An diesem Mittwoch (27.11.) werden die Pforten des legendären Kinos Zoo Palast wieder eröffnet. Seit dem 29. Dezember 2010 geschlossen, verschwand das geschichtsträchtige Haus aus dem Kulturkalender der Stadt und machte sich erst wieder bemerkbar, als es wieder mal hieß: Die Eröffnung verzögert sich. Aha. Das kennen wir. Berlin wäre nicht Berlin, wenn die Stadt als Bauherr nicht teurer und immer später bauen würde als ursprünglich geplant und gerechnet. Das galt für die Eröffnung des Waldorf-Astoria Hotels, es gilt noch immer für die Deutsche Oper, für die Eröffnung des Bikini Hauses und selbstverständlich für den Großflughafen Schönefeld.
Geplant war auch, dass bereits Anfang 2013 das Kino wieder die Sektion Generation der Berlinale beherbergt. Daraus wurde nix. Schwamm drüber! Aber jetzt ist es endlich soweit! Mit 800 geladenen Gästen wird ein Prachtstück lebendiger und nicht weniger glamouröser Berliner Geschichte wieder ins Stadtbild vergegenwärtigt, noch besser, den BerlinerInnen wieder gegeben. Dies hat Berlin einem visionären Mann zu verdanken: Dem Gründer und ehemaligem Vorstand der Cinemaxx Kinokette, dem Betreiber Hans-Joachim Flebbe, welcher im Interview in der Münsterschen Zeitung von „Seele“ spricht, also die Seele des Kinos zu bewahren. Unternehmer diesen Formates braucht die Stadt.
Beispiellose Geschichte
Bevor der Zoo Palast 1956 erbaut wurde, stand auf diesem Grundstück bereits ein Kino, genannt „Palasttheater am Zoo“ und zeigte seit 1915 Filme. Am 10. Januar 1927 fand hier die Weltpremiere von Fritz Langs Meisterwerk „Metropolis“ statt. Was hat nicht dieses Kino an diesem Ort (unabhängig von den unterschiedlichen Namensgebungen) schon alles gesehen? Ab 1957 war der Zoo Palast die Hauptspielstätte der damals noch umständlich genannten Internationalen Filmfestspiele Berlin. Wie oft habe ich selbst davor gestanden und die aneinander gereihten und aufgehängten und dem Wind und Wetter unterworfenen Flaggen aus der ganzen Welt mitgezählt und bestaunt!
Noch bevor ich meine erste Berlinale 1989 geniessen konnte, hatte der Zoo Palast die ganze Welt der Stars begrüßt und begeistert empfangen und das auch zu einer Zeit, als die BerlinerInnen nicht viel zu lachen hatten. Die Liste kann beliebig ergänzt werden: Romy Schneider, Errol Flynn, Gina Lollobrigida, James Stewart, Jean-Paul Belmondo, Heinz Rühmann, Sophia Loren zu den Anfangszeiten der heutigen Berlinale. Dann kamen neue Filme, neue Ästhetikverständnisse und neue Fans. Da war Bruce Willis, die französische Schauspiel-Diva Camille Claudel und ihr Kollege Gerard Depardieu, der damals noch als (sowas wie) ein Sexsymbol galt, sich auf der Leinwand mit großartigen Rollen verewigte und noch im Besitz eines französischen Reisepasses war. Das ist lange her…
Kult-Regiesseur und Berlin passionierter Billy Wilder („Eins Zwei Drei“ und „Manche mögen’s heiß“) erhielt 1993 in den 4 Wänden des Zoo Palastes seine Berlinale Kamera, für besondere Persönlichkeiten des Filmschaffens (damals war der selbe Flebbe hier Hausherr). Auch wenn ich bis heute keinen Baum gepflanzt und (bisher) kein Buch geschrieben habe, so schätze ich mich glücklich bei diesem Anlaß live dabei gewesen zu sein. In seiner bemerkenswerte Rede durfte der Überraschungseffekt nicht fehlen. Alle haben sehnsüchtig darauf gewartet und der Meister wußte es auch. Bei voller Bühne bestehend aus Schauspielern, Jurymitgliedern und sonstigen Persönlichkeiten, gab er seinen Humor zum Besten: „Als ich am Telefon hörte, dass ich die Berlinale Kamera bekommen soll, fragte ich mich, verdiene ich das überhaupt? Am 2. Tag bin ich aufgestanden und fragte mich erneut, verdienst Du das? Am 3. Tag stand ich auf und sagte – Ja, ich verdiene es!!“ und erntete vergnügliches Lachen aus allen Ecken des weltbekannten Hauses.
Auch die lange andauernden Standing Ovations für das Traumduo aus Hollywood, Dustin Hoffmann und Tom Cruise bei der Aufführung vom Meisterwerk „Rain Man“ war einer der Highlights, die im Gedächtnis besonders präsent sind. Der Applaus wollte gar nicht aufhören. Ganz zu schweigen davon, als 1998 an einem Sonntag Abend brasilianische Filmgeschichte geschrieben wurde. Gleich zwei Bären, den goldenen und den silbernen, wurden an den Film „Central do Brasil“ (Central Station) vergeben. Nach den schlichten Worten „Danke, Berlin“ gab es für die brasilianische Volksschauspielerin Fernanda Montenegro Standing Ovations. Montenegro, mittlerweile 85 Jahre, wurde gerade am 25.11. in New York für eine Fernsehrolle mit dem Emmy, dem Fernseh-Oscar, ausgezeichnet.
Apropos Seele…
Für diejenigen unter euch, denen die Befürchtung plagt, man werde das Gesicht des vom Architekten Gerhard Fritsche gestalteten Kinos verändern, gesichtsloser machen, hier die Entwarnung: „…Die typische Fliesenfassade des Baus von Kino-Architekt Gerhard Fritsche (1916-1965) wurde ebenso erhalten wie der Linoleumboden im denkmalgeschützten Foyer. Im bis zu 850 Plätze umfassenden Großen Saal wurden Original-Hölzer wiederverwendet. Die Wandbespannung ist ebenso wie der dunkelrote Prachtvorhang aus Samt in dunklem Rot gehalten. Daneben gibt es neben zwei weiteren Vorhängen als Spezialeffekt einen Wasservorhang…“ (Quelle: Münsterische Zeitung, Ausgabe 21.11.2013). Die zweifarbigen Ledersessel im Design der 50er wurden in Norwegen ganz im Sinne der Innenarchitektin Anna Maske liebevoll gefertigt. Der Begriff Wasservorhang kursierte in unzähligen Presseberichten der letzen Wochen. Aufgepasst: Der Vorhang ist nicht aus Wasser, sondern es ist ein Effekt. In einer der Sendungen der Abendschau im RBB erklärte Herr Flebbe den Vorhang wie folgt: „…damit die Leute vorm Beginn des Films runter kommen vom Stress da draussen…“. Die gestressten GroßtädterInnen sagen Danke!
Last but not Least: Die für wahre Kinoliebhaber geradezu existenzielle Frage darf auch hier nicht fehlen: Wird es Popcorn geben? Ja. Leider! Aber der Hausherr versichert, dass es keine Käse-Nachos mehr geben wird und ergänzt: „Wir wollen das Kino zelebrieren.“ Die Berliner Morgenpost erklärt den neuen Zoo Palast, so: „…Nostalgie vereint mit modernster technischer Ausstattung: mit Dolby-7.1-System, gleich zwei 70mm-Projektoren, die heute kaum noch verwendet werden; mit riesigen Leinwänden, 22 mal 8,50 Meter allein in Saal 1. Und vor allem mit viel Beinfreiheit.“ (Quelle: Artikel Peter Zander, 14.11.2013).
Sein Traumkino hat sich Hans-Joachim Flebbe immerhin 5,5 Mio Euro kosten lassen. Nicht allzu viel müssen die Berliner und Berlinbesucher dafür aufbringen, um in den Genuß des „Kinos im Liegen“ zu gelangen. Zwischen 10,00 und 12,00 Euro (Loge) sollen die Tickets kosten. Für die bequeme Bestellung im Internet fallen keine Zusatzgebühren an und das Wort „Schlange“ kommt im Wörterbuch des Unternehmers erst gar nicht vor. Wir werden aus nächster Nähe beobachten, ob dies bei der überwältigenden Zuschauerzahl der nächsten Wochen einzuhalten ist.
Nun aber jetzt gilt das Kino zu zelebrieren: In einem geschichtsträchtigen Ort in der West-City ist er endlich wieder da, im vollen Glanz und in voller Pracht – der Zoo Palast!
1000 Dank für den ausführlichen, vor Begeisterung sprühenden und mit Sachkenntnis geschriebenen Artiekl!!!!