Der Kulturzug nach Wroclaw hat für Bahn-, Kultur- und Polenfans eine gute und eine schlechte Nachricht, die gute hier zuerst: Es gibt (wieder) eine Direktverbindung mit der Bahn zur Kulturhauptstadt Europas, nach Breslau. Allerdings nur am Wochenende. Das war aber noch nicht die schlechte Nachricht, denn die kommt jetzt: der Fahrbetrieb wird von der Deutschen Bahn (DB) organisiert. Am 21.5. hatte ich also das zweifelhafte Vergnügen, dieses Angebot kennenzulernen, es folgt hier der Kurzbericht.
Jeweils am Sonnabend (=Samstag) und am Sonntag fährt morgens und abends ein Dieselzug nach Breslau und bereits bei der Planung muss man einige Wermutstropfen schlucken: Die früher mal 3 Std. schnelle Strecke benötigt heuer 4,5 Stunden, wer also nur einen Tagesausflug plant, sitzt insgesamt 9 Stunden in der Bahn. (Wenn alles gut geht !!) Immerhin hätte man am Samstag dann über 6 Stunden Aufenthalt, sonntags geht´s aber eher zurück nach nur 3 Stunden Aufenthalt – da würde sich dann wohl doch eher eine Übernachtung anbieten.
Und hier gehen dann schon gleich die organisatorischen Probleme los, denn die Bahn (DB) weiß nie, wie viel Passagiere sich für den einen oder anderen Zug entschieden haben – außerdem ist die Verbindung so billig, dass sie auch von anderen Reisenden genutzt wird. Also für die Bahn (DB) ist die Nachfrage eine stete Wundertüte, denn der als Regionalzug eingestufte Dieseltriebwagen hat keine Platzreservierung (wahrscheinlich Dienstordnung 4711/0815/ETC).
Aber auch für den Fahrgast gibt es Überraschungen, denn am 21.5. war statt der üblichen zwei Wagen nur einer verfügbar (warum auch immer), und so mussten sich dann über 200 Bahnkunden um die 140 Sitzplätze balgen. Bereits in Cottbus verließen dann auch einige entnervt das Kulturereignis. Ereignis insofern, dass es eigentlich im Zug ein kleines Kulturangebot (nicht von der Bahn organisiert!) geben sollte: Autorenlesung, kleiner Sprachkurs und Diskussionen. Letztere drehten sich dann allerdings ausschließlich um Pleiten, Pech und Pannen der Deutschen Bahn (DB), denn in einer Sardinendose (s. Foto) kann man keine Lesungen veranstalten, auch der Getränkewagen kam nicht durch. Da war dann die verspätetet Ankunft (wegen eines Toiletten-Stopps) schon fast das geringste Übel.
Fazit:
- Liebe Berliner, fahrt nach Breslau, die Stadt ist es wert – und wer keine Nerven hat, sollte die Deutsche Bahn (DB) meiden.
- Liebes Bahnmanagement (DB) : Für den grenzüberschreitenden Verkehr solltet ihr endlich mal etwas Geld in die Hand nehmen. Die Trasse ist unter aller Sau, und dass ab Grenze wegen unterschiedlicher Normen immer noch unterschiedliche Züge fahren müssen, passt doch wohl nicht im enferntesten zu den vollmundigen Europa-Beteuerungen.
- Liebe Fahrdienstleiter : Es empfielt sich, in Rufweite immer eine kleine Reserve von Waggons bereit zu halten. Und es empfielt sich, bei Sonderzügen Platzkarten einzuführen !
- Und die Empfehlungen an Herrn Dobrindt und Herrn Pofalla behalte ich hier lieber für mich, der Fall Böhmermann ist mir eine Warnung.
Genau so war es. Breslau ist immer eine Reise wert, aber nicht nur am Wochenenden und für mahr als einen Tag hin und zurück mit der DB. Da sollte die Bahn etwas mehr für Europa tun und an mehr Tage einen Zug fahren lassen. Meine Rückfahrt am Sonntag startete pünktlich um 16:30 Uhr und in meiner Wohnung kam ich dann am folgenden Tag kurz vor 0 Uhr 40 an. Diverse Umleitungen ab Cottbus und der Berliner S-Bahn-Schienenersatzverkehr ab Friedrichstr. machten es möglich. Pit Rulff
Die älteste RE Schrottmühle mit durchgerittenen, unbequemen Sitzen. Überfüllt und für den internationalen (Kultur-) Fernverkehr von fast 5 Stunden ein schlechter PR Witz (nach Warschau werden für 5 1/2 Stunden wenigsten EC Garnituren eingesetzt). Ich kann nur die EC/IC Verbindung über Poznan empfehlen (oder den schnelleren Bus). das ist zwar etwas teurer, man kommt sich aber nicht in diesen 9 Stunden hin und zurück wie ein geräderter Passagier ohne Reiseerlebnis vor!
Na angeblich hängt das von der „Kompatibilität“ der unterschiedlichen Bahnsysteme ab, und auf der Dieselstrecke kann man (scheinbar) nur diesen Zugtyp verwenden – weil jede nationale Bahngesellschaft ihre eigene Suppe kocht. So sieht Europa im Jahr 2016 aus – aber alle Politiker (auch die Verkehrsminister) verstehen sich (verbal) immer als überzeugte Europäer !
Ich finde es immer wieder erschreckend, wie viele Leute völlig frei von Kenntnissen über Technik und Finanzierung (Aufgabenträgerschaft) im Eisenbahnwesen, nicht nur ihre Meinung kundtun müssen, sondern auch mit Forderungen und Vorschlägen an die völlig falschen Adressaten glänzen.