Gentrifizierung, Kiezerhalt, Mieterschutz und ein Wolf im Schafspelz

In vielen Bezirken Berlins macht sich die Gentrifizierung immer stärker bemerkbar. Der Kiez wird von seinen Alteeingesessenen verlassen, weil die beliebte Ecke als Luxusgegend deklariert wird. Spekulanten suchen attraktive Gegenden. Dabei sind die sog. Alternativbezirke, bekannt für ihre „Subkultur“ und „Alternativen Lebensformen“, besonders reizvoll. Wer in Prenzlauer Berg oder Mitte wohnt, kann Lieder davon singen. Aber auch aktuell ist viel Bewegung bei Facebook und in den Netzwerken, sogar ein ehemaliger Baywatch-Star setzt sich dafür ein, dass der Immobilien-Wahnsinn entlang des ehemaligen Todesstreifens direkt an der Spree aufhört.

Demo zur Rettung der East-Side-Gallery

Als Unterstüzung für das Bündnis „East Side Gallery retten“ wendete sich der ehemalige Baywatcher per Videobotschaft an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit dem Appell „Baut keine Gebäude mehr an der Berliner Mauer!“ Hasselhoff und rund 40.000 Berliner und Unterstützer von Anderswo, die bereits eine Petition bei Change.org unterschrieben haben, sind gegen ein Betonmonster von 120 m Länge und neun Stockwerken an der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West. Hier sehen wir, wieder mal, die Spekulanten am Werk für den Bau von Prestigeobjekten, die teilweise nur als Geldanlage fungieren und leer stehen, wie der hässliche Wohnturm mit 14 Etagen, der eine umstrittene Sechs-Meter-Lücke für die Zufahrt duch die Mauer notwendig machte und damals für viel Furore sorgte. Und siehe da! Die hässliche Lücke ist – gegen die Vereinbarung – noch immer offen, und die Spekulation im Zusammenhang mit weiteren umstrittenen Bauten, löscht immer mehr den Mahnmal-Charakter eines eisernen Vorgangs aus, der für 28 Jahre die Welt teilte.

Mein Kiez

An der Ecke mit der Großbeerenstraße/Hagelberger Strasse , zum Beispiel, gibt es ein kleines Café neben einem Zeitungskiosk. Neulich, im Gespräch mit der Cafébesitzerin, bei der ich den Zitronenkuchen, den es dort zu genießen gibt und das niedliche Café über den grünen Klee lobte, hat sie ihr Leid geklagt: „Ich muss sehr kämpfen!„. Die Konkurrenz sei groß, insbesondere in der Touristenmeile Bergmannstraße, wo der Service sich in den letzten Jahren kolossal verschlechtert habe. Man rechne mit Laufkundschaft und vernachlässige die Kiezbewohner (ehemals Stammkunden), jedenfalls die, „die noch übrig geblieben sind“, hieß es noch.

Nein zur Schikane!

In ganz Berlin, aber mit besonderer Härte in den Bezirken Kreuzberg und Prenzlauer Berg, sind Immobilienhaie an der Mache. Manche Eigentümer präsentieren sich nach außen als bloße Verwalter der Immobilien, die ihnen aber selbst angehören. Wenn diese „Hausverwaltungen“ andere Häuser übernehmen, vernachlässigen sie die klassischen Aufgaben einer Hausverwaltung. Sie haben nur ein Auge für ungewollte Modernisierungsmaßnahmen, (die von billigen Arbeitskräften durchgeeführt werden ) um die Miete hochzuschrauben und mittelfristig einen Mieterwechsel zu bewirken.

Anstatt auf eine ökonomische Müllentsorgung, Stromversorgung und Heizung zu achten, um unnötige Kosten für die Mieter zu vermeiden und die Umwelt zu schonen, lassen sie sich Schnapsideen einfallen wie Dreifach-Verglasung, und das in einem Objekt, in dem die Mieter ohnehin mit hohen Betriebskostenrückzahlungen rechnen können. In einem solchen Haus sind angeblich energiesparende Maßnahmen fadenscheinige Argumente für Modernisierungen. Für die aus Sicht der Spekulanten „kleinen Sachen“ wie die Instandsetzung geringer Schäden sind weder Zeit noch Geld vorhanden, die Verwaltungen interessieren sich nur für große Sachen.

 

Indizien

Am Schwarzen Brett im Eingang des Mehrparteienhauses, in dem meine Wohnung liegt, hängt nicht einmal ein Infoblatt mit Kontaktnummern für Havariefälle. Als ich eine regelrechte Mata Hari, die in der sog. Hausverwaltung das Vorzimmer schmeißt, fragte, warum seit Monaten am Schwarzen Brett nichts hänge, schaute sie mich an, als hätte ich etwas Absurdes gefragt. Mit zynischem Blick erwiderte sie „Das ist nicht unser Still. Außerdem werden die Mieter schon ihre Firmen haben“. Selten sehe ich mich in Situation, in denen es mir die Sprache verschlägt. So eine groteske und realitätsfremde Antwort ist mir noch nicht zu Ohren gekommen. Das hat Seltenheitswert, selbst für Beliner Verhältnisse! Sollen die Mieter bei Wasserrohrbrüchen oder Heizungsausfällen die Gelben Seiten hervorkramen und entsprechende Unternehmen selbst beauftragen? Und wer zahlt die Zeche? Solche Unklarheiten sind ein Indiz für die Entkoppelung von den eigentlichen Aufgaben einer Hausverwaltung.

Mieterschutz, quo vadis?

Mehr denn je zeigt sich die Notwendigkeit einer Mietrechtsschutzversicherung. Aus eigener Erfahrung kann ich weder die Berliner Mietergemeinschaft noch den Berliner Mieterverein empfehlen.

Berliner Mietergemeinschaft

In der Hauptgeschäftsstelle, Möckernstraße in Kreuzberg 61, bietet die Berliner Mietergemeinschaft am Mittwoch nachmittags Beratungen an. Meine Zeit als Mitglied liegt sehr lange zurück, aber nichts hat sich seitdem geändert. Der Raum in dem die Beratung stattfindet, ist umrundet von Kartoons, Ordner, man sitzt an einem Tisch mit anderen Klienten und deren Anwälten – alles inclusive Geräuschkulisse. Privatsphäre ist hier ein Fremdwort.

Eventuell nötigen Briefverkehr mit der Gegenseite, sprich der Hausverwaltung, darf man selbst formulieren, schließlich steckt in jedem ein Fachanwalt für Mietrecht, oder wie? Wer Glück hat, bekommt ein paar Stichwörter, damit es schön juristisch klingt. Manchmal scheinen geschraubte Phrasen auszureichen, um Vermieter zur Vernunft zu bringen, aber verlassen kann man sich nicht darauf. Rechtsanwälte gibt es nur im Falle einer Klage und zwar wenn der Mieter verklagt wird.

Berliner Mieterverein

Dieser Verein mit Hauptgeschäftsstelle in der Spichernstraße ist an Bürokratie nicht zu überbieten!

Hier wird man kostengünstig Mitglied, darf aber keinen robusten Rechtsschutz erwarten. Zu begrüßen ist zwar, dass die Rechtsberatung abends ohne Termin in mehreren Geschäftsstellen stattfindet, aber für alles andere benötigt man viel Geduld. Wenn sich Schriftverkehr mit dem Vermieter bzw. dessen Anwalt als notwendig herausstellt, geht die Odyssee erst richtig los: Man wird zur Hauptgeschäftsstelle in der Spichernstraße an die Sachbearbeiterin „überwiesen“, die das Schreiben formulieren wird. Das kann bis zu drei Wochen dauern, ehe der Brief vorliegt. Bei Fristsachen, wenn die Zeit gegen Dich läuft, kannst Du einpacken!

Bevor das Schreiben einen erreicht (nachdem man die Vollmacht unterschrieben hat, dass der Verein die Interesse gegenüber dem Vermieter vertreten darf), müssen unzählige Mails und gescannte Belege an die Sacharbeiterin geschickt werden.

Die telefonische Sprechstunde montags bis donnerstags von 11 bis 12 Uhr ist Makulatur. Es ist einfacher, die Bundeskanzlerin auf dem Handy während der Sommerferien in Meck-Pomm für einen Plausch über Gott und die Welt zu erreichen, als die zuständige Mitarbeiterin beim Mieterverein. Klar kann man darum bitten, zurückgerufen zu werden. Wann das allerdings sein wird, sagt keiner. Bei jedem Anruf in der Zentrale wird man nach der Mitgliedsnummer gefragt, auch wenn man bloß fragen will, ob die Sachbearbeiterin wieder genesen sei und die Sprechstunde an dem Tag stattfinden könne. Wie oft bin ich bei einer kleinen Auskunft in einen bürokratischen Sumpf geraten! Die dabei verloren gegangene Zeit steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Hier wird – so meine Erfahrung- die Politik betrieben, Kundschaft von einer Klage abzuhalten. Mir wurde zu oft geraten, dem Vermieter gegenüber klein beizugeben. „Machen Sie sich nicht so einen Stress„, hieß es. Rechtsschutz sieht für mich ganz anders aus! Sicherlich müssen Mieter vor einer unnötigen und unbegründeten Zuspitzung gewarnt werden, um keine Kündigung zu riskieren. Das heißt aber nicht, dass sie dazu ermutigt werden sollen, sich vertragswidriges Handeln und offensichtliche Schikanen gefallen zu lassen, weil man beim Versicherungsgeber eine gute Jahresbilanz in Sache Schadensmeldung, vorlegen möchte.

Die telefonische Beratung beim Berliner Mieterverein ist kostenlos. Aber da die Verbindungen oft an Partnerkanzleien weitergeleitet werden, kann es sein, dass man Anwälte erwischt, die gerade außer Atem am Straßenrand laufen, eben das Auto gerade geparkt haben oder im Supermarkt an der Kasse stehen. Genug Zeit, um den Sachverhalt ausführlich zu schildern? Fehlanzeige! Dazu kommt noch die zu oft schlechte Qualität der Verbindung.

Auch hier ist das Mitglied nicht davor sicher, in drei Beratungen von drei verschiedenen Anwälten drei verschiedene Meinungen zum selben Sachverhalt zu hören. Die Zeit am PC für das Formulieren von Mails und das Scannen der angeforderten Unterlagen für die Sachbearbeiterin ist ganz erheblich. Man sollte genau überlegen, bevor man sich für eine Mitgliedschaft beim BMV entscheidet, die übrigens mindestens 2 Jahre läuft.

Wichtig!

Es ist sehr wichtig, Hausverwaltungen und Eigentümer immer im Auge zu behalten. Manchmal lassen sich Gentrifizierungsabsichten schon an kleinen Maßnahmen erkennen. Dann ist schnelles Handeln angesagt: Andere Mieter ansprechen, sich austauschen, Fakten protokollieren und, wenn es geht, ein gemeinsames Vorgehen beschließen! Schon Asterix wusste: Zusammen sind wir stärker – besonders gegen Schafe im Wolfspelz.

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About Fatima Lacerda

Kultur, Fußball, Musik sind meine Leidenschaften. Reiseberichte sind ein Genuss!

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4 comments

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