Von der Berlinale 2016 ins Kino

Die 66. Berlinale und damit 10 aufregende, überraschende und erlebnisreiche Tage gehen zu Ende. Viel Glanz zeigte sich auf dem roten Teppich, kurze und sehr lange Filme wurden gezeigt, Filme mit besinnlichen, aktuellen, aber auch unterhaltsamen Inhalten wurden diskutiert. Es war wieder ein unglaublich erfolgreiches Publikumsfestival, die Berliner und ihre Besucher hatten einen großen Anteil an der guten Atmosphäre, die dieses Festival ausmacht. Für alle, die es vielleicht doch nicht geschafft haben, sich einen Berlinale-Film anzuschauen-hier kommt meine persönlichen Lieblingsfilme, die es bald auch im „normalen“ Kino zu sehen gibt. Viele Spaß dabei!

Maggie’s Plan

Wer die Besetzung liest, weiß: da kann nicht viel schief gehen und so ist es auch. „Maggie’s Plan“ ist ein schöner, leichter Film, der auch von Woody Allen hätte sein können über ein Single (Greta Gerwig) in New York, die unbedingt plant Mutter zu werden, dann die Liebe ( Ethan Hawke) findet und letztendlich wieder (geplant!) verliert. Alles inmitten einer Patchwork-Familie mit Juliane Moore als überzeugend gespielt egozentrische Ex-Frau. Auch wenn der Film manchmal ein paar Längen hat und es mitunter an Tiefe und Intensität fehlt, ist er sehenswert, leicht und beschwingt-perfekt für ein erstes Date.

Genius

Genius ist die wahre Geschichte des Lektor Max Perkins, der Schriftsteller wie F. Scott Fitzgerald und Ernest Hemingway entdeckt und betreut. Der Zuschauer nun darf den Weg des noch unbekannten und erfolglosen Autors Thomas Wolfe verfolgen, dessen letzte Chance das Verlagshaus „Scriber´s Sons“ ist. Der erkennt das Talent und es entsteht ein Freundschaft zweier Menschen, die verschiedener nicht sein könnten. Colin Firth brilliert als introvertierter, aber aufmerksamer und geduldiger Lektor, der mit kleinen Veränderungen in der Mimik dem Zuschauer aus der Seele spricht. Dem gegenüber die Exzentrik, die Leidenschaft und die Verzweiflung mit der Jude Law den Autor darstellt. Die Intensität der beiden entfacht nicht nur ein kreatives Feuer, sondern hinterlässt auch verbrannte Erde. Das bekommen besonders die Frauen der beiden, gespielt von Laura Linney und Nicole Kidman zu spüren. Angenehm zurückhaltend und doch detailgetreu sind Ausstattung und Kostüm, die den Zuschauer auf eine Zeitreise in die 20er Jahre entführen . Für Literaturliebhaber ein Muss.

Hail, Caesar

Ja, es ist Klamauk, die Story ist dünn und zudem völlig unwichtig. Trotzdem ist es ein buntes Kinovergnügen und bietet das, was Kino (auch) machen soll:gute Unterhaltung. Spagettilasso und Matrosenstepptanz , Wasserfontänen, die Meerjungfrauen ausspucken und ein George Clooney, der den ganzen Film nicht aus seinem Lederröckchen kommt, provozieren zumindest ein Schmunzeln. „Hail, Caesar“ ist amüsant und absurd, ein buntes Spektakel des Hollywood der 50er Jahren mit überraschenden Gastauftritte, die nur einen Wimpernschlag dauern-man muss also schon genau hingucken. Fröhliches Popcorn-Kino.

L‘ avenir

Französische Filme wirken irgendwie immer etwas leichter, vielleicht liegt es an der Sprache oder einfach an der Mentalität. Die Geschichte der engagierten Philosophie-Professorin, dargestellt von Isabelle Huppert, die sich plötzlich unverhergesehenen Ereignissen stellen muss und die Frage ob Philosophie im Alltag anwendbar ist, ist vergnüglich und nachdenklich zugleich, gut inszeniert und ein kleines Highlight dieses Festivals.

Lotte

„Lotte“ aus der Sektion Perspektive Deutsches Kino ist ein guter Film. Man sollte reingehen, schon damit er refinanziert wird und Geld für etwas Neues da ist. Er schreit nach einer Fortsetzung, denn das Ende ist völlig offen. Es macht nicht viel Sinn über den Inhalt zu reden, da sonst der ein oder andere Aha-Moment vorweg genommen werden würde. Nur soviel: die Figur der Lotte ist so krass, dass man ihr ständig in die Fresse schlagen möchte und doch ahnt man, dass nicht sie allein Schuld daran ist. Es ist ein Beziehungsfilm über jemanden, der jegliche Beziehungen zu anderen, aber auch zu sich selbst verloren zu haben scheint, erschreckend realistisch gespielt von Karin Hanczewski. „Lotte“ ist aber auch ein Berlin- Film. Die Fahrten in der S-Bahn entlang der endlosen Baugerüste mag die Baustelle in Lotte selbst, das Zerbrechliche und Unfertige reflektieren. Sehenswert.

Die Prüfung

„Die Prüfung“ ist ein liebevoll gemachter Dokumentarfilm über das Aufnahmeverfahren an der staatlichen Schauspielschule Hannover. Er zeigt mal wieder, wie subjektiv (bei aller Mühe nach Objektivität) Auswahlverfahren sind. 687 Bewerber kämpfen um 10 Plätze,die Annahme gleicht einem Lottogewinn. Eine aufmerksame Kamera schafft Nähe, ohne sich aufzudrängen. Es wird überwiegend aus Sicht der Prüfer erzählt und so findet man sich als Zuschauer zwangsläufig selbst auf dem Prüferstuhl wieder. Gelegentlich möchte man protestieren, wenn der ein oder andere Kandidat rausfliegt, den man selbst ganz toll findet. Es ist erstaunlich mit welchem Enthusiasmus die Bewerber das ganze Theater (im wahrsten Sinne des Wortes) über sich ergehen lassen, aber auch mit wieviel Sorgfalt und Geduld die Prüfer jedes Jahr wieder versuchen, das Beste für die Schule aus den unzähligen Bewerbern herauszufinden. Dass eine Absage nicht das Karriere-Aus bedeuten muss, zeigt ein Bewerber, der es nicht geschafft hat und trotzdem den Weg auf die große Leinwand gefunden hat. Wer genau aufpasst und sich in der deutschen Filmlandschaft etwas auskennt, wird ihn erkennen. „Die Prüfung“ dokumentiert mit viel Empathie für beiden Seiten einen kleinen, aber wichtigen Schritt im Leben eines Schauspielers, der versucht, seinen Traum zu verwirklichen mit Bewerbern, die schon jetzt viel Spielfreude, Professionalität und Talent mitbringen. Als am Ende dann Bilder von Theateraufführungen mit den Schauspielstudenten, die aufgenommen wurden gezeigt werden, ist man unwillkürlich gerührt. Man wird noch von ihnen hören.

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3 comments

  1. Danke für die tolle Zusammenstellung der Berlinale-Filme, ich bin schon total gespannt auf Genius, weiß schon jemand wann der in die Kinos kommt?

  2. Gute Zusammenstellung, so etwas habe ich gesucht. Leider habe ich etwas die Lust auf den neuen Coen Brüder Film verloren, aber vielleicht ist das unberechtigt und ihr könnt ja nichts dafür :-). Klamauk ist nichts meine Sache.

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