Stummfilm-Konzerte der Superlative und der Vielseitigkeit (17.01. – 01.02.)

Für einige sind Stummfilme eine willkommene Gelegenheit im Sommer, an einem lauen Abend, unter freiem Himmel und in bester Gesellschaft versteht sich, Champagner zu trinken und, mit Blick auf die Spree, La Dolce Vita zu genießen.


Für andere, und das ist die überwiegende Zahl, sind Stummfilme der Reisepass für unzählige Reisen in die Vergangenheit mittels Juwelen der Weltkinematographie. Werke neu entdecken, ästhetisch anders wahrnehmen, ein zeitgeschichtliches Dokument anschauen und in eine andere Zeit eintauchen. Für jede Geschmacksrichtung ist etwas dabei. Dass diese Genre in Berlin länger Hochkonjunktur hat, ist kein Geheimnis mehr. Der Blog hatte ja berichtet, daher ist es auch kein Wunder;o) Deutschland ist Wegweiser in puncto Restaurierung und Konservierung vieler Werke, die der Nachwelt nicht vorenthalten werden sollten und viele Regisseure, die diese Meisterwerke erschaffen haben, stammen auch aus Deutschland.

Filmplakate
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Gleichlautendes Programm

Bei einigen Veranstaltern ist das Portfolio recht übersichtlich und teilweise gleich klingend, auch wenn sie Publikumserfolge verzeichnen können. Das ist die eine Herangehensweise, bei Stefan Graf von Bothmer ist das Portfolio ein ganz anderes. Seit 22 Jahren widmet er sich der Stummfilmkunst in all seinen Facetten, auch den filmhistorischen. Auch russische und amerikanische Filmwerke sind von seiner Neugierde, die Werke vielleicht anders musikalisch zu beschmücken, nicht ausgenommen. In einer vor kurzem versendeten Pressemitteilung heißt es:
Ich erlebe die Reaktionen des Publikums bei jedem der 100 Konzerte pro Jahr. Ganz direkt. Und jedes mal verändere ich etwas, probiere etwas Neues aus. Kann hier nicht auch gelacht werden? Kann diese Stelle intensiver oder glaubhafter werden? Was muss ich dazu verändern? In 100 Konzerten wird die Musik immer weiter verbessert und intensiviert. Werden die Filme immer weiter durchdrungen und auf die Gegenwart bezogen.“

Von Bothmer ist ein Virtuose auf dem Klavier. Sein Examen an der damaligen Hochschule der Künste Berlin (Heute Universität der Künste) absolvierte er mit der Bestnote 1,0, unter besonderer Erwähnung seiner herausragenden Leistung, wie es auf der Webseite heißt. Wer glaubt, dass der Mann mit dem adelig klingenden Namen sich in der Kunst des Klavierspielens zurücklehnt, irrt. Neben Berlin und Hamburg, studierte er auch in Freiburg an der dortigen Rock- und Jazzschule, schaute über den Tellerrand und befasste sich mit afrikanischen und asiatischen Klängen. Bei seinen ausgiebigen Touren in Deutschland, Europa und in der weiten Welt, gibt er Meisterkurse für Musikstudenten. Einen besseren Kulturbotschafter aus Germany findet man in der Gegenwart nicht.

In einem Exklusivinterview für den Blog fragte ich dem Virtuosen nach den unterschiedlichen Reaktionen des Publikums unterschiedlicher kultureller Backgrounds, er antwortete: „Ehrlich gesagt, reagieren die Menschen überall gleich. Ich war in Afrika in Uganda, auf den Philippinen, in Sibirien, und in Kolumbien –  um mal nur einige Länder herauszugreifen. Die Menschen lachen an den selben Stellen und weinen an den selben Stellen. Wobei ich schon den Eindruck habe, dass die Menschen in Südamerika ihre Emotionen mehr zeigen. Nach ernsten Filmen haben viele Leute wirklich geweint. Das sieht man, wenn sie nach dem Konzert für Selfies zu mir kommen. Die Europäer weinen mehr innerlich, zeigen es aber nicht so öffentlich. Wobei das bei meinen Konzerten auch vorkommt.“

Adelig und neugierig

Der adelige Name täuscht, denn Stefan ist ein bodenständiger Mensch und zugänglich im persönlichen Kontakt. Als Künstler ist er aber ein unruhiger Geist, ja ein Unruhestifter, immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten für die Werke. Mit seinem Festival „Stummfilmkonzert“ zum Beispiel, bestehend seit 22 Jahren, hat er schon mehr als 200.000 Zuschauer begeistert. Sogar die New York Times findet nur Lob für den Berliner.

Frau im Mond im Planetarium

Im Dezember 2019 gastierte der Musiker im Planetarium im Bezirk Prenzlauer Berg. Es war ein winterlicher Samstag und der Saal hätte sicherlich voller sein können. Vor allem aber, der Mitarbeiterin an dem Mischpult hatte es an Fingerspitzengefühl gefehlt.

Dem Graf fiel bei seiner Anmoderation zum Film auf, dass ihn ein Teil des Publikum durch das große Rohr mitten im Raum, verborgen sein würde. Das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, den Besuchern vorzuschlagen, auf die (leeren) vorderen Plätze umzuziehen, nah der Bühne und dem Künstler. Die Atmosphäre im Raum wäre um einiges besser gewesen. Zu schade!

Alles auf Anfang

Am 17. und 18. Januar beginnt das Stummfilm Festival mit der neuen Inszenierung des Film-Klassikers „Nosferatu – Symphonie des Grauens“ vom Meister Friedrich W. von Murnau, aus dem Jahr 1922. Eine wunderbare wie unheimliche Reise ins Unbewusste, ins Land der eigenen Ängste und verborgenen Wünsche.

Die Location dafür könnte nicht besser prädestiniert sein: Theater im Delphi, Gustav-Adolf-Straße 2 13086 Berlin-Weißensee. Das Delphi wurde als Stummfilmkino 1929 eröffnet, zu einer Zeit als viele internationale Produktionsfirmen im Bezirk Weißensee etabliert waren. Seinen über die Zeit erhaltenen morbiden Charme hat das Kino mitnichten verloren und dürfte damit die perfekte Bühne für den Kult-Klassiker sein.

Die Performance des Schauspielers Max Schrecks, zusammen mit der Virtuosität und Experimentierfreudigkeit des Maestro Bothmer und nicht zuletzt das Szenario (Ein Käfig!), in der die Sopranistin Fanny Rennett auftreten wird, runden die Voraussetzungen für einen Abend des puren Genusses der Stummfilmkunst ab.

Live-Filmmusik-Orchester:

Fanny Rennert (Sopran)
Kristoff Becker (Cello)
Stephan v. Bothmer (Klavier, Komposition, Leitung)
Florian Goltz (Perkussion)
Chor: Silent Voices

Nicht nur bei dem Filmklassiker lässt sich von Bothmer etwas einfallen. Das Repertoire das Festivals geht über Songs von Pink Floyd („Wish you Were here“) und Jean-Michel Jarre, den französischen Multiinstrumentalisten der 80er Jahre.

Zwischen dem 1. und 2. Teil des Festivals geht es um eine Einzelperformance am Klavier nach Lübars mit „Stan & Olli“. Die Show zum Gesundlachen.

Der zweite Teil des Festivals 25./25.01.findet in der Zwölf-Apostel-Kirche statt und hat neben den Highlights „BERLIN. DIE SINFONIE DER GROSSSTADT“ und „BEN HUR“, neue Interpretationen großer Musiker und Bands.

Karten gewinnen!

Die ersten Zwei LeserInnen können jeweils 2 Karten für das Wochenende 24./25.01. gewinnen. Einfach eine Email an info@inberlin.de schicken. Einsendeschluss ist der 20.01.2020 18 Uhr. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Ansonsten kosten die Karten regulär zwischen 5,00 und 35,00 EUR. Aufgepasst! An der Abendkasse sind die Tickets um 5% teurer!

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About Fatima Lacerda

Kultur, Fußball, Musik sind meine Leidenschaften. Reiseberichte sind ein Genuss!

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One comment

  1. Thorsten Fentze-Wanderer

    danke für den Artikel, gefällt mir !

    Gruß

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