Musik-Kasperett von und mit der bekannten Band "Zärtlichkeiten mit Freunden" im BKA-Theater

Am 04.10.2015 fand ein Gastspiel der bekannten Band Zärtlichkeiten mit Freunden statt. Schon beim Kauf der Karten im Theaterkassen-Stübchen des S-Bahnhof Alexanderplatz ereignete sich folgender bemerkenswerter Dialog mit der Dame (Typ: moderne Oma), die hinterm Tresen die Berliner Kulturszene verwaltete und unters Volk brachte.

Ich: „Guten Tag. Ich hätte gern zwei Karten für „Zärtlichkeiten mit Freunden“ am Sonntag im BKA-Theater.“
(Ich wollte schon ansetzen, ihr zu erklären, um was es sich da handelt, der Titel lässt ja gedanklichen Spielraum in jegliche Richtung zu. Sie sollte nichts Falsches denken. Zu meinem Erstaunen gerät sie sofort in ekstatische Verzückung.)

Sie:
„Ja, wie wunderbar! Die Zärtlichkeiten mit Freunden! Ganz famose Jungs! Sehr gerne. Kennen Sie die schon?“

Ich: “Nein. Also…nicht wirklich.“

Sie:
“Aber aus dem Fernsehen?“

Ich: “Ja, aus dem Fernsehen. Da hab ich sie schon mal gesehen.“

Sie:
“Sehen Sie…eine ganz wunderbare Sendung, finden Sie nicht auch? Schau ich mir immer an-dieses „Zärtlichkeiten im Bus“. Das machen sie gut die beiden, nicht wahr? Aber auf der Bühne sind sie auch ganz toll. Gaaanz toll, sag ich Ihnen! Sehr feiner Humor! Was werden Sie lachen!“

Sie lacht und macht mit dem Händen Bewegungen in der Luft, die ich nicht deuten kann. Sie ist wohl begeistert. Ich bin verwirrt.

Ich: “Aha. Sehr schön. Also zwei Karten, bitte. Für den Sonntag.“

Sie: “Haben Sie denn schon den Liebesbrief abonniert?“

Ich: “Den…bitte was?“

Sie (flüstert): “Die beiden Herren verschicken Liebesbriefe. Jeden Monat. Auch an Sie, wenn Sie möchten.“

Ich überlege kurz, ob die ältere Dame wohl eine Tante der Künstler ist, die ihren Neffen hier an die Frau bringen will und gucke etwas misstrauisch.

Ich: “Danke, aber ich möchte die Herren eigentlich nur einmal auf der Bühne sehen.“

Sie (lässt nicht locker): “Aber Sie müssen den Liebesbrief abonnieren! Allein das Lesen dieser Briefe ist schon ein Vergnügen! Auf der Webseite von denen können Sie den Liebesbrief abonnieren. Machen Sie das?“

Da sie keine Anstalten macht, mit dem Verkauf der Karten fortzufahren, bevor ich antworte, überlege ich, dass es jetzt wohl die beste Lösung ist, einzulenken.

Ich: “Na gut. Ich lasse mir einen Liebesbrief zuschicken. Und…wie sieht es jetzt mit den Karten aus?“

Sie nickt zufrieden und sucht dann gewissenhaft auf ihren Saalplan Plätze mit optimalem Sichtwinkel zur Bühne, geringem Lichteinfall und minimalem Zug, Nähe zur Bar und Distanz zum WC. Wenn sie noch Blumen für unseren Tisch in Auftrag gegeben hätte, es hätte mich nicht gewundert. Die Schlange hinter mir wird immer länger. Das ist mir etwas peinlich, aber ich kann ja nichts dafür. Dann endlich hatte ich die Karten. Der Abend kann kommen!

Tatsächlich bin ich durch besagte Fernsehsendung auf die Künstler aufmerksam geworden. Die Sendung wurde nach der Band benannt und spielt in einem fahrenden Bus. Daher rührt auch der Titel „Zärtlichkeiten im Bus“, in Anlehnung an „Zärtlichkeiten mit Freunden“. Die Band-bestehend aus den Kunstfiguren Ines Fiewa und Cordula Zwischenfisch-sind die etwas schrägen Gastgeber. In diesen Bus werden Gäste eingeladen, Musiker und Schauspieler, und dann wird geredet und musiziert. Sie läuft unregelmäßig am späten Abend (manche sagen auch nachts) im MDR.

Die Sendung wird mit unglaublich viel Aufwand, Planung, Vorbereitung und Detailverliebtheit produziert. Dem Gast wird ein individuelles Wohnzimmer ausgerollt, wo er sich nur wohlfühlen kann. Sehenswert, wenn man den jeweiligen Gast mag, denn der wird, entgegen anderer Sendungen mit Gästen, uneingeschränkt in den Mittelpunkt gestellt. Man könnte auch sagen es ist eine Lobhudelei, auch wenn der Gast das nicht gleich merkt. Ich bin mir sicher, die Sendung würde auch ohne Maskerade und Kostüme der Gastgeber funktionieren-vielleicht sogar besser. Hoffentlich kommt mal jemand auf die Idee den beiden Männern dahinter-Christoph Walther und Stefan Schramm- eine Talkshow zu geben, wo sie einfach sie selbst sind. Das Humoristische geht dabei ja nicht verloren und ich bin überzeugt davon, dass das eine Bereicherung für das mitteldeutsche-ach, für das Fernsehen überhaupt-wäre.

Zärtlichkeiten mit Freunden(Foto: Steffen Rinka)
Zärtlichkeiten mit Freunden (Foto: Steffen Rinka)

Doch zurück zum Abend im BKA-Theater. Die Sektgläser sind gefüllt, das Publikum wartet gespannt. Das Licht wird gedimmt und Ines und Cordula betreten unter Applaus die Bühne. Was folgt, ist vor allem die Entdeckung der Langsamkeit und der Pausen. Doch das stört nicht, denn der Witz steckt im Detail. So dauert es ewig bis Cordula die richtigen Drumsticks bereit hat, das Mikrofon von Ines ist immer zu hoch eingestellt und der Soundcheck wird aufgrund der absurden Dialoge selbst zur Lachnummer. Das Zwerchfell ist dauerhaft in Lauerstellung. Sie sind die Könige der Situationskomik. Denn alles, was fein säuberlich einstudiert ist, könnte tatsächlich so passieren. Die Dialoge haben wahrscheinlich irgendwann mal so stattgefunden und wurden nur noch benutzt und ausgebaut. Was da gesagt wird, ist viel Blödsinn, viel Wahrheit und viel augenzwinkernder Humor.

Wir alle kennen Situationen, in denen irgendwas passiert, was nicht geplant war, in denen das Unerwartete den Alltag durchbricht, in denen Freunde eine trockene Bemerkung machen, beabsichtigt oder nicht, die so treffend ist, dass das Lachen aus einem herausbricht und man sich für Minuten nicht mehr fangen kann. So sitzt man auch hier, schluchzt hilflos inmitten seiner Lachtränen und bittet um Gnade, doch das Gehirn verarbeitet bereits den nächsten Satz, der von der Bühne kommt und die Deiche brechen wieder.Es ist kein kabarettistisch-nachdenkliches Lachen, was da produziert wird, sondern ein ehrliches befreiendes Lachen, das, wenn es einmal den Nerv getroffen hat, nicht mehr zu verhindern ist.

Der Inhalt des Programms ist zweitrangig, was zählt ist das, was zwischen den Zeilen passiert. Wenn einem erklärt wird, wie eine Reihenschaltung funktioniert oder dass Leute mit dicken Pullovern prima Akustik-Absorber sind, dann ist das eben nur lustig, wenn man das live hört. Immer mal wieder wird nach langen Vorbereitungsphasen und Diskussionen das ein oder andere bekannte Lied zum Besten gegeben, Stücke aus „Dirty Dancing“ für die Damen oder „Life is Life“ zum Mitsingen fürs Publikum, was natürlich nicht gleich so funktioniert, wie erhofft. Auch da ist Kalkulation drin, das erkennt auch das Publikum und macht trotzdem amüsiert mit. Es ist ein großer Spaß.

Dass die beiden von „Zärtlichkeiten mit Freunden“ auch durchaus politisch und ernsthaft ein können, zeigen sie zwar sehr dezent auch im Programm, doch viel deutlicher danach. Natürlich haben sie, wie es sich für jeden bekannte Band gehört, Merchandise dabei oder wie es hier heißt: Obertrikotagen. Diese sind nicht nur schön, sondern auch aus gentechnikfreier Bio-Baumwolle, Fairtrade und klimaneutral produziert. Lustige Buttons gibt es auch, beim Kauf eines Nickis sogar kostenfrei dazu. Auf dem Verkaufstisch liegen Flyer der Europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA und man wird aufgerufen zur Demonstration „Stop TTIP“ am 10. Oktober in Berlin zu gehen – sie werden auch da sein. Wir nun auch.

Ein Wiedersehen auf der Bühne gibt es am 10. und 11. März 2016 – wieder im BKA Theater in Berlin. Empfehlenswert!

Foto: Pressefreigabe/Steffen Rinke

Link: zaertlichkeitenmitfreunden.de

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