Von Wegen Lisbeth-Konzert im ausverkauften Lido

Es gibt Konzerte, da steht man vor dem Kleiderschrank und sucht sich seine Obertrikotage nicht nach dem neuesten Schick aus, sondern ob sie atmungsaktiv und luftig ist. Ausverkauftes Lido heißt auch immer Dampfsauna.  Es wird heiß werden und voll. Nachdem „Von Wegen Lisbeth“ jede Menge der kleinen Clubs in Berlin bespielt haben, haben sie es nun ins Lido geschafft. Ein Träumchen. Die Band schickt glaubhaft  Begeisterung in die sozialen Netzwerke.

Liest sich gut, so eine Ankündigung: Sold out!

Berlin. Es ist der Samstag vor der Wahl und der Tag der Proteste. Nur ein Steinwurf vom Lido entfernt findet die Demonstration gegen CETA und TTIP statt, sie wird enden bevor der Einlass zum Club beginnt. Einige Mädchen haben noch bunte Fahnen mit „Nein zu CETA“ und „TTIP-ohne mich“ um die Schulter gelegt, sie kommen wohl direkt von der Demo.  Ein sympathisches Völkchen, diese Lisbeth-Fans.

Vor dem Lido sitzen kleine Gruppen und warten geduldig bis sich die Türen öffnen. Als die Band vorbei geht, wird geguckt und geflüstert. Zum Ansprechen ist man natürlich zu cool. Oder zu schüchtern.  Die Band registriert und genießt es. Man ist berühmt. So ein ganz kleines bisschen.

Das Publikum ist so jung, dass der Türsteher beim Einlass über die Schlange hinweg ruft: „Ihr könnt schon mal alle eure Ausweise raus holen“. Muss denn dieser Tonfall sein?, denke ich.  Den meisten Mittzwanzigern in der Reihe ist das höchst peinlich, so behandelt zu werden. Das kann man auch etwas dezenter lösen.

Drinnen füllt sich der Saal langsam, am Merchstand steht Robert von „Von Wegen Lisbeth“ und bringt Textil und Tonträger an Mann und Frau. Pünktlich 20.00 Uhr geht es mit dem Support „Neufundland“ los. Die Band aus Köln macht (auch) deutschsprachigen Indie-Pop und wird vom Publikum freundlich aufgenommen. Ein bisschen tanzen bevor es richtig losgeht, geht immer.

Doch letztendlich warten alle auf „Von Wegen Lisbeth“. Es ist ein Heimspiel für die Berliner Band, entsprechend warmherzig und euphorisch ist der Empfang. Es geht los mit „Komm mal rüber“ und die Stimmung steigt blitzartig in die Höhe, es wird getanzt und gewippt, es folgen „Cherie“, „Sushi“, „Wenn du tanzt“, „Störung im Betriebsablauf“ und „Bitch“. Spätestens bei „Bitch“ tobt der ganze Saal und reckt die Arme in die Höhe, Matthias müsste eigentlich gar nicht mehr singen, das kann das Publikum recht gut. Die feinen elektronischen Melodien sind so eingängig, dass man gar nicht anders kann als mitzutanzen. Es ist ein großer Spaß, nicht nur für das Publikum, auch auf der Bühne ist die Spielfreude bis in jede Faser des Körpers zu spüren. So richtig fassen können es die Musiker auf der Bühne noch nicht, was hier gerade passiert. Irgendwas Gutes, was bitte nicht so bald aufhören soll. Wenn man in die glücklichen Augen der Tanzenden schaut, brauchen sie sich da keine Sorgen machen.

Im November, so erzählt Sänger Matze, geht es nach Vietnam, wo sie endlich mal mit einem Lied auf dem Index stehen. Das ist cool, sagt er, das muss jede Band mal durchmachen. Allerdings ist das so harmlos, dass man schon wieder drüber lachen kann. Da es in Vietnam ein Verbot für Glücksspiele gibt, darf wegen der Passage  „2,60 Euro im Lotto verzockt“ der Song  „Drüben bei Penny“  nicht gesungen werden. Mehr Rock ‘n Roll geht nicht. Egal, auf der To-do-Liste ist der Punkt „Auf´m  Index stehen“ jetzt auch abgehakt.

Von Wegen Lisbeth im begeisterten, ausverkauften Lido

Weiter geht es mit „Milchschaum“, „Kafka Luise“ und „Hellersdorf“. Die Texte von „Von Wegen Lisbeth“ sind nicht so intellektuell  wie die der Hamburger Schule (die in der Generation sowieso niemand mehr kennt), sie sind einfacher, ein bisschen schlaumeierisch mit Schalk im Nacken. Sie sind geprägt von einer ausgesprochen guten Beobachtungsgabe für Alltagssituationen, die manchmal schon doof sind und schmerzhaft und irgendwie gar nicht nice. Aber anstatt in Melancholie und Weltschmerz-Jammerei zu verfallen, zaubern „Von Wegen Lisbeth“ wunderbare  verspielte elektronische Melodien dazu und verleihen den Songs eine Leichtigkeit, die so vielen anderen fehlt.

Die Hörerschaft dankt es ihnen.  Man darf endlich wieder einfach so Spaß haben. Als Zugabe gibt es u.a. „Meine Kneipe“, es wird nochmal ordentlich gefeiert und das Publikum wird-wie erwartet-durchgeschwitzt und glücklich in die Berliner Nacht entlassen. Schön war es.

Beide Folgekonzerte im Lido Anfang 2017 sind bereits ausverkauft. Es gibt noch Karten für das Konzert am 28.09.2017 im SO36. Noch.

Mehr Infos: vonwegenlisbeth.de

Text und Fotos: Alex D.

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