Der Berliner Volksmund ist reich an originellen Ausdrücken, die liebevoll als Berolinismen oder Berlinismen bezeichnet werden. Diese Begriffe sind fest in der Berliner Umgangssprache verankert und spiegeln die einzigartige Kultur der Hauptstadt wider. Besonders beliebt sind Spitznamen für Gebäude, Denkmäler und berlintypische Gewohnheiten, die oft mit einem Augenzwinkern verwendet werden.
Einige dieser Ausdrücke haben längst überregionale Bekanntheit erlangt – andere wiederum sorgen für Diskussionen, ob sie wirklich aus dem Berliner Alltag stammen oder eher von Stadtführern und Reiseführern geprägt wurden.

Café Achteck – Das Berliner Pissoir mit Kultstatus.
Ein Paradebeispiel für Berliner Sprachwitz ist das sogenannte „Café Achteck“ – eine scherzhafte Bezeichnung für die historischen öffentlichen Pissoirs in Berlin. Diese Bedürfnisanstalten bestehen aus sieben grün lackierten, gusseisernen Wandsegmenten und bilden einen achteckigen Grundriss. Die achte Wand fehlt und dient als Eingang, geschützt durch einen Paravent aus mindestens drei Segmenten.
Historischer Ursprung: Der Entwurf stammt von Stadtbaurat Carl Theodor Rospatt aus dem Jahr 1878. Um 1920 existierten rund 142 dieser Pissoirs in Groß-Berlin. Einige Exemplare sind bis heute im Berliner Stadtbild erhalten und bieten Platz für sieben stehende Nutzer.
Diese charmanten Relikte sind nicht nur funktional, sondern auch ein Stück Berliner Stadtgeschichte, das Touristen und Einheimische gleichermaßen fasziniert.

Das „Gürteltier“ – Architektur-Highlight im Berliner Westen
Ein weiteres Beispiel für den kreativen Berliner Volksmund ist das „Gürteltier“, wie das Ludwig-Erhard-Haus in Charlottenburg liebevoll genannt wird. Das Gebäude wurde zwischen 1994 und 1997 vom renommierten britischen Architektenteam Nicholas Grimshaw & Partner entworfen und am 21. September 1998 feierlich eröffnet.
Namensgeber: Ludwig Erhard, Vater der Sozialen Marktwirtschaft und ehemaliger Bundeskanzler. Die 15 elliptische Stahlbögen, bis zu 38,6 Meter hoch, formen die tragende Struktur. Die „schuppige“ Außenhaut und „pfotigen“ Stützen erinnern an ein Gürteltier. Doppelschichtige Glasfassaden und steuerbare Sonnenschutzlamellen sorgen für ein ökologisch optimiertes Raumklima. Sechs gläserne Panorama-Lifte bieten spektakuläre Ausblicke im Inneren.

Heute beherbergt das Gebäude unter anderem die Industrie- und Handelskammer Berlin, wirtschaftliche Institutionen sowie die Börse Berlin – und ist ein beliebtes Ziel für Architekturinteressierte und Fotografen.
Ob Café Achteck oder Gürteltier – der Berliner Volksmund verleiht Orten und Gebäuden eine ganz eigene Identität. Diese liebevollen Bezeichnungen sind mehr als nur Sprachwitz: Sie sind Ausdruck von lokaler Verbundenheit, historischem Bewusstsein und einem unverwechselbaren Berliner Humor.
📸 Text und Foto: Klaus Tolkmitt
