Kleine Details vom 9.11.1989

Für alle, die bei den Erinnerungs-Rundgängen (u.a. hier) nicht dabei sein können, und auch für alle, die nur die Pressekonferenz mit dem berühmten Zettel in Erinnerung haben, hier noch einmal ein paar kleine, aber feine Details vom Ablauf des (fast) bekanntesten Tages der neueren Deutschen Geschichte. Dazu kann man dann auf dem Gelände des ehemaligen Grenzübergangs Bornholmer Straße eine – in den Boden eingelassene – Zeitleiste ablaufen, auf der die wichtigsten Stationen diese Tages markiert sind (Nordseite).

Ob der Text des Zettels ein Versehen war, sei mal dahin gestellt, zumindest der Zeitpunkt der Veröffentlichung war es ganz sicher, denn die Grenzorgane waren überhaupt nicht vorbereitet.

Platz des 9.November - Bildertafeln
Platz des 9.November – Bildertafeln

Was war das Bemerkenswerte am 9.11.89 ?

Kleinigkeiten, die eben viel ausmachen : so z.B. die Tatsache, dass seit der politischen „Wende“ zu Krenz (+ Schabowski) das Fernsehen der DDR Live sendete, d.h. unverzögert. Unter Honnecker gab´s so etwas nicht, selbst die Umzüge zur 750-Jahr-Feier Berlins wurden um 90 sec. verzögert gezeigt, um eventuelle Spontan-Demos auszublenden. Also unverzögert kommt diese Nachricht nun über die Ausreisemöglichkeit bei den Ostberlinern an, die das auch gleich an der Bornholmer Str. ausprobieren wollten. Damit waren die Kollegen der GÜSt total überfordert, die Telefone liefen heiß, die ersten wurden abgewiesen – aber es wurden immer mehr. Als um 21 Uhr ca. 500 Perosnen lautstark Durchlass forderten, gab das Hauptquartier eine verhängnisvolle Order : Die lautesten Querulanten sollten mit Stempel im Pass durchgelassen – aber eben auch ausgebürgert ! – werden. Das hieß wohl Ventil-Lösung im Amtsdeutsch.

Bornholmer Brücke
Bornholmer Brücke

Der Effekt war aber ein anderer, ich würde ihn Lawinen-Lösung nennen. Denn nun ging der Tumult erst richtig los. Und jetzt kommt als Brandbeschleuniger der einsame Entschluss von Hajo Friedrichs (Tagesthemen) hinzu, der von den ersten (eigentlich ausgebürgerten) Grenzgängern vorher erfahren hatte. Er sagt wörtlich : „Die Tore in der Mauer stehen weit offen.“

Solche Sätze sind im Live-Fernsehen nicht ohne Wirkung ! Innerhalb kürzester Zeit war die Menschenmenge auf ca. 5000 Leute angewachsen, das Politbüro war aber bereits schlafen gegangen (und Handys gab´s damals eben auch nicht, wie gut !). Nun schlägt die Stunde von Harald Jäger, dem Befehlshaber der GÜSt Bornholmer Straße. Als der telefonisch keinen Vorgesetzten mehr erreicht, lässt er die Waffen wegschließen, um ein Blutbad zu verhindern – und sagt um 23.30 Uhr die geflügelten Worte : Wir fluten jetzt, nachdem er die Schlagbäume geöffnet hatte. Die anschließenden Bilder gingen dann um die Welt …………..

Jetzt kommen wir zur Domino-Theorie : Danach machte ein Übergang nach dem anderen das gleiche, und jetzt noch bewaffnete Organe rauszuschicken, hätte sich kein Verantwortlicher mehr getraut – denke ich mal. Außerdem sieht man auf den besagten Bildern neben ratlosen auch jede Menge lachender Soldaten – viele waren wohl doch ganz froh, dass sie nicht schießen mussten.

Harald Jägers geflügelten Worte vom 9.11.89
Harald Jägers geflügelten Worte vom 9.11.89

Diese Nacht ist dieser Tage von Christian Schwochow verfilmt worden, Arbeitstitel : Bornholmer Straße.  Zu sehen mehrmals im TV, Anfang November 2014, sowie auf DVD erhältlich.

Wer vorher schon mal alle Details wissen will, kann hier in das Buch von Harald Jäger reinschauen, mal sehen, wie detailgetreu die TV-Macher das hinkriegen. An der Bösebrücke haben sie jedenfalls nicht filmen können, da mussten die Millionenbrücke in Wedding herhalten (Swinemünder Straße) und – ich fass´es nicht – Teile von Magdeburg. Sieht zwar etwas anders aus, aber wer außer uns merkt das schon !?

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  1. Also was ich bisher rausgekriegt habe :
    Der Film von Chr. Schwochow heißt „Bornholmer Straße“ und wird zum 25. Jahrestag am 9.11 2014 gezeigt. Charly Hübner spielt den Harald Jäger, der aber im Film (aus welchen Gründen auch immer) Harald Schäfer heißt. Immerhin war H. Jäger als Berater im Team, es sollte also einigermaßen authentisch werden.
    Allerdings konnte man die Original-Brücke nicht nehmen (Verkehrs-Kollaps o.ä. in Berlin), man zog eine Brücke weiter zur Millionen-Brücke (Swinemünder Str.), wird wohl kaum einer merken.
    Und noch was : Das Statisten-Castung war wohl etwas aufwendig, weil man Statisten ohne Tattoos und Piercings brauchte – o je . . . . . . . . . . .

  2. Aktueller Nachtrag :
    Der Film wird am 5.11.2014 (Mittwoch) zur Prime-Time (20.15 Uhr) im Ersten gezeigt ! Und aus irgendeinem Grund heißt Harald Jäger im Film Harald Schäfer – warum auch immer. (Soll mir nur Recht sein, wenn aus wilden Jägern gute Hirten werden.)
    Am 9.11. wird doch tatsächlich der TATORT gezeigt ………. . . . . . . .na gut, das Tagesprogramm vorher beschäftigt sich reichlich mit dem historischen Datum.

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