Das Konzept ist nicht neu. In den USA fungieren die Kirchen als Ort der Begegnung im weitesten Sinne. Wir haben im Kopf Bilder aus den Filmen, wo unterschiedliche Musikstile hautnah dem Publikum, meist der Gemeinde, präsentiert werden. Denken wir an die Gospel-Chöre, die ursprünglich als Gottesdienst-Highlight galten, später jedoch zur Hauptattraktion der Kirchen wurden, sogar noch mehr als der Glaube selbst.
Der Film mit Schauspiel-Legende Whoopy Goldberg zeigte, die Kirche wurde auch ein Ort für die Entdeckung von Talenten? Wer erinnert sich nicht an die damals junge Sängerin Lauryn Hill, die nach dem Film „Sister Act“ weltberühmt wurde?
Man muss nicht bis zur Waldbühne oder gar in die Wuhlheide pilgern
Man muss nicht bis zur Waldbühne oder gar in die Wuhlheide pilgern, um in Berlin weltberühmte Künstler hautnah zu erleben. Das geht auch im eigenen Kiez. Wer sagt’s denn?
Der Schwarzamerikaner Robert Cray hatte nicht einen so leidigen Weg. Seine Liebe zum Blues entdeckte er bereits auf der High School und ging seinen Weg, für die damalige Zeit, straight ahead,. Seine Vorbilder waren u.a. Muddy Waters, der auch (in unterschiedlichen Nuancen) für den Meister B.B.King fungierte und für Stones-Frontman Mick Jagger sogar als ausschlaggebend für seinen musikalischen Horizont war. Inzwischen kann Robert Cray 40 Jahre Karriere und 5 Grammys für sich verbuchen. Auf der Bühne der Passionskirche machte er einen sehr bodenständigen und sympathischen Eindruck; Ganz nach dem Geschmack der Menschen dieser Stadt.
Auf dem prestigereichen Montreux Jazz Festival, direkt am Genfer See in der Schweiz war er nicht selten bei den legendären Jam-Sessions mit Größen wie B.B. King, Erick Clapton, Neil Young, die bis zu den Morgenstunden gingen.
Kultur-im-Kiez
Welch ein Privileg ist es, mit dem Fahrrad gerade mal 10 Minuten (inkl. Anschließen) zum Konzert fahren zu können!!
Der Einlass und das Organisatorische regelte das Konzert-Büro Zahlmann souverän und sympathisch zugleich.
Punkt um 20 Uhr wurden die Lichter in der Passionskirche gedämpft, eine kurze Ansage zum leidigen Thema Handy wurde durchgegeben und prompt öffnete sich die Tür zum Backstage. Im Akkord tauchten die Musiker auf und begaben sich zu ihren Arbeitsplätzen. Der weiße ältere Mann und mit einem europäischen Nachnamen nahm an der Orgel Platz.
Der Schlagzeuger, mit dem obligatorischen schwarzen Hut am Schlagzeug-Set (sehr ergiebig aufgebaut), der Bassist mit lackierten Nägel an den Zehen und Flipflops, unterstrich den veritablen ersten Sommertag, den wir hier fürs Protokoll mit notieren: Es war der 30. Mai des Jahres 2023 in Berlin.
Während draußen die Sonne noch auf volle Pulle schien, begann das Quartett das 90. Minütiges Konzert. Das Jesus auf dem Kreuz direkt hinterm Schlagzeuger hingt ist aus meiner Sicht schon schräg, als störend scheint es niemand befunden zu haben. Zuerst wurden die weniger bekannten Hits vorgespielt und zum Schluss allerdings noch vor der Zugabe und passend zur Location, Das Wort zum Sonntag: „You Must Believe Yourself!“ (Du musst an Dir glauben).
Als der letzte Song mit einem atemberaubenden Gitarren-Solo zu Ende ging, stand ein Mann direkt vor der Bühne, obwohl der Sänger noch drauf war und den warmen wie kräftigen Applaus noch entgegen nahm, machte er mit Michel ein Selfie. Geltungsdrang an der falschen Stelle. Nachdem Robert Cray strahlend, mit seinen Musikern in Richtung Backstage schlenderte und schließlich verschwand, begann der Kampf um die Set-List und um die Plektrums der Gitarre und Bass.
Der Bassist war ziemlich schnell draußen mit einigen weibliche Deutsche Fans. Gemeinsam haben sie der Lungenschmacht (Rauchen) einem Ende gesetzt. Der Tag war noch hell, die Lufttemperatur wesentlich angenehmer und der Bergmann-Kiez lud zum gastronomischen Teil des Abends, bei dem ausführlich das Konzert rezensiert wurde.
Von Berlin-Kreuzberg düste das Robert-Cray-Quartett in die Hansestadt Hamburg, dann später in das „Scala“ in der Weltstadt Leverkusen. Bremen ist die letzte Station in Germany. Von dort aus geht es nach England. Die Tour geht bis Ende September. Abschluss (Stand jetzt) ist in Columbia, Bundesstaat Missouri.
In der ersten und zweiten Reihe in der Passionskirche ist schon Minuten vor dem Konzert eine Diskussion entbrannt, wie alt er nun sei. Diese Diskussion fand nach dem Ende des Konzerts ihren Höhepunkt.
Ein Pärchen, bei dem der Mann eher der Fan war, sprach noch länger mit mir nach dem Konzert. „Mein Mann meinte er sei um die 60“. Ich schätze ihn um die 65“ erwiderte ich. „Morgen wird uns Mr. Google die Antwort liefern“ sagte sie und brachte mit dem Totenschlag-Argument die Diskussion zu einem Ende. Keiner der Personen, weder in der ersten noch in der zweiten Reihe hatte Recht behalten. Der Mann aus dem Bundesstaat Georgia wird am 01. August 70 Jahre. Seine Stimme ist aber wie eh und je: mal sanft, mal melodisch und allemal kraftvoll.
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