Italienisches Lebensgefühl – in Berlin

Wie vermittelt man das Lebensgefühl einer Kultur, die nicht die eigene ist? Keine leichte Aufgabe. Insbesondere wenn es um die Vermittlung der italienischen Kultur in Deutschland ist. Auch wenn zwischen beider Kulturen eine starke Anziehungskraft herrscht, es gibt große Unterschiede zwischen Deutschland und Italien. Laut Statistik des Tourismusweltverbandes (UNWTO) ist das Land im Südeuropa das Dritte meistbesuchte auf der Erde. Und Berlin wiederum, ist eine der meistbesuchten Hauptstädte Europas, versichert das Unternehmen Berlin Tourismus & Kongress GmbH.

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Eventveranstalter tun sich hierzulande schwer mit der Vermittlung des italienischen Lebensgefühls. Oft möchte der Endverbraucher nicht das ganze Lebensgefühl übernehmen, sondern herauspicken, was ihm vom Nutzen ist. Das italienische Essen ist unumstritten überaus beliebt. Essen, reichhaltig und abwechslungsreich. Nicht nur Fleisch plus Sättigungsbeilage sondern die regionale Vielfalt spiegelt sich schmackhaft im Essen wieder. Jedoch oft ist es so, dass die Liebelei mit der italienischen Kultur beim Puncto Essen bleibt. Nicht jeder möchte das italienische Temperament, für den Mitteleuropäer als oft anstrengend empfunden, übernehmen. Muss man auch nicht. Aber es ist ein Irrtum zu denken, dass die Vermittlung von Kultureigenschaften auf intellektueller Basis, quasi im Format eines Frontalunterrichts gelingen kann.

Veranstalter nutzen die italienische Gastronomie als Besuchermagnet. So auch eine an sich geschickte Strategie den (nach Silvio Berlusconi) bekanntesten Italiener zu würdigen: Nicht weniger als der Meistertenor Luciano Pavarotti als Symbol für italienische Kunst naheliegend, die Oper. Der beste Botschafter Italiens bekommt eine Sonderedition jeweils von Acqua Panna (Ohne Kohlensäure) und  S. Pelegrino (Mit wenig Kohlensäure).  Dazu ging die Agentur Pure Perfection auf Tour: Hamburg, München, Düsseldorf und Berlin.

Es sollte ein Abend voller Genüsse im angesagten Restaurant Bocca di Bacco werden. Ein Salon direkt darüber wurde dem Anlass entsprechend dekoriert. Drumherum standen XXL-Flaschen, des in der gehobenen Gastronomie meist verkauften Wassers. Die weißen Blumen, das gewichtige Silberbesteck und die Gläser harmonierten geradezu perfekt auf dem Tisch. Konform mit der Sondereditionen, soll auch das Menü eine Hommage an den Tenor sein. Beschriftet auf einem Notenblatt gerollt und mit Kordelband befestigt. Eine sehr schöne Idee, die die Gäste anstiften soll, auf kulinarische Reise zu gehen schon beim sinnlichen Prozedere des Aufrollens und Einstudieren des Musikblattes.  Aus dem norditalienischen Modena (wo der Meister das Licht der Welt erblickte) sollen die Spezialitäten herkommen: Als Vorspeise gab es Parmaschinken mit Rosmarin-Focaccia und hausgemachte Grissini. Unter dem Namen „La Favorita“, Pavarottis Debüt als Regiesseur, gab es Tortellini in Brühe nach modesener Art. Der Hauptgang wurde umrundet mit Stücken vom Rinderfilet mit Rucolasalat an Balsamicoessig.

Zwischen den Gängen, der italienischen Tradition gebührend, ist immer eine längere Pause. Diese hat den Zweck, die Tischunterhaltung zu ermöglichen, gar anzustiften. Leider ist diese schöne Tradition an jenem 02.09. zu kurz gekommen. Wer zusammen zum Event kam, blieb zusammen unter sich. Die Zwischenankündigungen über das was demnächst kommen würde und Anekdoten und Kuriositäten über den großen Meister erfolgten als eine trockene Ankündigung von einer Moderatorin, die sich an der vordersten Ecke des Raumes platzierte, so dass die Gäste im hintersten Teil des Raumes nicht erreicht werden konnten: Weder stimmlich noch von der Präsenz her. Darüber hinaus: Wären die Gäste strategisch geschickt verteilt, wäre mehr Austausch zwischen ihnen möglich gewesen, als nur das sich gegenseitig vorzustellen beim Platznehmen am Tisch.

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Dann aber als die ungarische Sängerin Kinga Dobay  und der Warliser Tim Richards vorgestellt wurden, beglückten sie die Gäste mit den  – zweifelsohne – schönsten Momenten des Abends: Den nichts kann mehr begeistern als sinnlich gelebte Kultur mit anschließender Gänsehautgarantie. Besonders Timothy Richards überwältigte mit seiner Stimme und darstellerischen Fähigkeiten, in dem er den gesamten Raum in Anspruch nahm und nicht scheute, gestikulierend, an die Tische zu spazieren und den Gästen nah zu kommen, sie anzuschauen und diese hautnah- endlich – an dem Geschehen teilhaben zu lassen: Eine gewaltige, präzise Stimme mit ausgesprochenen Darstellungstalent unterschiedlicher Rollen der italienischen Oper. Die von dem Warlieser erzeugte Spannung übersprang aller Erwartungen und beglückte den, bis dato, eher überraschungslosen Abend mit einem wahren Stück italienischer Kunst und Lebensgefühl. Bei solcher Ausdrucksstärke und Stimmenvolumen befürchtete ich für einen Moment, dass alle Gläser und sämtliche XXL-Flaschen zu Bruch gehen würden. Oh, Sole mio war dann der Abschluss eines gelungenen Auftrittes. Im Übrigen kann man dieses Stimmwunder im kommenden Dezember in der Komischen Oper Berlin live erleben, siehe timothy-richards.com. Nach dem Auftritt war endlich der Knoten geplatzt. Eine wunderbare Lockerheit war spürbar im ganzen Raum und dem Genuss des Desserts stand nichts mehr im Wege: Dolce al Mascarpone (eine andere Bezeichnung für Tiramisu) con mora di Vignola (Vignola-Kirschkuchen).

Kurzum: Ein durch und durch geplanter Abend mit einem stimmgewaltigen Highlight zum Schluss und dazwischen erlesenes Essen. Gut, dass die Qualität und Leichtigkeit des St. Pellegrino und Acqua Panna  uns – weit über diesen Abend hinaus – erhalten bleibt. Alle beide Sorten sind ein Muss und nicht nur beim erlesenen Essen.

About Fatima Lacerda

Kultur, Fußball, Musik sind meine Leidenschaften. Reiseberichte sind ein Genuss!

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