Die West-Berlin-Ausstellung im Ephraim-Palais

Als oller Westberliner, der sich von der Welt unverstanden fühlt, musste ich ja wohl mal diese Ausstellung besuchen, um zu sehen, ob die Stiftungsgelder auch sinnvoll ausgegeben werden. Hier nun mein Resümee und gleich noch der Hinweis, dass man noch bis zum 28.6. dieses Jahres die Chance nutzen sollte, diese „Suche einer Insel nach dem Festland“ zu besuchen.

Als typischer Berliner (West wie Ost!) muss ich aber erst mal meckern. Mein Westberlin-Gefühl hat sich nicht so richtig eingestellt, es wird der – stark plakatorientierte Aufbau – irgendwie nicht so richtig erklärt. Auch der Ort passt eigentlich nicht so richtig zum Thema: ein Rokoko-Haus in Ostberlin. Im Amerikahaus oder im verwahrlosten Kudamm-Karree wäre das stimmiger, aber da gibt es halt Sachzwänge (vermute ich).

Das West-Berlin-Gefühl
war eigentlich immer, zwischen allen Stühlen zu sitzen. Zusätzlich gab es in den 50er und 60er Jahren doch ein gewisses Bedrohungsgefühl, weil unter Ulbricht die DDR sich Westberlin ständig einverleiben wollte.

Der weiße Fleck auf dem DDR-Stadtplan
Der weiße Fleck auf dem DDR-Stadtplan

Meine Familie hat persönlich erlebt, wie Walter Linse aus Berlin-Lichterfelde gewaltsam mit dem Auto entführt worden ist. Solche Erlebnisse prägen! Nach dem Chruschtschow-Ultimatum 1958 sind denn auch etliche aus Berlin „abgehauen“ (und manche Makler haben sich daran bereichert). Und nach dem 13.August ´61 erst fühlte man sich in dieser Stadt restlos verraten und verkauft. Zur Erinnerung: Das abgebildete Zitat stammt von Kennedy und ist vom Januar (!) 1961 und betraf Berlin als Ganzes, nach dem Mauerbau galt es dann plötzlich nur noch für Westberlin.

Im Januar 1961 wollte man noch für (Ganz-?) Berlin kämpfen
Im Januar 1961 wollte man noch für (Ganz-?) Berlin kämpfen

Irgendwie haben die Berliner das dann vergessen, als sie 2 Jahre später J.F.K. gefeiert haben. Empört waren sie nur darüber, dass sich (ausgerechnet!) Adenauer neben Kennedy auch zujubeln ließ, denn der war natürlich der „Hauptverräter“.

Danach setzte in Westberlin dann eine gewisse Festungsmentalität ein, mit auch nicht immer angenehmen Folgen. Denn wenn es in der DDR einen Paragraphen wegen „staatsfeindlicher Hetze“ gab, so gab es den in Westberlin als ungeschriebenes Gesetz. Jede Kritik am Senat, an der Polizei, an der Bildung, an den Mietgesetzen wurde mit dem Argument „dann geh´ doch nach drüben !“ erschlagen. Die Art, wie selbst Richard Nixon (Sie erinnern sich ??) in Berlin noch gefeiert wurde, ist heute nur noch peinlich.

Das war schon fast verordneter Jubel
Das war schon fast verordneter Jubel

Westberlin als Narrenschiff ?
Erst nachdem ein Berliner (Willy Brandt) Bundeskanzler wurde, besserte sich durch die neue Ostpolitik die Lage, und die seltsame Zwittersituation der „selbständigen politischen Einheit Westberlin“ (mit etlichen Ausnahmegesetzen) lockte jede Menge bunter Vögel an: Aussteiger, Kriegsdienstverweigerer, Politologiestudenten, Künstler, Schauspieler und Bundespolitiker in der Auslaufphase. Jedenfalls vermittelt die Ausstellung ein bisschen das Gefühl, dass Westberlin eher ein Narrenschiff als eine Insel im roten Meer war. Das muss aber jedeR selbst beurteilen, ich verweise nur mal auf meinen Artikel zur Berliner Ruppigkeit. Eine kuriose Metapher zu Westberlin ist das ausgestellte Kunstherz aus dem Virchow-Klinikum. Will wohl sagen, dass der Kreislauf der Insel von außen (BRD) am Leben gehalten wurde. Wobei die Berechnung, was Westberlin den Bund gekostet hat, völlig irrsinnig und nicht nachvollziehbar ist. Was hat die Nato oder die Nachrüstung denn gekostet? Wieviel DM hat man denn über den „Interzonenhandel“ (Zone, haha !) in die DDR gepumpt? Fragen über Fragen, die nicht beantwortet werden.

Das Kunstherz aus Moabit - als Metapher für Westberlin
Das Kunstherz aus Moabit – als Metapher für Westberlin

Noch ´ne Petitesse
Die Ausstellungsmacher drücken sich elegant um das hochpolitische Problem der richtigen Schreibweise von WEST:BERLIN (s. Eingang)

Diese Schreibweise gab es nie !
Diese Schreibweise gab es nie !

Richtig (nach Duden) ist eigentlich Westberlin – wie Nordkorea, oder Südpol o.ä. – aber dieser Terminus hat mir mal im öffentlichen Dienst eine ziemliche Rüge eingebracht, denn nach den Berlin-Abkommen hieß es dann immer: Berlin (West). Wobei Berlin-W wiederum nicht ging, denn das war ein historischer Bezirk, West-Berlin war auch verpönt, und erst recht der Begriff von der „selbständigen politischen Einheit West-Berlin“. (Ostberlin oder Berlin (Ost) durfte man auf Einreiseanträgen natürlich auch nicht schreiben, denn es handelte sich ja um die Hauptstadt der DDR. Der schlimmste Versprecher an der Grenze war aber das Wort Ostzone – da gab´s immer drei Stunden Einzelverhör zur Strafe!)

Anfangs durfte man noch "Westberlin" schreiben. Prost !
Anfangs durfte man noch „Westberlin“ schreiben. Prost !

Fazit: Die Ausstellung war überfällig, lädt zu angeregten Diskussionen ein und sollte irgendwann noch einmal überarbeitet in WEST:BERLIN gezeigt werden. Ich hätte dafür so einige Stichpunkte: RIAS und der Insulaner / Die „Tarantel“ und der Verband freiheitlicher Juristen / Siemensstadt und die Siemens-Bahn / „Grenzgänger“ und die Wechselstuben / Der Transit (West) und der Drittland-Transit / Schwedler und die Autobahnplanung / Das Grips und die Wilmersdorfer Witwen / Die WuB und die Alternative Liste / Der Teufelsberg und der CIA / Russen in Tiergarten und Amis in Potsdam / Die Geisterbahn und die „Intershops“ / Die S-Bahn und die Bahnpolizei der DDR / Die „Wahrheit“ und der „Extra-Dienst“ / Der DGB und der S-Bahn-Boykott / usw.

Und einen Sonderbeitrag würde ich der bayerischen Grenzpolizei in Rudolphstein widmen, die alle westberliner Studenten für Terroristen hielt und an der deutsch-deutschen Grenze schikaniert hat. Basta!

About Wolfkamp

Uralter Urberliner. Taxifahrer, Eisenbieger, Schneeschipper, Student, Wagenwäscher, Bananenverkäufer, Bauleiter, Ausbilder, Dozent, Hilfsarbeiter, Operator, Systemanalytiker, Autor, Stadtführer, SES-Experte, Seniorenfahrer, Berliner Schnauze, usw. usw. Ich glaub´, ich habe nichts vergessen . . . . . .

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4 comments

  1. (Die West-Berlin-Ausstellung im Ephraim-Palais)

    Wie würdest Du es finden, wenn bei eventuellen weiteren Ausstellungen, ein Typ wie Du mit vielen Ideen (RIAS und der Insulaner / Die „Tarantel“ und der Verband freiheitlicher Juristen / Siemensstadt und die Siemens-Bahn / „Grenzgänger“ und die Wechselstuben / Der Transit (West) usw.) bei der Stiftung Stadtmuseum Berlin, sich einbringen würde. Ich glaube, dass Du ein sehr kooperativer Mensch bist und beide Seiten könnten davon profitieren. Pack es an!!!
    Dein Beitrag hat mir gut gefallen.

  2. Dein Artikel hat mir auch sehr gefallen. Bin ja schließlich sowas wie ein Zeitzeuge. Weiter so

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