Das gibt es nicht mehr, ist eingeschmolzen worden und den alten Kommunisten eher peinlich, aber die Geschichte dazu ist doch ganz kurios – und bezeichnend für die Eitelkeit großer Diktatoren. Und außerdem gibt es in Berlin einen Ort, den man aus Anlass dieser Story besuchen und dort auch einen Kaffee trinken kann !Vorweg ein bisschen Basiswissen für Geschichtsmuffel : Josef Stalin starb erst 1953, und zwar im Bett. Er hieß auch ganz anders (als Georgier typischerweise irgendwas mit –willi hintendran), aber der Stählerne klang ja irgendwie viel besser !
Nach seinem Tod müssen sich vor dem Stalin-Denkmal in Ost-Berlin ähnliche Szenen abgespielt haben wie in Nord-Korea beim Tod des großen Kim Jong-Il. Das Neue Deutschland jammerte jedenfalls : „Das Herz des größten Menschen unserer Epoche, des Genossen J.W. STALIN hat aufgehört zu schlagen“. Und die Lobeshymnen von Johannes R.Becher möchte ich hier erst gar nicht wiedergeben.
Diktatoren sind eigentlich immer peinlich
Bezeichnend, dass die Stalin-Allee (heute teilw. Karl-Marx-Allee) eben schon seit 1949 so hieß, also noch zu Lebzeiten, und das Denkmal stand auch seit 1951. Deshalb konnte dann im März 1953 auch eine Trauerfeier vor dem Denkmal mit allem Pomp veranstaltet werden, in Ostberlin dauerte sie sogar länger als in Moskau (da waren die Nachfolgekämpfe schon ausgebrochen). Besonders bizarr wirkte auf Nachkriegsberliner (haben mir mehrere Zeitzeugen bestätigt !), dass der endlose Trauerzug am Denkmal vorbei – es gab ja arbeitsfrei ! – in den Nebenstraßen und Eckkneipen zu einer ausgelassenen Jubelfeier mutierte. (Das wäre doch mal ´ne Vorlage für einen neuen Film der Coen-Brüder, oder ?).
Historiker vermuten sogar hier einen Vorboten der Aufstände des 17. Juni 1953, die Initialzündung war dann allerdings etwas Anderes (s.u.).
Standort des Stalin-Denkmals war die Stalin-Allee zwischen Koppen- und Andreasstraße, heute befindet sich dort ein vertrockneter Springbrunnen mit drei Becken. Und warum?
Noch peinlicher sind die Claqueure von Diktatoren
Nachdem Nikita Chrustschow die Verbrechen Stalins in einer Geheimrede von 1956 erstmals offenbart hatte, begann man im Ostblock langsam aber sicher den obersten Generalissimus vom Sockel zu stürzen. Bei Walter Ulbricht hat das etwas länger gedauert, konkret bis zum Dezember 1961, also einige Monate nach dem Mauerbau. Logisch, dass der Abbruch des Stalin-Denkmals bei Nacht und Nebel und ohne jegliche Erklärung stattfand, auch die Straße wurde ruckartig umbenannt.
Ähnlich wie bei Stalin, der Pressefotos retuschieren ließ, wollte Ulbricht wohl auch „retuschieren“ und ordnete an, dass das Bronze-Denkmal eingeschmolzen werden sollte. Einige Figuren im Tierpark Friedrichsfelde haben also stalinistischen Hintergrund. Aber nun kommen wir zur Pointe : Die Arbeiter mit dem Vernichtungsauftrag ließen – womöglich unter ziemlichem Herzklopfen – zwei kleine Teile von Väterchen Stalin in der Tasche verschwinden – ein Ohr und eine Spitze vom Bart !
Stalins Ohr für 10,- Euro !
Welche verschlungenen Wege diese beiden Artefakte hinter sich haben, ist mir nicht bekannt, aber bekannt ist mir, wo man sie besichtigen kann : Im Café Sibylle in der Karl-Marx-Allee / Ecke Koppenstraße in einer Vitrine. Und um dieser Skurilität die Krone aufzusetzen, kann man von Stalins Ohr eine keramische Nachbildung für schlappe 10,- € erwerben – als Aschenbecher oder für Erdnüsse etc.
Die Tatsache, dass das Ohr über 10 cm lang ist, hängt wohl mit der Größe des Denkmals von ehemals 4,80 m zusammen. Im o.a. Café erfährt man daneben auch Einiges über die Geschichte der Stalin-Allee, des Wiederaufbaus, der Architektur und die Anfänge des Volksaufstandes von 1953, denn es waren vor allem die Maurer des Wiederaufbauprogramms, die von der Normenerhöhung durch die SED (entsprächen ja eher einer Lohnsenkung) so empört waren. Der Straußberger Platz um die Ecke war ja dann auch der Ausgangspunkt der ersten Protestzüge. Aber das ist ein anderes Thema ……
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