Ein Rasenplatz umringt von Bäumen – Der alte jüdische Friedhof an der Großen Hamburger Straße

Nicht weit vom Hackeschen Markt entfernt befindet sich der älteste Friedhof der jüdischen Gemeinde in Berlin. Wer daran vorbei läuft und einen Blick darauf wirft, mag es kaum vermuten, fehlen doch die Grabsteine auf der Rasenfläche. Nur bei näherer Betrachtung erschließt sich die Bedeutung des Platzes – eine Gedenktafel weist auf die Geschichte hin.

Der Friedhof wurde ab 1672 die erste Begräbnisstätte für Juden, die sich in Berlin vor dem damaligen Spandauer Tor ansiedelten. Bis 1827 wurden hier Begräbnisse vorgenommen, darunter z.B. die deutschen Philosophen Moses Mendelssohn (1729-1786) und Marcus Herz (1747-1803).

1844 wurde vor dem Friedhof das erste jüdische Altersheim in Berlin errichtet, links daneben bestand seit 1863 eine Knabenschule (die Inschrift „Knabenschule der Jüdischen Gemeinde“ ist heute noch über dem Portal des Hauses Nr. 27 erhalten).

Doch mit der Nazi-Zeit wurde schlagartig alles anders. Ab 1942 wurden das Altersheim und die Schule als Sammellager für zur Deportation bestimmte Juden genutzt. Mehr als 55.000 Juden sahen an dieser Stelle ihrem Schicksal entgegen – dem KZ Ausschwitz oder Theresienstadt.

1943 wurde der Friedhof durch die SS verwüstet und geschändet: Gebeine wurden ausgegraben, viele der fast 2.800 Grabsteine entfernt und sogar Splittergräben dort ausgehoben, die mit zertrümmerten Grabsteinen abgestützt wurden. Nur einige der in die Südmauer eingelassenen Grabsteine blieben erhalten. Im April 1945 wurde auf dieser Fläche ein Massengrab für gefallene Soldaten und Zivilisten errichtet – so liegen nun ca. 3.000 tote Kriegsopfer neben den bestatteten jüdischen Verstorbenen.

Die ehemalige Knabenschule wird seit 1993 wieder als jüdisches Gymnasium und als Realschule genutzt. Das Gebäude des Altersheims wurde in den letzten Kriegstagen zerstört. Die südliche Hälfte des Friedhofs wurde zu DDR-Zeiten als Park genutzt. 2007-2008 wurde der Friedhof instand gesetzt und ist seitdem wieder als Friedhof zu erkennen. Symbolisch steht ein Grabstein für Mendelsohn an der ungefähren Stelle seines Grabes auf dem Gelände. Vor dem umzäunten Friedhof sieht man seit 1985 bronzene Skulpturen: eine dichtgedrängte Gruppe von 13 Menschen mit ausdrucksstarken Gesichtern. Das bereits 1957 erstellte Denkmal „Jüdische Opfer des Faschismus“ von Will Lammert war ursprünglich für die Gedenkstätte Ravensbrück vorgesehen.

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War 4 Jahre lang "Berliner" - im Moment hat es mich ins Rheinland verschlagen. Aber mein Herz geht immer noch auf, wenn ich nach Berlin komme! :-)

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