Interview zum Weihnachtskonzert von Erdmöbel

Es gibt Bands, in die verliebt man sich mit nur einem Song. Bei mir war das – wie bei so vielen anderen auch- „In den Schuhen von Audrey Hepburn“ von Erdmöbel. Ich stellte mir vor, Audrey hätte  kleine Füße, die Schuhe würden mir gut passen, sie wären rot und ich könnte damit durch New York tanzen. Der Song ist über 10 Jahre alt und funktioniert immer noch genauso. Damals, nur wenig später, erscheint das erste Weihnachtslied der Band.  Erdmöbel covern „Last Christmas“ von und legen mit „Weihnachten ist mir doch egal“ einen Text darüber, der jedem Weihnachtsmuffel das Herz aufgehen lässt. Es ist so erfolgreich, das nun jedes Jahr ein Jahresendlied erscheint und  die Band selbst eine Weihnachtstradition geschaffen hat.

Die Weihnachtskonzerte von Erdmöbel sind schöne Tradition geworden

Dazu gibt es jedes Jahr wieder eine kleine Weihnachtstour durch die lichter geschmückte Republik. Auch in Berlin wird Halt gemacht, ausgerechnet zwei Tage nach der Tragödie auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Sicher kein einfaches Konzert. Vor dem Konzert treffe ich Markus Berges und Ekki Maas. Mit dabei war Ulrich Mathes, der Gast des Abends.

Ihr habt ja den Großteil euer Tour schon hinter euch, gestern Köln, morgen Hamburg, heute ist das vorletztes Konzert eurer doch sehr spaßigen Weihnachtstour… und das ausgerechnet in Berlin. Wie war das Gefühl, gerade jetzt nach Berlin zu fahren?

Ekki: Ich hab mir schon Sorgen gemacht, dass die Leute vielleicht ganz betröppelt hier sind. Aber als ich heute in der S-Bahn war, war ich doch ganz stolz auf Berlin. Ich wurde sehr freundlich angeguckt und die Leute waren alles andere als resigniert und alles andere als verbittert. Das fand ich toll! Und ich denke auch: Jetzt erst recht!

Markus: Ich hab die ganz Zeit im Auto hierher darüber nachgedacht, denn wir haben wirklich ein absurd fröhliches Programm, bei dem man sich schon fragen kann, ob man das bringen kann. Aber die einzige Antwort ist tatsächlich: es zu bringen.

Ekki: Ja. Man sollte dem Schrecklichen, was es in der Welt ganz offensichtlich gibt, nicht nachgeben. Man darf die Welt nicht nach deren Vorstellungen gestalten-auf keinen Fall.

Was kann das Publikum heute erwarten?

Ekki: Es werden einige Leute da sein, die das schon kennen und ich würde mal sagen, das ist Weihnachtsquatsch. Wir treiben es wirklich auf die Spitze. Weihnachten ist für viele eine schwierige Zeit, es passieren entsetzliche Sachen, es gibt oft Streit mit der Familie und so. Wir spielen gegen das Entsetzen von Weihnachten  an.

Markus: Wir versuchen gleichzeitig melancholisch, aber auch aberwitzig, zu sein. Dieses Weihnachtsding ist ja eine Show-auch für uns selber. Wir können das mit noch größerem Spaß betreiben als unsere eigenen normalen Konzerte.

Gab es mal Protest von kirchlicher Seite?

Ekki: Im Gegenteil, da kommt viel zu wenig Kritik. In Köln gib es zwei Gemeinden, die darum wetteifern unsere Lieder in kirchlichem Zusammenhang zu bringen und man muss sagen: die Evangelen haben gewonnen. Die singen dann auch zum Beispiel den „Goldenen Stern“.

Markus: „Obwohl…wir haben mal eine seltsame e-mail von einem Priester bekommen, die sehr sehr kritisch war. Das war interessant, denn ich glaube, der hat so einiges verstanden. Aber das war merkwürdig. Also Kritiker gibt es schon. Seitdem haben wir die Phantasie, es gibt bestimmte Kreise, in denen das Widerständige daran aneckt.“

Ihr habt ja heute, beim Konzert in Berlin, einen besonderen Gast. Ulrich Matthes singt „Melodica“. Wie kam es damals, als das Lied entstand, zu der Zusammenarbeit?

Ekki (zu Ulrich Mathes): Ja Uli, kannst du ja mal erzählen.

Ulrich Mathes: Ich hab mich in den Vordergrund gedrängt… (alle lachen) …und mich prostituiertenmäßig angeboten. Es war bei einem Sommerfest im LCB (Literarisches Colloquium) am Wannsee und da bin ich auf sie zu, als Verehrer dieser Combo, und hab gesagt: “Mensch, ich habt doch so ein tolles Weihnachtslied mit meiner Kollegin, der Maren Eggert am Deutschen Theater aufgenommen – was ich wirklich bezaubernd finde – und dann hab ich gefragt: wer macht´s denn dieses Jahr? Und bevor die Antwort kommen konnte: Till Schweiger oder so, hab ich gesagt: Wie wäre es denn mit mir? (Alle lachen)

Ekki (amüsiert): Nee nee, eigentlich war das so: Da kommt dieser berühmte Schauspieler  einfach auf uns zu und sagt: „Wann kann ich eigentlich endlich bei euch singen?“

Ulrich: “War das so?“

Ekki: „Das war so. Und so finde ich es auch viel besser“ (lacht)

Ulrich: „Ist ja unglaublich. Was ich mich da so getraut habe.“

Ekki: “Markus hat dann noch gezaudert, so… uuh, wie können wir dem nur gerecht werden? Und ich hab den Uli gleich gefragt: Sag mal, was willste denn singen? Und Uli hat dann gleich die Geschichte erzählt über die er gerne singen will und Markus hat 14 Tage gebraucht bis…

Ulrich: „… das war jetzt wirklich ein bisschen anders. Ich hab mich etwas schwer getan, denn meine Kindheitsweihnachten waren wirklich immer sehr schön und harmonisch und gar nicht zwanghaft. Ich hatte so eine Horror-Anekdote gar nicht zu liefern und fand das, was ich dann erzählt habe, eigentlich gar nicht so geeignet ein so prächtiges Lied daraus zu machen, wie es denen dann gelungen ist. Ich hab einfach nur erzählt, dass ich einmal so eine Melodica geschenkt bekommen habe und damit nichts anfangen konnte. Meine Eltern haben wahrscheinlich gedacht: Das Kind ist musikalisch, schenken wir ihm irgendein Instrument. Und dann hat er daraus das gleichermaßen melancholische, wie auch lustige Lied gezaubert. Er hat also aus einer Nicht-Anekdote ein tolles Psychogram einer Familie gemacht und das Lied, was aus meiner nicht so prickelnden Geschichte entstanden ist, tatsächlich sehr prickelnd und ich gebe mir Mühe, es heute Abend gut vorzutragen.“

Ekki: „Das wird super!“

Gerade beim Soundcheck klang es schon sehr gut!

Ulrich: Danke schön!

Bei euren „Jahresendliedern“ sind die Texte in Bezug auf das Fest schon sehr ironisch oder einfach nur Blödelei, die Melodien klingen mit den Bläsern und Glocken dann aber doch weihnachtlich.

Ekki: Wir haben durchaus eingesehen, dass das Weihnachtliche auch schöne Seiten hat. Wir machen ja nicht Musik gegen die normale Weihnachtsmusik, sondern eher gegen das Gefühl, das man Weihnachten so ausgeliefert ist. Wir wollen diesen Zwang, der ja oft an Weihnachten herrscht, ein bisschen aufheben. Da kann man mal fröhlich sein oder auch mal traurig – alle elementaren Gefühle kommen vor bei unseren Liedern. Das hat was sehr Kindliches.

Wie entstehen die Weihnachtslieder?  Ihr bringt ja jedes Jahr eines heraus, entsteht da nicht während des Jahres langsam ein Zwang – ach, wir müssen noch das Jahresendlied schreiben?

Markus: Normalerweise ist es so: Das Lied wird nicht fertig. Das Lied wird nicht fertig. Das Lied wird nicht fertig. Und dann sagt die Band: Ey, das Lied wird nicht fertig! (lachen)

Ekki: Wir sagen jedes Mal, lass uns das doch im Januar machen, dann ist es wenigstens noch ein bisschen weihnachtlich. Wenn wir das im Sommer machen, müssen wir dann viel zu viel abstrahieren und dann wird das Lied nicht fertig und dann ist wieder November.

Markus: Als wir im letzten Jahr die Neuauflage „Das Geschenk+3“ gemacht haben, da mussten ja drei fertig werden und das wussten wir auch schon sehr früh. Da hab ich tatsächlich schon im Sommer in totaler Hitze in einer Hütte in Brandenburg an Weihnachtsliedern gearbeitet. Das war ein sehr  komisches Gefühl. Aber bis die Songs fertig waren, war es dann wieder Ende der Saison. Wieder auf den letzten Drücker.

Ekki: Immer knapp.

Habt ihr schöne Kindheitserinnerungen an Weihnachten?

Ekki: „Als Kind hat man ja gar nicht so ein Problem mit Weihnachten. Man kriegt Geschenke und die Geschenke sind schön, weil man sich das gewünscht hat. Im besten Falle natürlich. Ich hab nie  ´ne Melodica bekommen, ich hab immer schöne Dinge bekommen, eine elektrische Eisenbahn, Experimentierkästen…“

Ulrich (wirft ein):“ …ich sonst auch! Das möchte ich noch dazu sagen.“

Ekki:“…einmal sogar eine Dampfmaschine! Das hab ich mich total gefreut. Aber hab ich danach nie damit gespielt.  Zweimal Feuer machen und dann ist das Ding langweilig.“

Markus:“ Als Kind ist das eine schöne Sache. Vielleicht ist das dann auch der Schmerz, wenn man da so ein elementares Glück verbindet, insbesondere wenn man noch mit dieser Christkind-Illusion leben kann, was man ja für die Kinder ausdrücklich inszeniert. Und wenn man seine Kindlichkeit verliert, verlieren auch viele ihren Bezug zu Weihnachten.“

Ulrich: „Ich hab meine Kindlichkeit nicht verloren. Deswegen bin ich auch Schauspieler geworden.“

Ekki:“ Ich glaub, das kann man über Künstler generell sagen, dass die immer wieder ihre Naivität heraus holen können. Natürlich ist es eine naive Vorstellung von der Welt, eine Illusion, wenn auf unseren T-Shirts steht“ War is over“. Aber es ist wichtig, dass man die behält und nicht aufgibt.

Markus (zu Ulrich): Wirkt sich das auf dein Weihnachtsfest aus, das mit der Kindlichkeit als Schauspieler?

Ulrich: „Ich hab natürlich auch einen realistischen Blick auf die Welt, das gehört zum Erwachsen werden dazu. Aber doch, ich glaub schon. Es ist natürlich nicht mehr so wie es als Kind war, schon allein weil mir Geschenke, zumindest an Weihnachten, kaum noch etwas bedeuten. Ich könnte auf alle Geschenke verzichten. Ich finde es eher nett mit der Familie zusammen zu sitzen und den Makkaroni-Auflauf zu essen, den es auch vor 50 Jahren schon gab, das ist Familientradition.

Ekki: “Na, wenn ich so was Schönes kriegen würde…! Ich feiere Weihnachten natürlich wegen meiner Tochter und das ist schön. Aber ich selber, ich steht da eher so drüber und das ist dann nicht so schön. Ich krieg auch keine Geschenke.“

Markus: “Also mir sind Geschenke total wichtig. (alle lachen)

Ekki: “Mir auch, aber ich krieg trotzdem nichts.“

Markus: “Das ist natürlich blöd. Mir ist aber selber auch wichtig, was ich schenke, ich hab da ziemlichen Spaß dran. Das setzt dann natürlich auch meine Frau unter Druck. Ich sag zwar immer: ja, ist ja nicht so schlimm, aber sie weiß natürlich, dass ich schon Erwartungen habe.“

Ekki: “Das ist auch mein Spaß dabei. Ich weiß ja vorher, ich krieg wieder nichts und sag dann aber: Du, ich hab was für dich.“

Markus: “Mit viel Liebe und so.“

Ulrich: “Es gibt aber auch so Leute, die sich nun gar keine Mühe geben. Die Erfahrung macht man doch beim Kindergeburtstag schon. Wenn man sich überlegt: Ach die Astrid könnte das und das ganz toll finden und dann verwirft man das nochmal und überlegt nochmal und man selber bekommt ´ne Tüte Haribo-Konfekt.“

(Alle lachen laut)

Habt ihr denn ein liebstes Weihnachtslied – oder ein schlimmstes?

Ekki: “Das schlimmste ist ganz klar „Stille Nacht“.

Markus&Ulrich: “Das find ich total schön.“

Ekki: „Nee, mit dem „Knabe mit lockigen Haar“…das ist ja so kitschig. Und das schönste ist „Maria durch ein Dornwald“ ging. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Markus: “Das ist auch mein Lieblingsweihnachtslied. Wenn das angestimmt wird, kann man dem kaum entgehen.“

Ekki: “Ich musste Weihnachten früher immer in die Kirche gehen. Das war im Sauerland und dann haben die dann Lieder angestimmt wie „Auf Christen, singt fröhliche Lieder“, das fand ich dann auch schön.

Markus: “Was ist mit „Heidschi Bumbeidschi“?

Ekki: „Das ist furchtbar. Das hat aber nichts mit Weihnachten zu tun. Das ist von Heintje! Und ich glaube ein schlesisches Gute-Nacht-Lied.“

Markus: “Ich dachte immer das ist von Peter Alexander. Und das hat nichts mit Weihnachten zu tun? Hmm.

Sonst kein schlimmstes Weihnachtslied, Markus?

Markus: “Da fällt mir gerade nichts ein.“

Was ist mit „Last Christmas“?

Markus: „Wenn ich das so furchtbar gefunden hätte, hätten wir das nicht gecovert. Ich fand das irgendwie gut.“

Wolfgang (Keyboarder, in zwischen dazugekommen): Was ich überhaupt nicht mag, ist „Kling Glöckchen“.

Ekki (lacht und singt): „Das ist doch super! Lalalala…ist so kalt der Winter…lalala…Kling Glöckchen klingelingeling… Das ist doch das bessere Jingle Bells.“

Und bei dir Ulrich?

Ulrich: Ich glaub mein liebstes Weihnachtslied ist „Have yourself a merry little christmas“ gesungen von  Judy Garland. Und mein nicht so liebstes Weihnachtslied…hm (überlegt)…eigentlich finde ich die deutschen Weihnachtslieder alle ganz schön. Ich find auch „Stille Nacht, heilige Nacht“ sehr schön. Wenn man sich da so eine schneebedeckte Dorflandschaft mit einer Kirche und einem Brunnen und zwei, drei Passanten vorstellt und einer fängt an zu summen – das ist dann eine Stimmung die zu einer Großstadt nicht passt, aber auf dem Land schon. Dann finde ich das sehr schön. Und „Last Christmas“  hör ich auch wahnsinnig gern. Da man es ja immer nur in diesen vier Wochen hört, hör ich mir das auch nicht über. Im Sommer wäre das doof.  Aber auf die Melodie muss man ja erst mal kommen, dieses (singt) „klingklingkling“, also diese Schlitten-Nebenbei-Melodie, die muss man erst mal komponieren.“

Dann vielen Dank für das Gespräch!

Wir danken auch.

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