Buchvorstellung: RIAS-Berlin – Eine Radio-Station in einer geteilten Stadt

Frohen Mutes nahm ich dieser Tage ein Buch zur Hand, das sich mit der Geschichte des RIAS beschäftigt hat, aber obwohl das Schwergewicht über 400 reich bebilderte Seiten hat, habe ich meinen RIAS darin nicht gefunden. Dazu muss ich aber etwas ausholen – und das fängt schon mit der Erklärung des Namens an, die nicht jedem Jüngeren geläufig ist, denn den RIAS gibt es seit 1992 nicht mehr.

RIAS-BuchRIAS heißt ganz einfach Rundfunk im Amerikanischen Sektor, und die Gründung des RIAS war die Reaktion darauf, dass die Rote Armee das im britischen Sektor gelegene Haus des Rundfunks (Masurenallee) nicht wieder herausrückte und nur linientreue Kommunisten ans Mikrofon ließ. (Tatsächlich zog der Berliner Rundfunk der DDR erst 1952 in die neuerbaute Nalepastraße, der SFB nahm dann erst 1957 seinen Sendebetrieb auf).

Insofern hatte der RIAS als eine weit im Ostblock gelegene Radiostation eine überaus wichtige Rolle als Nachrichtenmedium, was sich schon daran zeigte, dass die DDR den Empfang mit Störsendern unmöglich machen wollte. Im Laufe der Zeit wurde die Sendeleistung des RIAS aber derart stark, dass die Störsender aufgaben, und in Britz (= Sendemast) konnte man angeblich auf der elektrischen Kochplatte Radio hören. Ich lehne mich jetzt mal sehr weit aus dem Fenster und behaupte:

Eine derartige Bedeutung, wie sie der RIAS im Nachkriegsdeutschland gehabt hat, hat es vorher nie gegeben und wird es auch nie wieder geben !

In einer fernsehlosen Zeit, in einer Zeit der Papierknappheit und jeder Möglichkeit von privaten Aufzeichnungen beraubt, gab es durch den RIAS schon sog. Straßenfeger, bevor dieser Begriff mit den Durbrigde-Krimis in den allgemeinen Sprachgebrauch aufgenommen wurde. Will sagen: an Abenden, an denen Günter Neumanns „Insulaner gesendet wurden, nahm man sich nichts vor, sondern saß vor dem Radio, um sich über den Jenossen Funzionär und den PG Klaus-Dieter zu amüsieren. In der DDR wurden zu dieser Zeit regelmäßig Parteiveranstaltungen anberaumt, damit auch ja Keiner diese schändliche Westsendung empfängt.

Bildschirmfoto 2015-11-28 um 19.07.01
8 CDs mit Berliner Nachkriegsgeschichte

Und natürlich war der RIAS auch am Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 schuld, wie man dem Kommentar Karl-Eduard von Schnitzlers entnehmen konnte.

Aber das habe ich alles auch erst Jahre später erfahren, konkrete RIAS-Erinnerungen eines Nachkriegs-Berliners waren eher diese: Kinderfunk mit Onkel Tobias, Schlager der Woche mit Fred Ignor, Pension Spreewitz mit Edith Hanke, Wer fragt, gewinnt mit Hans Rosenthal und um 3 Uhr nachmittags der obligatorische Schulfunk mit hörspielhaftem Geschichtsunterricht. Und wenn Rock over RIAS lief (= 6 Std. nächtlicher Rock´n Roll), wurden in Berlin und Umland die Tonbänder knapp. Alles das findet man in o.a. Buch eher zufällig unter den verschiedensten Rubriken, der inhaltliche Aufbau des Buches ist mir da ein Rätsel wie auch das Umschlagsfoto. Der unnachahmliche Insulaner wird z.B. erst auf Seite 372 erwähnt, die Krimi-Serie Es geschah in Berlin*) wird nur in einem Nebensatz erwähnt, also ich war einigermaßen enttäuscht. Und das Wichtigste: In einem Werk über den Hörfunk hätten doch sicher einige Hör-Beispiele mittels CD beiliegen können – wird ja nicht die Welt kosten. Alleine schon das RIAS-Pausenzeichen („Das ganze Deutschland soll es sein“) würde bei vielen alten Berlinern Tränen der Erinnerung auslösen, auch der 12-Uhr-Klang der Freiheitsglocke oder der Jingle von den Schlagern der Woche wären nicht schlecht, aber zum Trost habe ich hier eine Internet-Adresse gefunden, auf der man das alles hören kann.

*) Habe ich natürlich verbotenerweise mit meinem Detektor-Gerät (stromlos !!!) unter der Bettdecke gehört

Vielleicht sollte das nächste RIAS-Buch von den Hörern und nicht von den Machern gestaltet werden, da ist also noch eine Marktlücke. Wer sich aber selbst ein (Hör-) Bild machen will:  Verlagsseite zum RIAS-Buch,  ISBN 3-496-02536-0

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Uralter Urberliner. Taxifahrer, Eisenbieger, Schneeschipper, Student, Wagenwäscher, Bananenverkäufer, Bauleiter, Ausbilder, Dozent, Hilfsarbeiter, Operator, Systemanalytiker, Autor, Stadtführer, SES-Experte, Seniorenfahrer, Berliner Schnauze, usw. usw. Ich glaub´, ich habe nichts vergessen . . . . . .

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3 comments

  1. Gut gemacht, mein Lieber. LG von Pit

  2. Hallo,

    ich kann mich der Meinung von Pit nur anschließen. Das Buch ist sehr gut und ich werde es mir definitiv zulegen.

    LG,
    Sabine

  3. Ich habe dieses Buch verschlungen! Grosses grosses Lob an die Autoren!

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