Postkarte aus Vancouver

Der Flieger hebt ab an einem sonnigen Herbsttag in Berlin Tegel. Die Stadt wird kleiner, grüner. Der Tiergarten ist von oben gesehen echt groß. Ist man da je total durch spaziert? Nach kurzer Zeit kommt die Ostseeküste in Sicht, dann Zwischenstopp in London.

Raus aus dem Flieger und rein in den Flieger nach Kanada, nach Vancouver. Von Vancouver wird gesagt es wäre eine der lebenswertesten Städte der Welt. Anschauen lohnt sich, für $9 eine Tageskarte kaufen und kreuz und quer mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt fahren. „Ist genauso einfach wie in Berlin!“ stand im Internet.

Vancouver - Das Kreuzfahrtschiffterminal ist voll belegt
Vancouver – Das Kreuzfahrtschiffterminal ist voll belegt

Nicht schlafen im Flieger, lieber fotografieren. Die Südspitze Grönlands, Baffin Island, Nunavut, den Great Slave Lake, dann über die nördlichen Rocky Mountains nach British Columbia. Jetzt langsam Schuhe wieder anziehen, und im winzigen Bad des Flugzeuges stadtfein machen. Der Landeanflug auf Vancouver ist eine wasserreiche Angelegenheit.

Eine Runde über den Pazifischen Ozean drehen (ziemlich tief), einmal den Fraser River hoch und hinunter. Endlich setzt die Boing zur Landung an. Es holpert ordentlich, 478 Stoßgebete erreichen gleichzeitig den Himmel, das Flugzeug taucht durch die niedrig hängenden Wolken nach unten, beim letzten Geholper setzt der unvermeidliche Applaus ein. Der feste Boden von Vancouver ist erreicht.

Der Flughafen von Vancouver ist eine Schönheit und lohnt sich anzuschauen. Der Zöllner freut sich wenn sein Flughafen gemocht wird und so rollt man nach kurzer Zeit den Koffer aus der Ankunftshalle. Wer nicht gern indisches Taxi fährt nimmt den Sky Train. Das ist Vancouvers elektrische Stadtschnellbahn die führerlos und im 10-Minuten-Takt die Millionenstadt durchkreuzt.

Einmal umsteigen und an Nanaimo Station aussteigen. Bis hierher haben es die aus fünf bis sechs Hochhäusern bestehenden Satellitenstädte rund um die Sky Train Stationen noch nicht geschafft. Kleine Einfamilienhäuser mit Gärten und den praktischen back roads dahinter säumen die ruhigen Straßen. In einem davon wird in den nächsten Wochen gewohnt. In Berlin richtet sich zur gleichen Zeit ein Pärchen aus den USA in der verlassenen Wohnung ein. Gebucht haben beide über Airbnb. Auspacken, Bett testen, endlich duschen, umziehen und dann raus in die Weltstadt!

Aber die ist in diesem Teil ziemlich ländlich. Auf einem Teich schnattern Enten, davor tratschen Hausfrauen, ihr Nachwuchs spielt. Eifrige Jogger und Kampfradler ziehen Runden auf den asphaltierten Parkwegen. Ganz in der Nähe verläuft die berühmte Commercial Street. Dort findet man Menschen und Essen aus aller Herren Länder, das echt afrikanische Abendessen köstlich.

Vancouver - Industriegeschichte trifft Industriemoderne
Vancouver – Industriegeschichte trifft Industriemoderne

Am nächsten Morgen mit dem Sky Train nach Downtown. Der Stanley Park ist eine Halbinsel direkt an der Pazifikküste. Das viele Grün inmitten der Stadt, Bäume auch an den Hauptverkehrsstrassen in Downtown, erinnert an Berlin. Sprachengewirr aus Asien, Afrika, Europa liegt in der Luft. Multikulturell und facettenreich bis noch vor zehn Jahren, leben in dieser Millionenstadt aber mehr und mehr asiatische Immigranten. Vancouvers Chinatown ist die zweitgrösste der Welt, Vancouver‘s Spitzname: “Hongcouver“!

Im Stanley Park befindet sich das Aquarium. Eröffnet im Jahre 1956 ist es heute das grösste Aquarium Kanadas. Was den Berliner der Tiergarten oder der Zoo ist dem Vancouveraner sein Aqarium. Es ist ein non-profit Unternehmen und kümmert sich um kranke oder verletzte Meeresbewohner und vom aussterben bedrohte Fischarten. Ein Besuch ist Pflicht!

Mit dem Bus geht es vom Stanleypark nach Nord-Vancouver. Wer mindestens zwei Millionen kanadische Dollar hat, kann hier ein Haus am Felshang kaufen, mit dem unverbaubaren Blick auf den Pazifik. Der Bus endet am Landesteg des Sea Bus. Dort ist eine kleine Einkaufsstrasse und Imbissstände.

Im Licht der Abendsonne schippert der Sea Bus über die Hafeneinfahrt, in der Frachtschiffe auf Reede liegen. Der Kreuzfahrtschiffterminal ist unbelegt und in der Abendsonne leuchten die weißen Segel des Canada Place.

Die Füße tragen gerade noch so zum Sky Train und von da in das Zuhause auf Zeit. Vielleicht ist Vancouver doch ein wenig grösser als Berlin?

Mit dem Fahrrad durch Berlin ist ein Kinderspiel. Durch Vancouver ist es ein Abenteuer. Nicht nur Entfernungen sind größer, die teilweise enormen Höhenunterschiede sind auf dem Stadtplan auch nicht eingezeichnet. Radwege sind nur teilweise vorhanden und kleine asiatische Bürger in großen deutschen Limousinen fahren gern haarscharf am armen Radfahrer vorbei.

Der Rest vom Sonntag ist ein inside day denn Vancouver versinkt plötzlich im Regen. Nicht den Regen den man aus Berlin kennt. Wo es in Kreuzberg regnet und drüben in Treptow ist es trocken. Wenn es in Vancouver regnet dann ist exakt soviel Sauerstoff im Wasser das jeder ohne Kiemen raus kann. Es regnet von der Küste bis zu den Bergen, von den Bergen bis zum Fraser River, vom Fraser River bis zur Küste. Regenschirme sind vollkommen nutzlos. Wasser von allen Seiten, die Nässe geht bis in die Knochen. Die Einheimischen sind an leichter Garderobe und der wasserdichten Tasche mit Wechselklamotten zu erkennen.

Montag ist ein guter Tag um in den großen Malls einkaufen zu gehen. Metrotown liegt an der gleichnamigen Sky Train Station und hat vom Supermarkt im Untergeschoss über den wohlvertrauten Starbucks Kaffeeladen Alles was das Herz begehrt. Wie ist eigentlich das Wetter draußen? Egal!

Der Sky Train am Nachmittag ist voll wie eine Berliner U-Bahn. Und hier wie da starren die Fahrgäste in ihre Smartphones und sind verstöpselt in ihrer eigenen Welt. Im Sky Train wie in der U-Bahn werden laut Telefongespräche in einer anderen als der Landessprache geführt. Und in Vancouver wie in Berlin halten Pärchen von verschiedenen Kontinenten der Erde liebevoll Händchen.

Nun gut, es ist mehr ein Brief als eine Postkarte geworden. Aber ehrlich, Vancouver passt nicht auf eine Postkarte und Berlin eigentlich auch nicht. Weltstädte sind wie Diven, raumgreifend!

Viele Grüsse

Virginia

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