Der Spionagetunnel im Alliierten-Museum

Wie schon angekündigt will ich hier ein besonderes Leckerli aus der Zeit des Kalten Kriegs vorstellen : Den Rest des Spionagetunnels von 1956.

Die lieben Neuberliner vergessen ja zuweilen, dass wir hier fast 50 Jahre auf einem Pulverfass gesessen haben in ständiger Angst, dass einer mit den Streichhölzern spielt. Das Interesse für den Checkpoint Charly zeigt aber, dass viele Touristen gerne diese historischen Stätten aufsuchen und sich dort auch entsprechend dramaturgisch fotografieren lassen. Weit weniger bekannt ist ein anderer Ort in Berlin, aber nicht minder aufregend : Die Stelle des Spionagetunnels von Rudow nach Alt-Glienicke.

Schönefelder Chaussee, östl.v. Friedhof
Schönefelder Chaussee, östl.v. Friedhof

Dieser harmlosen Straße sieht man nicht an, dass sich hier 1956 die Hölle abgespielt hat. Wir befinden uns im Kalten Krieg, und da sind wir auch schon mitten in der verrückten Welt der Spionage und Gegenspionage – James Bond ist da vergleichsweise harmlos dagegen. Eher an der Wahrheit ist John le Carré.

Um das Fundstück zu erklären, rollen wir die Historie einfach mal rückwärts auf :

1997 : Der Fund vom Rest des Spionagetunnels

Beim Bau der Stadtautobahn von Neukölln zur Dresdener Autobahn hat der Senat sich zweckmäßigerweise des Todesstreifens bedient – der war schon leer und entwidmet, wie praktisch. Da fand man nun die letzten sieben Meter einer metallenen Tunnelröhre, die seit 1954 da vergraben waren und sich direkt unter der weißen Linie befanden. Aufbereitet und mit Requisiten ausgestattet wird diese nun seit einigen Jahren im A. gezeigt. Der Hintergrund dazu ist ziemlich kompliziert.

1956 : Die Enttarnung des Spionagetunnels

durch die sowj. Streitkräfte in der DDR. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für die kommunistische Propaganda, die ja generell hinter jeder Panne im System eine Machenschaft des CIA vermutete. Mit etwas Verspätung ist dem Propagandaapparat aber erst klar geworden, dass der Schuss nach hinten losging, denn die Raffinesse und technische Machart wurde in West und auch in Ost bewundert.

1953 : Der Plan für den Bau eines Spionagetunnels

reifte eigentlich beim britischen Geheimdienst (MI 6), der die Idee dann an die Amerikaner weitergab, weil die beste Stelle dafür im amerikanischen Sektor Berlins war. Außerdem hatten die Amis wohl die entsprechenden Mittel, denn man befand sich mitten im Kalten Krieg und hatte permanente Angst vor dem sowjetischen Erstschlag mit Atombomben. 1954 wurde dann das Grundstück von einem Berliner gepachtet, und der Bau einer vermeintlichen Radaranlage wurde begonnen und war 1954 abgeschlossen, d.h. die Telefonleitungen unter der Schönefelder Chaussee wurden unterirdisch angezapft. Dort verliefen u.a. die Leitungen zwischen dem Sowj. Hauptquartier Karlshorst und der Garnison in Wünsdorf

der 7 m-Rest vom Spionagetunnel Berlin
der 7 m-Rest vom Spionagetunnel Berlin

Vorgeschichte : Operation Silver

war ein vorheriger Tunnel im viergeteilten Wien (sozusagen ein Prototyp), weshalb bei den Amis der Berliner Tunnel dann auch Operation Gold hieß.
Bis hier ist es aber noch eine übersichtliche Spionagegeschichte, die sogar in einem Spielfilm mit hochkarätiger Besetzung aus dem Jahr 1993 eine Rolle spielt. Aber keine Spionage-Story ohne den Geschmack des absoluten Irrsinns, denn

hier kommt die Pointe :

Der KGB wusste die ganze Zeit von der Existenz diese Tunnels !
Warum aber haben sich die Sowjets nun fast ein Jahr lang untätig abhören lassen ? Jetzt wird´s kompliziert : Im MI 6 (Ideengeber !) befand sich nämlich ein U-Boot namens George Blake, der die Russen unverzüglich informiert hatte. Hätte man gezeigt, dass man den Tunnel kannte, wäre wahrscheinlich irgendwann die undichte Stelle aufgeflogen. So musste man sich zähneknirschend 11 Monate abhören lassen und auf eine günstige Gelegenheit (Wassereinbruch – möglicherweise simuliert) zur Enttarnung warten. Der ganze Aufwand – damals 6,7 Mio $, inflationsbereinigt heute ca. 55 Mio $ – also irgendwie für die Katz.

Meine Mutmaßungen :

Zu den klassischen U-Booten im britischen Geheimdienst gehören eigentlich die sog. Cambridge-Five (Philby u.a.), die bereits 1933 als Studenten vom KGB angeworben wurden. Bis zu ihrer Enttarnung ( in Etappen ab 1951) gaben die sich als stramme Konservative, um ja nicht aufzufallen (so viel zu den Motiven von echten Hardlinern !).
Also Onkel Jo (=Stalin) hat schon in Zeiten tiefsten Friedens  😉  überall seine Finger drin gehabt, da war F.D. Roosevelt noch so naiv und wollte der UdSSR freiwillig Pläne von der Atombombe geben. Und nach dem Auffliegen der Cambridge-Five glaubte man wohl, die undichten Stellen gestopft zu haben. Aber Blake gehörte eben nicht dazu ! Der flüchtete übrigens 1964 über die DDR nach Moskau und verzehrt daselbst eine Leibrente.
Der Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke 1960 (ein anderes Thema) fand übrigens nur bei den Amis statt, also Abel gegen Powers. Zu der Zeit befand sich Blake in britischer Haft, die hätten den nie rausgegeben, denn auf Blakes Konto kamen ca. 42 im Ostblock hingerichtete Agenten.

Irgendwie sind die Geheimdienste das Geld nicht wert, dass sie verpulvern. MI 5 / MI 6 / SIS / CIA / NSA / BND / MAD / und wie sie alle heißen tun sich fürchterlich wichtig, während Jeder über Jeden eigentlich bis in letzte Detail Bescheid weiß – ich empfehle Auflösung !
Und noch was : Die Lage des Spionagetunnels war lange Zeit nicht ganz klar, in Alt-Glienicke fehlt jeglicher Hinweis. Auf dem Mauer-Radweg steht aber seit Kurzem Nähe Dankmarsteig eine Info-Säule – aber durch diesen Blog wissen Sie jetzt wesentlich mehr !

About Wolfkamp

Uralter Urberliner. Taxifahrer, Eisenbieger, Schneeschipper, Student, Wagenwäscher, Bananenverkäufer, Bauleiter, Ausbilder, Dozent, Hilfsarbeiter, Operator, Systemanalytiker, Autor, Stadtführer, SES-Experte, Seniorenfahrer, Berliner Schnauze, usw. usw. Ich glaub´, ich habe nichts vergessen . . . . . .

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