BERLIN und die USA

…. hatten immer ein ganz besonderes Verhältnis zueinander. Und jetzt meine ich nicht den Kennedy-Spruch „Ish bin ein Bearleener“ – das war ja erst 1963.

Alle älteren Berliner (ich also auch) haben Amerika spätestens seit 1949 nicht mehr als Besatzungsmacht, sondern als Schutzmacht empfunden – als sie dem stalinistischen Schwitzkasten die Luftbrücke entgegensetzten. Jeder Berliner weiß deshalb, was unter einem Rosinenbomber oder unter der Hungerharke zu verstehen ist.

So haben wir die „Amis“ wahrgenommen …

(Tatsächlich gab es schon die erste Amerika-Verehrung vor ziemlich 100 Jahren, als der Zusammenschluss der selbständigen Einzelstädte um das alte Stadtzentrum das heutige (Groß-) Berlin bildete und sich die Berliner wie in New York vorkamen. Berlin war damals nach London und New York die drittgrößte Stadt der Welt. (Lange her …)

Zurück zur Nachkriegszeit

Im Anschluss an die Luftbrücke wurde den (tapferen !) Berlinern von den USA eine Glocke gespendet, mit dem ein feierliches Gelöbnis zur individuellen Freiheit jedes Einzelnen verbunden war.

Diese Freiheitsglocke wurde im Turm des Rathauses Schöneberg aufgehängt und läutete seitdem (fast) regelmäßig um 12 Uhr Mittags, während im Radio (Deutschlandradio Kultur, früher RIAS Berlin) der Text verlesen wurde. (Den Jüngeren zur Erklärung: Das Rathaus Schöneberg war in den Zeiten der Teilung das Ausweichrathaus des Abgeordnetenhauses von West-Berlin, nachdem die westlichen Delegierten 1949 aus dem Roten Rathaus unter Protest ausgezogen sind)

Diesen Text haben wir „alten“ Berliner sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen, er stellt für viele Menschen meines Jahrgangs das amerikanische Grundverständnis eines Rechtstaats dar, ja sogar die Väter (und Mütter) des Grundgesetzes haben sich stark an diesen amerikanischen Idealen orientiert.

Hier der Wortlaut : (oben mit Glockenschlag)

„Ich glaube an die Unantastbarkeit und an die Würde jedes einzelnen Menschen. Ich glaube, dass allen Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. Ich verspreche, jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten mögen.“

Das waren auch meine Ideale, einzig der Gottesbezug stört mich heute ein bisschen, wo dieser doch in der amerikanischen Verfassung explizit nicht auftaucht

Aber was sich derzeit in den USA abspielt, ist ein Hohn auf das, was sich die Gründer der USA und die Spender der Freiheitsglocke irgendwann einmal gedacht haben mögen.

Man achte auf das Datum!
Man achte auf das Datum!

Die pure Amerika-Verehrung hatte natürlich schon vorher (seit dem Vietnam-Debakel) einige Risse abbekommen, aber beim Abzug der amerikanischen Soldaten aus Berlin 1994 hatte ich schon einen Kloß im Hals, denn ich wusste nicht, ob sich das nun „Neue Deutschland“ seiner Verantwortung auch würde stellen könnte.

Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten dann war eine einzige bombastische Beleidigung für alle Freunde Amerikas. Und wenn man anfangs noch teilweise über seine Wort- und Körpersprache lachen konnte, stellt dieser Fehlgriff mittlerweile eine reale Gefahr für das Prinzip der repräsentativen Demokratie dar. Wie um Himmels willen kann man diesen Schwachkopf denn an die Leine legen?

Haben hier alle Sicherheitssysteme einer offenen Gesellschaft versagt?

Ich hatte Amerika anfangs immer bewundert: die Technik, die Literatur, die Musik, die Filme, die Ideen und die lockere Art der Kommunikation.

Aber spätestens durch diesen Präsidenten wird einem erst bewusst, dass all dieses auf tönernen Füßen steht, wenn man seine Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat: Raubbau an einem scheinbar leeren Kontinent, Unrechtsbewusstsein gegenüber Nichtweißen, arrogantes Sendungsbewusstsein im religiösen Mäntelchen.

Das tut einem alten AFN-Hörer, der heute noch die Fanfare vom Fahnenappell der Andrew-Barracks im Ohr hat, richtig weh und treibt einen zur Verzweiflung.

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Uralter Urberliner. Taxifahrer, Eisenbieger, Schneeschipper, Student, Wagenwäscher, Bananenverkäufer, Bauleiter, Ausbilder, Dozent, Hilfsarbeiter, Operator, Systemanalytiker, Autor, Stadtführer, SES-Experte, Seniorenfahrer, Berliner Schnauze, usw. usw. Ich glaub´, ich habe nichts vergessen . . . . . .

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2 comments

  1. Jehangir Khayam Amjad

    Großes Lob für diesen Artikel. Das stimmt die meisten älteren Berliner haben die USA als Schutzmacht empfunden. Besonders wegen der Berlin-Blockade 1948-1949. Der Artikel hat mich richtig gut eingestimmt heute. Danke! Toller Blog!

    • Danke für die Blumen !
      Leider ist meine Verzweiflung größer denn je, denn wenn man dem SPIEGEL dieser Woche folgt, ist das Wahlrecht in den USA genauso desolat wie die dortige Allgemeinbildung und die Fähigkeit zum politischen Kompromiss. Wenn immer mehr Demokratien in miltitante 50:50 Gesellschaften zerfallen (GB, PL, CZ, usw.) droht uns latente Unruhe, in der keine Zukunftsprobleme gelöst werden können.

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