Der jüdische Friedhof Weißensee

Wer in Berlin einen Ort der Stille sucht, der ist hier genau richtig – auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee. Dieser Friedhof ist flächenmäßig der größte noch erhaltene jüdische Friedhof Europas, fast komplett „überdacht“ von altem Baumbestand. So lässt es sich selbst bei sommerlichen Temperaturen angenehm im Schatten wandeln.

Die Atmosphäre ist wunderschön, bedächtig, und strahlt viel Ruhe aus. Im Gegensatz zu deutschen Gräbern werden jüdische nur einmal erworben – und bleiben dann für immer im Besitz des Verstorbenen. So sieht man hier uralte Grabstätten, verwitterte, schiefe Grabsteine, große Monolithen und beeindruckende Mausoleen. Auch die typische blumige Grabbepflanzung gibt es hier nicht, höchstens in Form von Pflanzschalen. Vielmehr winden sich nie welkende Efeuranken von Grab zu Grab.

Da der Friedhof mit seinen über 40ha sehr groß ist, empfiehlt es sich, einen kleinen Plan dabei zu haben oder sich zumindest über die Systematik und Benennung der 120 Grabfelder schlau zu machen, um ohne größere Sucherei wieder zum Ausgang zu finden. Sonst könnte man etwas mehr Zeit brauchen, um zwischen den 115.000 Grabstellen wieder zum Ausgang zu finden.

Der Friedhof entstand 1875 als dritter jüdischer Friedhof Berlins, als der Jüdische Friedhof in der Schönhauser Allee zu klein zu werden schien. Entworfen wurde er vom Architekt Hugo Licht. Auf dem Friedhof befinden sich auch zwei Urnenfelder (heutzutage ist die Urnenbestattung den Juden nicht mehr gestattet) sowie extra Felder für Kinder sowie ein Ehrenfeld für die im 1. Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten. Die Ränder der einzelnen Grabfelder und die Plätze an der Friedhofsmauer sind besonders herausragenden Persönlichkeiten vorbehalten, da sie so am besten gefunden und besucht werden können. Beerdigt sind hier z.B. Herbert Baum (Organisator einer Widerstandsgruppe im Dritten Reich), Samuel Fischer (Gründer des S. Fischer Verlags), Berthold Kempinski (Gründer des Delikatessengeschäfts und der Weinhandlung Kempinsky), Louis Lewandowski (Dirigent), Heymann Steinthal (Sprachforscher und Philosoph), Hermann Tietz (Onkel und Kapitalgeber von Oskar Tietz, dem eigentlichen Gründer des Warenhauskonzerns „Hermann Tietz“ – Hertie. Mehr dazu auf dieser Webseite), Alex Tucholsky (Vater von Kurt Tucholsky) und Lesser Ury (Maler und Grafiker).

In der Zeit der Judenverfolgung konnten Juden vorübergehend während der Nacht Unterschlupf auf dem Friedhof finden und es wurden an besonders hohen Feiertagen geheime Gottesdienste abgehalten. Auf dem Vorplatz vor dem Haupteingang erinnert heute ein Gedenkstein an die zahlreichen Opfer. Ringsherum stehen Gedenksteine für jedes große Konzentrationslager der Nazis. Zwar wurde der Friedhof durch den 2. Weltkrieg stark beschädigt, jedoch haben die Aufzeichnungen der Grabbelegungen beide Weltkriege überstanden. Daher erhält der Friedhof viele Anfragen zu wissenschaftlicher oder bibliografischer Forschung. Seit 1970 steht der Friedhof unter Denkmalschutz.

Hier ein paar Fotos, die ich bei meiner Führung über den Friedhof geschossen habe. Zum Vergrößern einfach drauf klicken. 🙂

About sunnykat

War 4 Jahre lang "Berliner" - im Moment hat es mich ins Rheinland verschlagen. Aber mein Herz geht immer noch auf, wenn ich nach Berlin komme! :-)

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One comment

  1. Brandenburgs Friedhöfe.

    Beeindruckende Fotos.

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