Buchbesprechung: Kreuzberg 1968 – 2013 Abbruch, Aufbruch, Umbruch

Unsere heutige Buchbesprechung dreht sich um den Stadtteil Kreuzberg, welcher Deutschland weit, wenn nicht sogar Europa- und Weltweit Beachtung findet. Dieser Stadtteil hat sowohl geschichtliche, architektonisch und gesellschaftlich viele – wie der Untertitel des Fotobandes es schon aussagt – Abbrüche, Aufbrüche und Umbrüche erlebt.

Ein kurzer Abriss in der Geschichte: 1920 ist dieser Stadtteil Kreuzberg erstmalig offiziell als Bezirksname in Erscheinung getreten. Der zweite Weltkrieg hat den nordwestlichen Teil von Kreuzberg stark zerstört und mit dem Mauerbau wurde der Stadtteil in eine Randlage gedrängt. Nichtsdestotrotz, hier war schon immer das Berliner Nachtleben und eine Kulturszene präsent. Gesellschaftlich machten sich seit den 1960er Jahren die Hippie-Bewegung und andere alternative Lebensmodelle in diesem Quartier gemütlich. Ende der 1970er Jahre fand eine Kahlschlagsanierung statt, siehe Kottbusser Tor, noch intakte – wenngleich sanierungsbedürftige – Altbauten mussten „zeitgemäßen modernen“ Wohnungsbau Platz machen. Nach der Wende 1989/1990 rückte Kreuzberg von der Randlage in das Stadtzentrum und ist heute zusammen mit Friedrichshain der kreative Freiraum in der Stadt Berlin.

Naunynstrasse um 1970 (Fotograf: Dieter Kramer)
Naunynstrasse um 1970 (Fotograf: Dieter Kramer)

Diese umfassende mit Brüchen behaftete städtebauliche und soziokulturelle Entwicklung möchte der Autor und Fotograf Dieter Kramer mittels diesem Fotoband dem geneigten Leser überbringen. Dazu wurden aus seinem Fundus von tausenden von Kreuzberg-Bildern, die relevanten und wohl auch schönsten Bilder aus den letzten 40 Jahren zusammengestellt, zusätzlich mit alten Archiv-Aufnahmen angereichert. Das führt zu interessanten Gegenüberstellungen historischer und aktueller Fotografien, incl. Luftbilder und Stadtplänen. Gegliedert ist es in thematischen Doppelseiten, zu einer Straße, einem Platz oder einem Gelände sowie Themenbereichen wie Mietskasernen, Kiezschule, Villen, Gärten, Fabrikhöfen. Neben den großen und kleinen Bildern zu dem Thema rundet ein begleitender Text die Darstellung ab, was sich sehr kurzweilig handhaben lässt.

Zu finden sind in diesem Buch auch „unterhaltsame“ Bau-Projekte welche komplett scheiterten z.B. die Pamukkale-Brunnenanlage im Görlitzer Park, nur wenige Wochen im Sommer 1998 konnten sich die Gäste daran erfreuen. Als es kälter wurde, stellte sich heraus das der verwendete portugiesische Sandstein für solcher Temperaturen nicht ausgelegt ist und Risse bekommen würde. So war es in der Tat dann auch geschehen, die Anlage wurde gesperrt und beseitigt. Übrig sind noch ein paar Beton-Sockel. Eine andere interessante Geschichte ist der Platz der heutigen Moschee am Görlitzer Bahnhof. Erst ein Mietshaus, welches im Krieg zerstört wurde, es folgte ein Kino, welches mit dem Mauerbau schließen musste. Schließlich folgte ein Lebensmittelgeschäft, welches wiederum wegen der großen „Bambule“ am 1.5.1987  abbrannte. Heute steht an dieser Stelle eine sehr schöne Moschee. Interessierte Leser werden in diesem Buch auch die Geschichte rund die Cuvry-Brache erfahren, welche wegen der riesengroßen Brandmauer-Graffiti quasi weltberühmt ist.

Kreuzberg 1968-2013 - Fotoband von Dieter Kramer
Kreuzberg 1968-2013 – Fotoband von Dieter Kramer

Da ein Buch unmöglich alles abdecken kann, so hat sich dieses qualitativ hochwertige Buch auf kompetente Art der baulichen Entwicklung und als Nebenaspekt der soziokulturellen Entwicklung von Kreuzberg verschrieben. Ausführliche Lebensläufe von Persönlichkeiten oder tiefer gehende Beschreibungen von Subkulturen sind hier nicht zu finden, was auch gut so ist. Zu empfehlen ist das Buch allen Kreuzberg-Liebhabern und generell allen Interessenten der Baugeschichte. Erhältlich im guten Buchhandel oder direkt beim Verlag.

  • Titel: Kreuzberg 1968 – 2013: Abbruch, Aufbruch, Umbruch
  • Autor: Dieter Kramer
  • erschienen im Verlag: Nicolai Berlin (21. Oktober 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN: 978-3894798055 bzw. 389479805X (10stellig)

Zum Autor: Dieter Kramer, geboren 1943, lebt seit den 1960er-Jahren in Berlin-Kreuzberg. Nach dem Studium der Kunstpädagogik arbeitete er viele Jahre als Fotograf und Ausstellungsgestalter im Bereich Städtebau und Stadtentwicklung.

Weitere Bilder aus dem Fotoband (klicken zum vergrößern):

About waldnase

Komme aus der Provinz und seit 1999 Berliner! Mich interessiert hauptsächlich Geschichtliches und Kreatives aus der spannendsten Metropole Deutschlands.

Check Also

Hamburg 2024: Lokales entdecken und Weltbürger sein

„Die Welt liebt Berlin – Die Deutschen lieben Hamburg“.  Der Satz stammt von Thomas, einen …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.