Es ist alles anders: Berlinale 2021 in zwei Stufen (März und Juni)

Der Tag an dem der große Bär am Marlene-Dietrich-Platz oberhalb des roten Teppichs in voller Pracht hätte glänzen müssen und Berlin Weltstars und Gäste aus aller Welt begrüßen sollte, begann recht nüchtern mit einer digitalen Pressekonferenz der Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek zusammen mit dem künstlerischen Leiter Carlo Chatrian. Knappe 23 Minuten wurden genutzt, um das Programm anzukündigen.

Beide saßen, mit dem nötigen Abstand auf den wunderschönen Sesseln des Berlinale Palastes. Dort war ich zum letzten Mal im Kino, bei der Preisverleihung in der Gala 2020, als die Welt noch nicht gänzlich aus den Fugen geraten war. Damals waren wir, die Berlinale-Besucher*innen die letzten glücklichen Mohikaner bevor alle Großveranstaltungen im Zuge der ersten Welle der Covid19, abgesagt werden mussten.

Nostalgische Erinnerung

Es ist Tradition und zugleich ein sehr begehrter Termin der Berliner Medienvertreter*innen die jährliche Pressekonferenz der Berlinale wahrzunehmen. Nicht nur die Schreibblöcke vom RBB oder ZDF oder Schlüsselanhänger oder USB-Sticks, die von den Sponsoren offeriert werden sind sehr begehrt. Es zeichnet sich das gleiche Ritual ab. Unzählige Fotografen hocken aufeinander vor dem Tisch mit den Merchandising Produkten und vergessen gerne ihre überdimensionalen Objektive im Wege, bis einer darüber stolpert und sich die Nase bricht.

Man sucht den Sitzplatz mit der besten Visibilität, natürlich. Die Wartezeit bis es losgeht fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Wenn es dann aber losgeht, sind wir schon auf Betriebstemperatur und auf Berlinale-Fieber (sowieso) eingestellt. Bei dem letzten Dienstag im Januar trifft man Kolleg*innen, die man meist nur während der Berlinale trifft. Auch zum Ritual, die Fragen an die Sektionsleiter*innen und so weiter. Seit einem Jahr ist aber alles anders. Unser Alltag, unser Arbeitsleben , die Filmfestivals, weltweit.

In diesem außergewöhnlichen Jahr sahen die Macher*innen als einzige Möglichkeit, das Festival nicht absagen zu lassen, es in zwei Teilen zu splittern. Allerdings die kalendarische Nähe zum Film Festival in München (24.06- 03-07) und Cannes (Frankreich), verschoben auf Juli (06. 17-07) wird sicherlich interessante Auswirkungen haben.

Ein Bild aus alten Tagen an roten Teppich /Wim Wenders und Donata Wenders
Ein Bild aus alten Tagen an roten Teppich /Wim Wenders und Donata Wenders

Späte Entscheidung

Im August 2020, als es heiß gewesen war und alle draußen die Ferien genossen hatten, waren die Kinos noch offen, das Festival in Venedig fand in der Präsenz statt, war Leiter Carlo Chatriani noch voller Hoffnung und Tatendrang. Schließlich hatte er gerade das Boot von Mr. Berlinale Dieter Kosslick übernommen. Er muss liefern. Sich beweisen. Es gibt wahrlich einfachere Aufgaben als in den Fußstapfen von dem zu treten, der Popularitätswerte hatte, von denen jeder Bundespolitiker nur träumen kann.

Es hieß aus einer Pressemitteilung vom 24.08.2020: „Die Internationalen Filmfestspiele Berlin“ haben erste Entscheidungen für das Festival 2021 getroffen. Die Berlinale 2021 ist als physisch stattfindendes Festival geplant. Für den European Film Market (EFM) ist ein hybrides Modell vorgesehen.“ Aus heutiger Sicht erweist sich das als Fehler, denn der Mediziner und Gesundheitsökonom Karl Lauterbach (SPD) warnte den ganzen Sommer über vor einer zweiten Welle der Pandemie. Aber nicht nur die Festivalleitung lag falsch in der Einschätzung der Lage, sondern auch eine ganze Reihe von Politiker*innen aus der sogenannten ersten Reihe.

Die Korrektur über das WIE der Ausgabe 2021 teils im März und teils im Juni kam erst nach langem Zögern und Verunsicherung der Medienlandschaft. Auch lange nachdem der Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) Bedenken geäußert hatte. Nichtsdestotrotz ist das Splitten die einzig richtige Entscheidung und alternativlos. Die Industrie, sonst beherbergt im Martin-Gropius Bau bis auf Juni warten zu lassen, hätte verheerende Folgen für eine ganze Branche. Etliche Filmwerke wären schon obsolet geworden,bevor sie überhaupt die Leinwand erreicht hätten. Auch wenn das Geschäftsmodell Streaming und „Videos on Demand“ (VoD) 2020 Umsatzrekorde zu verzeichnen hat, gibt es nichts wie den herkömmlichen Gang zu einem Kinosaal. Für die Kino-Besessenen, der beste Ort den es in der Welt gibt. Der Verzicht auf dieses so beliebte Ritual jährt sich am 28.02., der schwierigste überhaupt von allen anderen.

Jetzt aber !

In einer bemerkenswerten logistischen Leistung und in sehr kurzer Zeit hat das IT-Team der Berlinale die Durchführung von etlichen Paneel, Videokonferenzen und ähnliches möglich gemacht. Wir wissen, in Sache Digitalisierung hinkt Deutschland immer hinterher. Wir erinnern uns an die Worte der Bundeskanzlerin aus dem Jahr 2013:“ Internet ist für uns alle Neuland.“

Zwischen dem 01. und 05. 03 trifft sich die Filmindustrie online. Das Zusammentreffen zu Meetings , die gemeinsame Sichtung der Filmwerke im exklusiven Kreis und allemal die Feierabend-Cocktails und Caipirinha Stände fallen aus. Auch die legendären Filmparties besonders begehrenswert die brasilianischen, die portugiesischen und spanischen glänzen durch Abwesenheit.

Berlinale Teil 1 – Plattformen

European Film Market
Aus der Pressemitteilung heißt es: „Der European Film Market (EFM) bietet zu Beginn des Jahres den Marktplatz für den Vertrieb von Filmproduktionen und agiert als eine der wichtigsten Branchenplattformen für Weltvertriebe, Verleihfirmen, Festivalprogrammer und Produzent*innen“.

 

Berlinale Co-Produktion Market
Diese Plattform bringt Filmprojekte mit potentiellen Investoren zusammen. Natürlich im Vorfeld exzellent organisiert, wer zu wem passen könnte. In diesem Jahr stehen 35 Spielfilmideen ganze 600 potentiellen Investor*innen gegenüber, die aus allen Ecken der Welt stammen.

https://www.efm-berlinale.de/en/copro-market/programme/programme.html


Berlinale Talents
200 Talente aus 65 Ländern werden sich treffen, Gemeinsamkeiten ausloten. Bei Berlinale Talents, in der neunzehnten Ausgabe, bildet sich die Filmemacher*nnen von Morgen. Viele, die hier begonnen oder aber als Zwischenstation genutzt haben, sind heute schon weltweit bekannt.
Word Cinema Fund

Seit 2004 in einer 1 A geschürten Partnerschaft zwischen der Berlinale, dem Auswärtigen Amt, dem Goethe Institut, der Kulturstiftung des Bundes und dem Förderungsprogramm der Europäischen Union MEDIA, werden mit einem Budget (Stand 2020) von 592.000. Euro Filme möglich gemacht, die sonst nicht realisierbar gewesen wäre.

Aufgepasst!

„Decolonising Cinema“ und „Can We Write Cinema? sind einige der kostenlosen Angebote dieser Plattform. Es wird auch eine Reihe „Director*s Talk“ geben mit einem Regisseur, der bereits gefördert worden ist. Das detaillierte Programm vom World Cinema Fund wird Mitte Februar gänzlich online gestellt.


Berlinale Series

Vor einigen Jahren hat das Festival die marktrelevanten Aspekte der Series erkannt und eine Sparte im Rahmen des Festivals, etabliert. Gut so. Aus der Pressmitteilung heißt es: „Berlinale Series Market & Conference“ vom 2. bis 5. März ein hochkarätiges Konferenzprogramm mit internationalen Showcases und spannenden Talk-Formaten über Impact Storytelling und Content Strategien, unter anderem mit Russell T Davies und Maurício Mota. Das neue Label „Berlinale Series Market Selects“ stellt eine kuratierte Auswahl kommerziell vielversprechender Serien vor.“

Ein Beispiel: In Ländern wie Brasilien, in dem das nationale Filmförderprogramm, welches jahrzehntelang dazu führte, dass der brasilianische Film querbeet durch die Sektionen der Berlinale vertreten war, wurde von der jetzigen repressiven Regierung stranguliert, so dass dort reagiert werden musste und dies mit Erfolg.

Zum ersten Mal wurde eine brasilianische Serie ausgewählt bei der Berlinale. „Die letzten Tage von Gilda“ vom Regisseur Gustavo Pizzi, der sein Glück kaum fassen kann, sein Werk auf solcher erfolgshungrigen Plattform vorstellen zu können.

                                                                                                                     ©Marcinho Nunes

Zurück in die Zukunft !

Es ist schon fast ironisch, dass die Ausgabe 2021 an die ersten Jahre der Berlinale anknüpft. Von 1950 bis 1977 fand das Event mit beinahe aussprechbaren Namen „Internationale Filmfestspiele Berlin“ und heute Berlinale fand im Sommer statt. Erst ab 1978 wurde es auf den Monaten Februar, verlegt.

In der Ausgabe 2021 findet zwischen 09. und 20. Juni in der Präsenz, also fürs Publikum, Teil II statt. Eine logische Folge. Die Berlinale ist das größte Publikumsfestival der Welt.

Das merkwürdige einer zersplitterten Version: die Preisträger*innen sollen schon im Frühjahr bekannt werden, müssen aber bis zum Sommer auf die feierliche Preisverleihung warten bis sie die Bären in die Arme schließen können.

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About Fatima Lacerda

Kultur, Fußball, Musik sind meine Leidenschaften. Reiseberichte sind ein Genuss!

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