Berlin – wieder eine Mode-Metropole?

Mit der Mode ist es wie mit anderen Kulturgattungen eben auch : Es gibt den Mainstream – vergleichbar mit der Hitparade in der Musik – und am anderen Ende die Avantgarde – vergleichbar mit den Zwölftönern, die auch kein breites Publikum haben. In diesem Spektrum von Primark bis Chanel muss Berlin erst noch seine Profil finden, nachdem es nach 1945 Berlin seinen Führungsanspruch an Düsseldorf verloren hatte.

Berlin war mal das Zentrum der deutschen Konfektion, und hier war es besonders der Hausvogteiplatz, an dem sich die Textilbetriebe tummelten. Da diese überwiegend jüdische Eigentümer hatten, hat dann die Arisierung dieser Betriebe dieser Branche den Garaus gemacht, den Rest erledigten dann Kriegszerstörung und 40 Jahre Planwirtschaft.Doch nun regt sich neues Leben in den Ruinen : Statt der prognostizierten Dienstleistungsmetropole entwickelt sich Berlin mehr und mehr zu einer der angesagtesten Zentren der bildenden Kunst und Medienkultur. Und das genau ist der Humus, der Modemacher aus aller Welt anlockt.

Woher kommt diese Anziehungskraft Berlins auf junge Kreative ?

Irgendwann einmal – im Rückblick – wird man das vielleicht genau sagen können, derzeit kann man nur darüber spekulieren. Wie z.B. so :  Zum einen hat Berlin eine Menge Freiflächen. In der ehemals größten Industriestadt Deutschlands sind fast alle Produktionsstätten verwaist, eine Menge leerstehender Fabriketagen wartet auf neue Nutzung. Während in Paris, New Yorck und London Ateliers nahezu unbezahlbar sind, kann man hier immer noch Schnäppchen machen – allerdings sind die europäischen Immobilienmakler nunmehr auch aufgewacht. Es wird langsam eng. Die südeuropäische Wirtschaftskrise tut ihr übriges, die Käufer aus Italien, Spanien und Griechenland stehen Schlange. Aber aus diesen Ländern kommen eben auch neue Mode-Designer, die frischen Wind in die ehemalige Frontstadtmentalität der Alteingesessenen bringen, sogar aus Israel kommen die jungen Wilden, allen verständlichen Vorbehalten zum Trotz.

Zum Zweiten gibt es neben guten materiellen Voraussetzungen aber auch eine dynamische, tolerante und kreative Atmosphäre in Berlin, die ihresgleichen sucht. Und das in der Stadt der wilhelminischen Preußen, des Führerbunkers und des kalten Krieges ? – fragt sich der verdutzte Besucher.

Hier meine Theorie : In den letzten drei Generationen haben die Berliner derart viel durchmachen müssen, dass sie kaum noch etwas „aus den Latschen haut“ . Nach Kriegsende, Vierteilung, Blockade, Berlin-Ultimatum, Flüchtlingslagern, Mauerbau, 68er-Bewegung, Mauerfall und Zusammenbruch der DDR und des gesamten Ostblocks gibt es eigentlich kaum noch etwas, was den „Insulaner aus der Ruhe bringt“ (Titel eines bekannten Liedes). Hier kann sich jeder austoben, ohne belächelt zu werden – die Love-Parade und CSD-Umzüge haben das ausschnittweise gezeigt.

Berliner Modemacher

haben sich noch nicht ganz so etabliert, wie sie sich das wünschen. Einige Ateliers und Boutiquen überleben das erste Jahr manchmal nicht, obwohl sie es verdient hätten. Natürlich kennt man Lala Berlin (der Name allein ist schon Werbung), Claudia Skoda und Michael Michalsky, aber nicht alle Designer schaffen es in die erste Reihe. Wer kennt z.B. Itamar Zechoval, Thoas Lindner, Christine Mayer oder Philippe Werhahn ?

Wie finde ich nun einen der angesagten Mode-Shops ?

Da diese Branche genau so schnelllebig (Wow, mit drei L !!!) ist wie die Mode an sich, ist eigentlich jedes Branchenbuch bereits nach dem Druck schon Altpapier. Wie soll sich da ein Modemuffel wie ich zurecht finden ? Aber ich bin im Internet fündig geworden, denn dort gibt es ja auch (oder gerade) Plattformen, die eine regionale Begrenzung haben – wie auch dieser Berlin-Blog z.B.. In der schnellen www-Welt (mit vier W !!!!) hat sich der Service myStyleSpotHunter  zur Aufgabe gemacht,  einen ständig aktualisierten Stadtplan der Berliner Modewelt im Internet vorzuhalten. Sinnvollerweise auch mit Suchfiltern für Stil, Preisklasse und Gegend. Für iPhone-Besitzer gibt es sogar eine App in zwei unterschiedlichen Versionen. Fairerweise sollte ich erwähnen, dass die großen Konfektionsketten hier nicht vertreten sind, von denen einige ja behaupten, dass Wegwerfen billiger als Reparieren ist. Außerdem repräsentatieren diese auch nicht den besonderen Berliner Stil.  Seit dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesh sollten diese Hersteller von Massenware eigentlich ein schlechtes Gewissen haben, bei C&A hatte das jedenfalls kurzfristig für Betroffenheit gesorgt. Deshalb hier der Tipp, sich mit fachlicher Hilfe vielleicht doch mal – und sei es auch nur testhalber – unter die Berliner Designer zu begeben . . . . . . .

Mystylespothunter Home

Die Ultima ratio für Ratlose in Sachen Mode-Design

Nicht unerwähnt bleiben soll die radikalste Mode-Idee, die ich in Berlin gefunden habe. In den Hackeschen Höfen gibt es den Laden Bis es mir vom Leibe fällt. Und hier wird überhaupt nichts weggeworfen (das wird Primark ärgern), sondern alles umgekrempelt, umgestrickt, zerschnitten und neu vernäht, bis etwas Neues herauskommt … oder eben „bis es mir vom Leibe fällt„. Ein bisschen Zeit und Nähkenntnisse sollte man da aber schon mitbringen  . . . . . . . . . . . . .

About Wolfkamp

Uralter Urberliner. Taxifahrer, Eisenbieger, Schneeschipper, Student, Wagenwäscher, Bananenverkäufer, Bauleiter, Ausbilder, Dozent, Hilfsarbeiter, Operator, Systemanalytiker, Autor, Stadtführer, SES-Experte, Seniorenfahrer, Berliner Schnauze, usw. usw. Ich glaub´, ich habe nichts vergessen . . . . . .

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  1. Schöner Beitrag, danke dafür. Gerade der tipp mit „My Style Spot Hunter“ ist grandios. Werde dort in Zukunft sicher öfter vorbei gucken.

    Grüße nach Berlin

  2. Danke, Ihr sprecht mir aus der Seele! Ich würde ja etwas mehr schreiben, jedoch wurde für meinen Teil schon Alles zu dem Thema gesagt.

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