50 Jahre Staatsratsgebäude, gewürzt mit der Ironie der Geschichte

Staatsratsgebäude, klingt schon mal sehr sozialistisch aber tatsächlich ist es ein Gebäude was die DDR überlebt hat und präsent ist, mitten in der Stadt mit der schönen Adresse Schloßplatz 1 – direkt hinter dem Schlossneubau. 50 Jahre ist ein stolze Zahl, anlässlich dazu gab es am 06.10.2014 eine Jubiläumsveranstaltung mit dem Festredner Dr. Gerhard Schröder, Bundeskanzler a.D. Zum besseren Überblick lohnt sich ein Blick zurück in die Geschichte.

1964 wurde das Gebäude anlässlich dem 15jährigen Bestehen der DDR eingeweiht, als Amtssitz des Staatsrats der DDR, von der Funktion her dem Kanzleramt ähnlich. Dort hatten Walter Ulbricht und Erich Honecker ihren Amtssitz, gingen den Regierungsgeschäften nach und empfingen ausländische Gäste. Architektonisch und für die Inneneinrichtung war natürlich nur das Beste gut genug und es wurde ein ansehnliches Gebäude erschaffen (u.a. Meißner Porzellan, Lederüberzüge in den Wandfliesen der Flure.). Die große Besonderheit ist der Eingang, dort wurde das Portal IV des ehemaligen Berliner Stadtschlosses integriert, mit dem Verweis, das vom diesem Balkon am 9.11.1918 die Proklamation der „Freien Sozialistischen Republik Deutschland“ durch Karl Liebknecht erfolgte.

Ein weiterer architektonischer Schwerpunkt ist die Hinterfront des Eingangsbereiches. Entlang dem Treppenaufgang erstreckt sich über alle drei Etagen ein Buntglasfensterbild des Künstlers Walter Womacka. Die darauf abgebildeten Motive entsprechen natürlich der sozialistischen Gesinnung und der abgebildete Leitspruch „Trotz Alledem“ wurde gerade zur Amtszeit von Gerhard Schröder wieder populär.

1989 war das Jahr des Umbruches, das Ende der DDR wurde eingeläutet und die letzten Mieter der DDR-Regierung als Staatsratsvorsitzende waren Egon Krenz und Manfred Gerlach. Ab 1990 folgten diverse Zwischennutzungen, erst ab 1999 bis 2001 rückte das Gebäude wieder stark in den Fokus der Öffentlichkeit. Gerhard Schröder zog in dieses Gebäude, in Folge des Berlin-Umzugsgesetz nach Berlin und mangels Fertigstellung des neuen (heutigen bekannten) Kanzleramtes. In den Folgejahren erfolgte eine aufwendige denkmalschutzgerechte Sanierung und 2006 eröffnete die ESMT (European School of Management an Technology) dort Ihren Campus, mit dem Lehr-Anspruch Führungspersönlichkeiten in den Bereichen Wirtschaft/Technologie mit sozialer Verantwortung auszubilden. Aktuell sind dort MBA-Studierende aus über 50 Nationeneingeschrieben, Hauptsprache ist daher Englisch. Zusätzlich können Führungskräfte Managementweiterbildungen absolvieren in Deutsch und Englisch.

Nun wurde am 6.10.2014 dieser wechselhaften Geschichte an diesem Orte gedacht. Gerade der Festredner Dr. Gerhard Schröder sprach sehr kurzweilig über „seine Zeit“ in diesem Gebäude. Er erwähnte dabei auch eine Begegnung mit Erich Honecker in den 80er in diesem Gebäude, bei dem keiner geglaubt hätte, das sich die Zeiten so ändern werden – Erich Honecker abtritt und ein „West“-Kanzler im wiedervereinigen Deutschland hier seine Regierungsgeschäfte führt. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum befindet sich ab sofort im Eingangbereich des Gebäudes, welche für jede Person zugänglich ist, eine kurzweilige Multivision mit dem Titel „Verflechtungen der Deutschen Geschichte. Die ESMT im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR.“. Zusätzlich werden kostenfreie Führungen jeden letzten Freitag im Monat (außer Dezember) angeboten, Anmeldung notwendig.

Bleibt festzuhalten – ob es Ironie oder auch eine Schicksalsschlag der Geschichte ist, das ausgerechnet dieses Gebäude im Laufe der Zeit ein Zentrum verschiedener (gegensätzlicher) gesellschaftspolitischer Ideologien war und ist. Weitere visuelle Eindrücke in der folgenden Bildergalerie.

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Komme aus der Provinz und seit 1999 Berliner! Mich interessiert hauptsächlich Geschichtliches und Kreatives aus der spannendsten Metropole Deutschlands.

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  1. War auf der Jubiläumsveranstaltung unter den Gästen als Jornalistin. Konnte auch ein paar worte mit Herrn Schröder wechseln. Er war sehr angetan von der Gebäudearchitektur und sagte, dass das Gebäude bei Touristen viel zu wenig bekannt sei. Geb ich ihm recht, es sollte aufjedenfall besucht werden!

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