Die kleine Stadt Locarno liegt im Schweizer Kanton Tessin. Sie ist jedes Jahr im August Schauplatz von Kinokultur unter freiem Himmel. Diese Stadt wird zu einer Filmkulisse für Kino-Besessene, die im Sommer aus ganz Europa anreisen. Unsere Berlinale war der Höhepunkt des Kulturkalenders im Winter. Ach, das war ein Genuss, dieses Ritual durch Wind und Wetter, um an den vollkommen gesperrten Potsdamer Platz zu gelangen…
An der Kinokultur teiltzunehmen, ist ein unverzichbares Ritual. Aber dieses Jahr, wie wir wissen, ist alles anders. Die gesamte Kulturbranche, auch die Berlinale, musste reagieren, sich neu erfinden und flexibel sein.
Eine glückliche Lösung
Pandemiebediengt wurde das Festival in zwei Stufen geteilt (Der Blog hatte berichtet). Im März fand der 1. Teil statt, der der Filmindustrie gewidmet war. Jetzt heißt es, Summer Special. Das Publikumsfestival Par Excellence tut seinem Ruf alle Ehren. Noch nie war das Festival rein unter demographischen Gesichtspunkten so ausgeglichen vertreten und für alle zugänglich wie jetzt. Zugegeben ist die Ausgabe 2021 aus der Not entstanden, aber die hohen Erwartungen an das neue Format sind mehr als gerechtfertigt. Die Stadt, sonst als Filmkulisse sehr beliebt, wird ab dem 09. Juni jeden Abend das Szenario für das Festival sein.
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©Berlinale
16 Freiluftkinos bietet das Festival an. Einige davon sind extra für die Ausgabe 2021 ins Leben gerufen worden. Wie zum Beispiel das Freiluftkino Museumsinsel, extra für Summer Special geschaffen und fungiert während der Festivaltage als Hauptlocation.
Die Filmauswahl fällt geringer, aber nicht schlechter aus. Im Wettbewerb sind 15 Werke vertreten, darunter das Regiedebüt von Schauspieler Daniel Brühl. Und überhaupt: Der deutsche Film ist im gesamten Programm stark vertreten. Die beliebte Sektion „Retrospektive“ fällt in diesem Jahr aus. Die vorhandenen technischen Gegebenheiten im Open-Air Format sind nicht mit der Bespielung von 35mm Filmkopien zu vereinbaren. Die Festivalleitung garantiert „ein ganz besonderes und gemeinsames Festivalerlebnis“. Dafür stehen die Chancen gut.
Auch die sehr beliebten Kiezkinos* sind nicht „nur“ weiterhin dabei. Sie werden den Bestimmungen angepasst und sind auch, unter freiem Himmel zu erleben. Den Kiezen wird der Glamour gebracht. Hier erhält die Kombination Lokal & Global eine spannende Bedeutung. Nachbar*innen trefffen sich und feiern die Filmkunst, direkt vor der Haustür. Welch ein Genuss!
Nostalgie
Die Ausgabe 2021 ist außergewöhnlich, auch weil es an die Anfänge der Berlinale erinnert. Bis 1977 fand das Filmereignis in West-Berlin, während des Sommers statt. Es gab auch eine Zeit, als die Berlinale die Ausgezeichneten bei einer Pressekonferenz im InterConti am Sonntagvormittag bekannt gab (zu dem Zeitpunkt gab es den beliebten Belinale Kinotag noch nicht). Die Glücklichen konnten erst bei der abendlichen Gala die Bären in Empfang nehmen. Allerdings fehlte das Lampenfieber und damit die nötige Spannung.
Bei der Berlinale Summer Special sind mehrere Filme keine Neuheit mehr. Wir wissen bereits welcher Film den Goldenen Bären geschnappt hatte: der rumänische Film „Bad Luck Banging or Loony Porn„, aber die Werke müssen unters Volk gebracht werden. Schließlich ist die Kinovorführung (und auch noch vor einer riesen Leinwand) ein guter Anlass dazu.
Es geht los !
Zum jetzigen Zeitpunkt bei einem sehr niedrigen Inzidenzwert in Berlin können die Künslter*innen die Reise aus nah- und fern antreten, um am 13.06. im Freiluftkino auf der Museumsinsel bei der Preisverleihung zu sein und um sich als auch die Filmkunst feiern zu lassen.
Der Ticketverkauf beginnt am 03. Juni. Ursprünglich war dieser für den 27.05. terminiert, aber laut Mitteilung, gäbe es „geänderte Kapazitäten“, die an das Buchungssystem angepasst werden müssten.
Das Bangen und Hoffen, sonst erlebbar in den über die Berliner Grenzen hinaus berühmten Schlangen im Postdamer Platz Arkaden, werden dieses Jahr vor den Bildschirm versetzt. Das gesamte Kontingent besteht aus 66.000 Karten. Zum Vergleich: In der Ausgabe 2020 waren es 330.000.
Der Preis für Filme im Wettbewerb um die Bären-Auszeichnungen kostet zwischen 13 und 15 Euro.
Hier geht es zu den Tickets:
https://www.berlinale.de/de/programm/ticket-info.html
Konform mit den Bestimmungen des Landes Berlin, haben die Organisator*innen ein umfangreiches Schutz- und Hygienerahmenkonzept ausgearbeitet, die für alle Besucher*innen und Gäste gilt.
https://www.berlinale.de/de/service/hygienerahmenkonzept.html
Film-Tipps /Sektionsübergreiffend
Wettbewerb
1. Nebenan
Not to miss ist das Regiedebüt von Daniel Brühl. Der Schauspieler und jetzt Regisseur hat der Berlinale viel zu verdanken, denn bei der Premiere von „Goodbye Lenin“ im Jahr 2013 erlangte er Weltruhm.
„Nebenan“ hat schon die Bezeichnung „Eckkneipen-Kammerspiel“ von der Fachpresse bekommen. In diesem Film sticht die Stadt Berlin mit allen ihrer Macken, mit ihrem Charme und ihrer Einzigartigkeit hervor. Daniel Brühl wollte es richtig wissen und übernahm gleichzeitig die Regie und die Hauptrolle. Auch bei der Auswahl seines „Gegenspielers“ bewegt sich der frischgebackene Regisseur auf höchsten Level. Niemand weniger als Peter Kurth, in der Rolle des Bruno, ist sein Gegenspieler. Kurth ist ein Berliner Urgestein durch und durch. Diesen erlebte ich einmal in einem BVG-Bus. Er saß ganz vorne auf diesem Einzelsitz und plauderte die ganze Zeit mit dem Busfahrer, frei von der Leber weg und wie jeder Urberliner sehr bodenständig.
Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern, insbesondere bei der Szene am Tresen einer Kneipe im Bezirk Prenzlauer Berg, ist ein unwiderstehliches Wiedererkennungsgefühl. (-> Trailer)
2. Fabian oder Der Gang vor die Hunde
Tom Schilling gehört, ohne jeden Zweifel, zu der Crème de la Crème der deutschen Schauspielkunst. Auf der Berlinale ist er in dem Film vom Meister Dominik Graf (der gelegentlich auch bei Tatort und Polizeiruf Regie führt) zu bewundern, hat zusammen mit Constantin Lieb das Drehbuch geschrieben, frei nach dem gleichnamigen Roman von Erich Kästner. Auch die bezaubernde Meret Becker gehört zum Cast.
In dem Wettbewerbsbeitrag entführt uns Jakob Fabin ins Berlin aus dem Jahr 1931 und in sein zerrissenes Leben zwischen Träumen, Frust und auf den „Sieg der Anständigkeit“ wartend. (-> Trailer)
Panorama
1. Dirty Feathers
Von Carlos Alfonso Corral. In der mexikanisch-amerikanischen Koproduktion (Dokumentarfilm) werden Menschen ohne Obdach in ihrem Alttag begleitet. Eine Zitterpartie zwischen Glauben, Kampf und Hoffnung.
©Pedro J. Márquez
2. A Última Floresta (The Last Forest)
Das indigene Leben erfährt besondere Bedrohung im Amazonas-Regenwald durch die jetzige brasilianische Regierung. Ohne den Zeigefinger und ohne den Belehrungswillen porträtiert der Regisseur Luiz Bolognesi exemplarisch die Bedrohung der indigenen Gemeinschaft der Yanomami.*
Berlinale Special
Das Festival behält die Tradition einer musikalischen Säule im Programm. So ist es auch im Jahr 2021 mit „Tina“, das Ausnahmetalent, die Front-Woman auf der Bühne. Die Regisseure schafften ein sehr persönliches Porträt einer unvergesslichen Stimme. Ein Must See!!!
Freiluftkino Museumsinsel
Ort: Bodestraße 1-3, 10178 Berlin
Freiluftkino Friedrichshain
Ort: Volkspark Friedrichshain, 10249 Berlin
Freiluftkino Rehberge
Ort: Volkspark Rehberge, 13351 Berlin
Freiluftkino Kreuzberg
Ort: Hof des Kunstquartier Bethanien am Mariannenplatz, Zugang über Adalbertstraße, 10997 Berlin
Freiluftkino Hasenheide
Ort: Volkspark Hasenheide, 10967 Berlin
ARTE Sommerkino Kulturforum
Ort: Matthäikirchplatz 4/6, 10785 Berlin
ARTE Sommerkino Schloss Charlottenburg
Ort: Spandauer Damm 10-22, 14059 Berlin
Open Air Kino HKW
Ort: John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin
silent green
Ort: Gerichtstraße 35, 13347 Berlin
*Die Open Air-Vorführungen finden auch in folgenden Kiez-Kinos statt:
Atelier Gardens Freiluftkino @ BUFA
Ort: Oberlandstraße 26-35, 12099 Berlin
Freilichtbühne Weißensee
Ort: Große Seestraße 10, 13086 Berlin
Freiluftkino Biesdorfer Parkbühne
Ort: Schlosspark Biesdorf, Nordpromenade 5, 12683 Berlin
Freiluftkino Friedrichshagen
Ort: Hinter dem Kurpark 13, 12587 Berlin
Freiluftkino Pompeji
Ort: Laskerstraße 5, 10245 Berlin
Freiluftkino vom Filmrauschpalast
Ort: Lehrter Str. 35, 10557 Berlin
Frischluftkino@Studentendorf
Ort: Wasgenstraße 75, 14129 Berlin
Yanomami
Das Volk der Yanomami, Yanomama oder Yanomamö lebt im venezolanisch-brasilianischen Grenzgebiet an der 1500 Meter hohen Serra Parima, zwischen den Flüssen Orinoco und Amazonas. Die rund 35.000 Yanomami bilden die größte indigene Volksgruppe im Amazonas-Gebiet. Seit dem Eindringen von Weißen in den 1970er Jahren sind ihre dortigen Lebensgrundlagen gefährdet