie:
Beeindruckend! Da kann man ja wahrlich in den Fußstapfen von Albert Einstein wandeln. Das begeistert mich zugegebenermaßen. Wenn ich das nächste Mal in die Nähe von Berlin komme, muss ich mir diese Gegend unbedingt anschauen!
Bericht und Photos sind super, zugleich informierend wie auch anregend, selbst den Weg nach Caputh zu finden und sich wirklich Zeit für diese Kostbarkeiten auf mehreren Ebnen zu gönnen.