Inselleuchten 2015 mit Woods of Birnam, Till Brönner und Slixs

Es gibt Festivals und es gibt Festivals für Erwachsene. Der Unterschied besteht darin: bei Letzterem wird nicht gecampt. Keine krabbelnde Käfer im Zelt, keine überfüllten Duschen und wenn der Festivaltag vorbei ist, ist er vorbei. Die Zuschauer werden nach Hause geschickt und man verpasst auch nichts, wenn man die Nacht nicht durchmacht. Ich finde den Gedanken sehr angenehm. Irgendwann ist ja auch mal gut mit dem Jugendwahn. Kein Wunder also, dass das Inselleuchten-Festival von Radio Eins-dem Radio für Erwachsene-präsentiert wird.

Titelbild

So setzen wir uns an dem heißesten Tag des Jahres ins Auto und verlassen die Stadt, über die die Hitze wie unter einer Käseglocke steht. Ich habe mir den Samstag für den Besuch ausgesucht, weil mir das Programm besser gefiel. Die Straßen sind leer. So leer, dass man denken könnte man sei irgendwo auf dem Highway in den Staaten, nichts deutet darauf hin gerade eine Millionenstadt verlassen zu haben. Kein Mensch ist bei dieser Hitze unterwegs-außer ein paar Verrückten wie wir. Wir drehen die Musik laut auf, lassen die Fenster herunter und uns vom Fahrtwind kühlen. Ich habe Gummibärchen mit, die zu einer großen klumpigen Masse verschmolzen sind. Die Stimme aus dem Navi führt uns runter von der Autobahn über Felder und Wiesen nach Marienwerder. Wir staunen über Kühe, die im Schatten der Bäume dösen und Korn, das sich im Wind wiegt.

Bunte Schilder führen uns zum Parkplatz, der von der Freiwilligen Feuerwehr bewacht wird. Es kostet nichts, aber man darf für die Jugendfeuerwehr spenden. Es gibt von da aus einen Shuttle-Service für einen Fußweg von etwa 7 Minuten. Wir laufen. So alt sind wir nun doch wieder nicht. Eine kleine Brücke führt zur Insel. Am Ufer schwimmen überdimensionale Seerosen, im Wasser planscht eine Nixe mit blauem Haar. Eine Nixe! Man taucht in eine Zauberwelt ein. Elfen und Feen begrüßen die Gäste und verteilen Programmhefte. Überall, zwischen Gräsern und Bäumen, hängen Lichterketten und sind Kerzen und kleine Lampions versteckt. Noch ist es hell, aber wir ahnen schon jetzt, wie großartig das illuminiert aussehen muss. An den Ständen aus Holz gibt es gekühlte Apfel-Holunder-Schorle und grüne Bowle mit Gurke, Trauben und Minze.

Axel Prahl, der Moderator, hat eine Zeit lang in Marienwerder gelebt. Daher hat er eine besondere Verbindung zu dem Festival. Er führt mit sichtlicher Freude durch den Abend und lässt es sich nicht nehmen, mit dem ein oder anderen der Gäste ein bisschen zu musizieren. Es geht los mit der A-Cappella-Band Slixs. Sechs kraftvolle Stimmen geben eine bunte Mischung aus Pop, Funk und Klassik zum Besten und wenn man es nicht wissen oder sehen würde, könnte man durchaus denken, dass da ein Instrument im Hintergrund sein muss-ist es aber nicht. Es ist schon beeindruckend zu wieviel eine gut trainierte Stimme fähig ist und wenn sich gleich sechs unterschiedliche Stimmen so fein abstimmen, klingt das wie ein kleines Orchester. Sie scherzen mit dem Publikum und verbreiten sommerlich gute Stimmung mit dem Beat und dem Klang ihrer Stimmen.

Slixs
Die Umbaupausen werden durch Kleinkünstler gefüllt: Stelzenartisten, Feuerakrobaten, Trapezkünstler und Tangotänzer wandeln über die Insel und zeigen an verschiedenen Ecken-im Wald, oder am Ufer ihre Künste. So verteilt sich das Publikum, es kommt in Bewegung und ruht dann auch wieder, wenn es von einem der Zauberwesen in den Bann gezogen ist. Der Zirkus kommt zur Ruhe, wenn es auf der großen Bühne weiter geht.

Schiff
Die meisten der Anwesenden haben heute wohl auf Till Brönner gewartet. Jazz ist ja auch Musik für Erwachsene, ich kenne jedenfalls wenige Teenager, die darauf abfahren. Ich mag Till Brönner, obwohl ich eigentlich kaum Jazz höre. Er ist eben nicht nur Musiker. Till Brönner fotografiert auch gerne und hat einen wirklich guten Portrait-Fotoband herausgebracht. An seinen Fotos erkennt man oft, wie ein Mensch die Welt und seinen Mitmenschen sieht. Wer neugierig geworden sein sollte, sollte mal einen Blick in sein Fotobuch „Faces of Talent“ werfen. Es lohnt sich.

Axel Prahl taucht wieder auf und er und Till Brönner spielen zusammen. Axel singt und spielt Gitarre, Till begleitet und improvisiert an der Trompete. Sie haben sichtlich Spaß daran und das Publikum jubelt. Was folgt, sind knapp zwei Stunden Jazz, Crossover und Klassik. Das musikalische Quintett ist professionell und eingespielt und die Melancholie, die eine Trompete verbreitet, passt in das Ambiente. Ich warte und hoffe, dass er mehr Stücke von seinen „Movie Album“ bringt, immerhin ist das seine letzte CD. Doch er bleibt bei Stücken, die für die Mehrzahl der Zuhörer unbekannt sind. Da es mittlerweile dunkel geworden ist, haben die sich wiederholenden Improvisationen eine meditative und fast eine einschläfernde Wirkung. Da wundert es mich nicht, dass jüngere Leute kaum Jazz hören, wenn es da nicht auch mal richtig kracht oder man zumindest eine bekannte Melodie wiedererkennt.

Danach lichten sich die Reihen etwas, denn es ist spät geworden. Ältere Besucher und Familien mit Kleinkindern machen sich auf dem Heimweg. Es ist 23.30 Uhr und die Nacht hat sich über die Insel gelegt. Dabei ist es erst jetzt richtig schön! Die Temperatur ist von 38 Grad auf 28 Grad gesunken und die gesamte Insel leuchtet jetzt. Unzählige Windlichter säumen die Wege, Fackeln beleuchten die Ufer, Lichterketten beleuchten Bäume und Hängematten. Während sich Woods of Birnam, die letzte Band des Abends, beim Soundcheck auf das Nachtkonzert vorbereitet, bummeln wir noch etwas über die Insel. Ein Boot schippert die Besucher über die Gewässer, auf denen große Leuchtkugeln schwimmen. Wir klettern auf Schaukeln, die an langen Seilen über einem Steg am Ufer hängen. Wenn man richtig Schwung holt, baumeln die Beine über dem Wasser. So schaukeln wir eine Weile im Mondschein. Das ist Entspannung und Romantik pur.

Endlich geht das Konzert los, auf das wir schon den ganzen Abend gewartet haben. Vorfreudig wippe ich mit den Füßen kleine Kuhlen in den Barnimer Sandboden. Woods of Birnam, die eben noch in kurzen Hosen übers Gelände geschlendert sind, haben sich bühnenfein gemacht und tragen jetzt schicke lange schwarze Hosen und Hemden, obwohl es immer noch drückend heiß ist. Respekt.

Woods of Birnam machen- im weitesten Sinne- Popmusik. Die Songs sind so vielfältig, dass man sie kaum in eine Genreschublade stecken kann. Einer der ersten Lieder „Closer“ ist aber definitiv Pop, mit treibenden Rhythmus und einer eingängigen, schönen Melodie, die in Gehörgänge und ins Herz kriecht. Mit „Remembrance“ und „I ´ll call thee Hamlet“ werden die Erfolgslieder aus der umfeierten „Hamlet“-Inszenierung am Dresdner Staatsschauspiel gespielt, wo die Band und Frontman Schauspieler Christian Friedel regelmäßig auf der Bühne begeistern. Dort gibt es ab September ein neues Stück- „Die Zuschauer“- zu sehen, die Musik dazu kommt auch von Woods of Birnam. Ein Lied daraus darf man an diesem Sommernachtsabend auch schon hören: „A fairy song“, das Lust auf mehr macht, mit einer wunderschönen Melodie und Hitpotential. Lieder wie „Down“ und „Soon“ schlagen dann leisere Töne an. Einfühlsam und intensiv singt Christian Friedel die Ballade.

Und dann schaffen Woods of Birnam etwas, was an diesem Festivaltag sonst niemand geschafft hat: sie bringen die Leute zum Tanzen. Endlich wird es doch noch einmal etwas lauter auf der Insel, bei „Dance“ wird es voll vor der Bühne. Die Leute haben Lust zu Tanzen und der Synthie-Pop ist die passende Musik dazu. Viel zu schnell geht der schönste Teil des Abends vorbei.

Woods_of_Birnam_Band3
Am Ende kommen nochmal alle Musiker des Festivals (außer Till Brönner, der musste früher los) auf die Bühne und Axel Prahl, Christian Friedel und Slixs jammen einen Dankeschön-und-Auf Wiedersehen-Song.

Schön war´s. Das Inselleuchten 2015.

Lichter

 

Alle Fotos: Copyright Alex/InBerlin.de

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