Im Rahmen des diesjährigen Tags des offenen Denkmals öffnete auch das alte Polizeigefängnis in der Polizeidirektion in der Keibelstraße seine Pforten. Tritt man ein, wird man unweigerlich an amerikanische Gefängnisse in alten Spielfilmen erinnert. Links und rechts Zellen mit schweren Türen, einem Guckloch und einer Durchreiche, das ganze setzt sich grau in grau über 6 Etagen nach oben hin fort. Ein Netz auf Höhe der ersten Etage sichert den (un)gewollten Sturz von Gefangenen von den Gängen um den Innenschacht ab. Die Zellen, die im Erdgeschoss und in der 1. Etage besichtigt werden konnten, sind klein – ein schmales Bett, ein Spind – mehr Platz gibt es nicht. In einigen Zellen sieht man noch ausgeschnittene Bilder von leicht bekleideten Frauen an der Wand kleben. In einer anderen hat ein Insasse seine Tage, die er hier zubrachte, gezählt, in der er sie in die Wand einritzte.
Das Gefängnis wurde 1949/51 als Untersuchungshaftanstalt II (UHA II) im Inneren des Ostberliner Polizeipräsidiums an Stelle eines kriegszerstörten Gebäudeteils auch wirklich nach amerikanischem Vorbild errichtet und galt als eines der sichersten und modernsten der DDR. Insgesamt war Platz für 214 Häftlinge in rund 140 Einzel-, Doppel- und Mehrinsassenzellen – die Anzahl war aber meist wesentlich höher, teilweise saßen fast 300 Personen hier ein. Die größeren Zellen, von denen es zwei auf jeder Etage gibt, waren ca. 10 x 5 Meter groß und wurden mit 12 Gefangenen belegt. Die 6. Etage war für weibliche Gefangene reserviert. Die Zellen waren wohl sehr zugig und nur schwer beheizbar. Sich tagsüber auf das Bett zu legen war verboten, genauso wie zu singen, vor allem aus dem Fenster hinaus – der Innenhof hat nämlich eine ziemlich gute Akustik. Auf dem von Mauern umgebenen Flachdach des Gefängnisses durften die Gefangenen ihre „Freistunden“ verbringen und konnten von hier aus den Fernsehturm sehen.
Das Gefängnis in der Keibelstraße war der Deutschen Volkspolizei (VoPo) unterstellt und zu DDR-Zeiten gefürchtet. Wer hierhin „zur Klärung eines Sachverhalts“ aufgrund „politischer Delikte“ oder wegen krimineller Straftaten gebracht wurde, musste mit strengen Verhören rechnen. Es traf also auch viele Menschen, die sich nicht an das SED-Regime anpassen wollten. DDR-Oppositionelle und politisch auffällige Jugendliche, d.h. „Asoziale“ und „Arbeitsscheue“ teilten sich ihre Zellen mit Mördern, Bankräubern und Vergewaltigern – sie waren in den Augen der SED eben genauso „echte“ Kriminelle. Wie viele letztendlich hier einsaßen lässt sich rückblickend nicht mehr sagen – es werden wohl Zehntausende gewesen sein. Da es ein Untersuchungsgefängnis war, war die Zeit, die die Häftlinge hier verbrachten, relativ kurz. Mal nur ein paar Stunden oder Tage, mal ein paar Monate, bevor es weiter ging in die „richtigen“ Strafvollzugsanstalten der DDR, z.B. nach Rummelsburg oder Bautzen.
Nach der Auflösung der DDR wurde das Gefängnis noch bis 1996 als „Polizeigewahrsam Mitte“ weiter genutzt, teilweise auch als Abschiebehaftanstalt. In Ausnahmefällen wurden einzelne Zellen auch bis 2006 genutzt, wenn Verhöre direkt im Haus stattfinden sollten. 2006 zur Fußball-WM wurde überlegt, den Zellentrakt zur zeitweisen Unterbringung von randalierenden Hooligans zu nutzen, dieser Plan kam dann aber nicht zum Einsatz. Das Gefängnis diente seit 1996 auch als Kulisse in Filmen wie „Goodbye Lenin“, „Männerpension“ und in einzelnen Folgen der Serien „Polizeiruf 110“, „Tatort“ und „Die Autobahnpolizei“.
Zukünftig soll das Gefängnis als „Lernort“ für die politische Bildung dauerhaft zugänglich gemacht werden, weitere historische Aufarbeitung der Schicksale der damaligen Zeit wird durch die Robert-Havemann-Gesellschaft betrieben.
Hier ein paar Bilder aus dem Gefängnis:
Hey,
ich war auch dort. Vielleicht haben wir uns vorbeigegangen.
VG
Hi,
danke für den tollen Bericht. Kannst du mir sagen, wer für das Gefängnis verantwortlich ist bzw. wen man ansprechen muss, wenn man es besichtigen möchte?
Danke schonmal für die Antwort.
Gruß
Hallo Jill,
versuch es mal bei der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Froschung (pressestelle@senbwf.berlin.de), von denen hab ich einen Flyer zum Gefängnis. Oder bei der Robert-Havemann-Gesellschaft (www.havemann-gesellschaft.de), hier bekommst du auf jeden Fall weitere Informationen zur Geschichte des Gefängnisses.
Viele Grüße
sunnykat 🙂
So viele Jahre ist es her, 1987 im Sommer zur 750 Jahrfeier von Berlin habe ich zwei Monate hier verbracht… Versuchte Republikflucht. Paragraph 213 werde ich nie vergessen, zwei Monate mit Bautzen, Karl Marx Stadt im Kopf… Wäre wegen der Feierlichkeiten zum Berlingeburtstag keine Amnestie ausgerufen worden… Will nicht daran denken was mir dort wiederfahren wäre. Keibelstrasse, Untersuchungsgefängnis, 23 Stunden in der Zelle und eine Stunde Hofgang auf dem Dach… Unglaublich. Heute würd ich gerne eine Reise zurück in die Verganhenheit wagen. Aber wie? Wann kann man das Gefängnis besichtigen? Bin über jede Antwort glücklich. Dirk
Hallo Dirk,
versuch dein Glück doch mal beim diesjährigen Tag des offenen Denkmals, sonst bei der Mailadresse / Internetadresse, die ich oben angegeben habe.
Gut, diese Seite gefunden zu haben! Aber ich hätte mehr erwartet. Warum kann man nicht feststellen, wie viele Menschen diese Brutstätte von Angst und Ohnmacht durchleben mussten? Warum kennt man keine Zahlen von den hunderten oder tausenden Staatsdienern (Büttel), die dort ihren „Dienst am Sozialismus“ verrichteten? Vor 43 Jahren war ich als Gefangener dort. Gerade war ich 17 Jahre alt. Hatte keine Ahnung davon, dass es überhaupt Kriminalität und Gefängnisse gab… Kaltgesichtige, schweigsame und widerlich dumme Polizisten zogen eine stinkende Pferdedecke über mein junges Leben. Von diesen Monaten der totalen Zerrüttung habe ich mich Jahrzehnte lang nicht erholen können. Diese Kreaturen, die das nicht Beschreibbare mit einem gemacht haben, sind es nicht mal wert, gehasst zu werden. Sie waren und sind -so sie noch leben- der Dreck unserer Nation. Gerade noch verachtenswert… Inmitten einer (damals noch intakten, aufstrebenden Gesellschaft) wurde in der Keibelstraße ALLES getan oder unterlassen, um Menschen aus der Mitte dieser Gesellschaft zu zerbrechen! Immer wieder mal fahre ich an dem Haus vorbei und fühle noch nach, was ich damals erlitten habe. Und ich könnte kotzen, wenn mir bewusst wird, dass ich mit meiner harten Arbeit die Pension dieser Verbrecher finanzieren muss. Dabei war die Keibelstraße nur die niedliche Eingangspforte zum Jugendgefängnis Ichtershausen (Thüringen) oder Bützow oder Bautzen. Ich lebe heute gern und bewusst in Westberlin. Mein Schutz-Ort. Das Trauma bleibt draußen, in Ostberlin. Dort sollen sich die damaligen Herrscher über Körper und Seelen gerne wohl fühlen! Sie sterben. Sie werden mich nie wieder quälen.
Würde wirklich gerne noch einmal eine Runde auf dem „Dach“-Freistunden“hof“ drehen. War 1972 für 3 Monate da, § 213, danach ging es nach Rummeline, Haus 3 (Haus am See). In der Keibelrietze habe ich mein 1. Knastlied gelernt: Es steht ein Haus in Ostberlin, ein Haus weit ab vom Recht, dort sitzen wir gefangen, ein freier Fan als Knecht. Wir trugen lange Haare und liebten Pop und Biet, nun sitzen wir gefangen, im Haus in der Keibelstreet. Ob man da wohl noch mal „rein“ kommt?