In dem gleichnamigen Buch von David Ranan geht es um die jungen Juden in Deutschland – Juden, die in der 3. Generation hier leben, weil ihre Großeltern sich sofort oder kurz nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland niedergelassen haben.
Mit 50 jungen Menschen ab 18 Jahren wurden Interviews geführt, 21 davon wurden ausgewählt und sind in Monologform im Buch wiedergegeben. Es handelt sich um Menschen aus ganz Deutschland zwischen 18 und 41 Jahren, Schüler, Studenten, Künstler, Ärzte…
Sie berichten uns, wie sie ihre Identität empfinden. Fühlen sie sich als Deutsche? Als deutsche Juden? Oder jüdische Deutsche? Oder nennen sie eher Israel ihre Heimat? Wie ist die Geschichte ihre Großeltern, wie waren sie vom Holocaust betroffen? Warum haben sie sich in Deutschland nieder gelassen, erzählen sie nachfolgenden Generationen davon, was ihnen wiederfahren ist? Und die Eltern – saß auch die 2. Generation noch auf „gepackten Koffern“, jederzeit bereit, Deutschland wieder zu verlassen?
Und nun die interviewte 3. Generation, die Enkel der Holocaust-Überlebenden – ist es ihnen wichtig, einen jüdischen Partner zu heiraten und die Kinder jüdisch zu erziehen? Welche Rolle spielt Israel und die jüdische Religion in ihrem Leben? Haben sie eher jüdische oder auch nicht-jüdische Freunde? Wie denken sie über die kürzliche Beschneidungsdebatte und wie erleben sie das Thema Antisemitismus in Deutschland?
Auf diese und mehr Fragen gibt der jeweilige Erzähler eine persönliche Antwort. Jede Geschichte für sich ist spannend zu lesen und gibt Einblick in eine Familiengeschichte, in Ängste, Probleme, Identitätsschwierigkeiten. Die Kluft zwischen rationalem Verständnis für die Dinge und emotionalem Erleben ist deutlich spürbar.
Als kleiner Vorspann der Interviews wird erzählt, wie sich die Situation nach dem 2. Weltkrieg für die Juden darstellte. Die meisten deutsch-jüdische Emigranten wollten nicht nach Deutschland zurück kehren (Stand Ende 1959 kehrten lediglich ca. 12.500 von 300.000 Auswanderern zurück). Viele von denen, die KZ und Gefangenschaft überlebt hatten (~ 200.000 sog. „Displaced Persons“), zogen in die USA oder nach Israel. Nur ca. 12.000 – 15.000 Menschen ließen sich in Deutschland nieder, dazu kamen ca. 15.000 Juden, die meist in Mischehen in Deutschland überlebt hatten. Diese Juden mussten sich vor der restlichen jüdischen Welt verteidigen, warum sie sich ein Leben in Deutschland aufbauen wollten – „im Land der Täter“. Ihre Kinder wuchsen daher oft mit dem Gefühl auf, dass Juden in Deutschland nichts zu suchen haben. Umso jünger die Interviewpartner sind, umso eher merkt man, dass sich diese Einstellung so langsam wandelt. So sagt z.B. Benjamin, 19 Jahre: „Ich bin ein ganz normaler Deutscher“.
Und hier noch mal die Details zum Buch:
Titel: Die Schatten der Vergangenheit sind noch lang – Junge Juden über ihr Leben in Deutschland
Autor: David Ranan
Gebunden, 256 Seiten
ISBN 978-3-89479-797-3
Preis: 24,95 EUR
Verlag: Nicolai Verlag
Erschienen am 26.11.2013
Ein spannendes Thema, wie mir scheint. Hast du das Buch selbst gelesen? Wenn ja, wie fällt dein Fazit aus?
Gruß nach Berlin,
Frank
Hallo Frank, ich habe das Buch selbst gelesen, sonst würde ich nicht darüber schreiben 🙂 Ich kann es nur empfehlen. Es gibt sehr interessante Einsichten über das Leben / Identitätsgefühl der 1. – 3. Generation der in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg lebenden Juden.