Lost Places: Das verlassene Frauensanatorium in Beelitz

In Berlin gibt es noch an vielen Ecken alte leer stehende Bauten, Hinterlassenschaften aus Zeiten der sowjetischen Besatzung, verfallene Gebäude … Doch mein Besuch im verlassenen Frauensanatorium in Beelitz am letzten Sonntag war doch etwas Besonderes! Im Rahmen einer Fototour von go2know (*) hatte ich die Möglichkeit, mich auf dem ansonsten bewachten Gelände frei zu bewegen und in aller Ruhe Fotos zu schießen.  So konnte ich mir das Gebäude für Frauen, die Waschküche und das Küchengebäude vom Keller bis zum Dachboden vornehmen.

Die Atmosphäre ist geheimnisvoll und Entdeckerlust breitet sich aus. Man fragt sich andauernd, was im nächsten Zimmer, hinter der nächsten Biegung, im nächsten Stockwerk auf einen wartet. Vernagelte Fenster sorgen für wenig Licht auf den langen Fluren, Farbe und Tapete blättert von den Wänden. Glasscherben der Fenster liegen in den Zimmern, hier und da findet sich Graffiti und Streetart an den Wänden. Breite Treppen führen Etage für Etage hinauf, während es im Keller durch niedrige Tunnel geht. An besonders spannenden Stellen sorgten sogfältig platzierte Lichtquellen und Nebelmaschinen für die richtigen Effekte, z.B. bei einem alten Bettgestell in einer großen Halle oder dem Zahnarztstuhl im gefliesten Kellerraum.

Die Heilstätten wurden zwischen 1898 und 1930 errichtet. Das Frauensanatorium ist der älteste Part der Heilstätten in Beelitz, 1902 öffnete es seine Pforten. Das gesamte Gelände besteht aus 4 durch die Eisenbahnlinie und Landstraße voneinander getrennte Bereiche. Für Männer und Frauen gab es jeweils eine Lungenfachklinik und ein Sanatorium für chronisch Kranke. Das besondere war, dass die Heilstätten vor allem für das einfache Volk und die Arbeiter gedacht waren und zur Bekämpfung der Tuberkulose dienen sollte, die zu dieser Zeit in Berlin wütete und an der Millionen erkrankten und starben. Auf dem 140ha großen Gelände konnten in 60 Gebäuden bis zu 1.400 Patienten aufgenommen und versorgt werden – unvorstellbare Dimensionen zu der damaligen Zeit. Sogar in der französischen Nationalversammlung sprach man über diese „Institution Gigantesque“.

Auf dem gesamten Gelände herrschte strikte Geschlechtertrennung. Selbst Eheleute, die sich zusammen dort aufhielten, durften sich nicht sehen. Jeder, der sich nicht daran hielt, riskierte seinen Platz im Sanatorium und im schlimmsten Fall sogar Krankenversicherung und Job zu verlieren. Die Geschlechtertrennung galt auch für das Personal, weshalb auf der „Frauenseite“ die Waschküche und das Küchengebäude, auf der „Männerseite“ das Heizhaus und Werkstätten errichtet wurden. Ferner gab es eine eigene Bäckerei, Fleischerei, Gärtnerei, ein Heizkraftwerk, ein Postamt und eine Kirche sowie Wohnhäuser für die Ärzte und Angestellten. Viele der Gebäude sind durch ein Tunnelsystem miteinander verbunden.

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurden die Heilstätten als Lazarett und Sanatorium für die verwundeten und erkrankten Soldaten genutzt – so war hier 1916 auch der Gefreite Adolf Hitler. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Gelände von der Roten Armee übernommen und zum Sperrgebiet erklärt, die hier bis 1994 das größte Militärhospital der sowjetischen Armee außerhalb der Sowjetunion unterhielten. Auch Erich Honecker war dort von Dezember 1990 bis März 1991 Patient.

Inzwischen liegt der größte Teil des Geländes seit einiger Zeit brach und verfällt. Bisherige Investorenpläne scheiterten unter anderem an den Denkmalschutzauflagen der Gebäude. Lediglich einige Wohnhäuser wurden errichtet. Die besondere Kulisse der Heilstätten wird jedoch ab und an für Filmaufnahmen genutzt, u.a. wurden hier Szenen von Polańskis „Der Pianist“ und „Operation Walküre“ mit Tom Cruise gedreht.

(*) Hinter go2know stecken engagierte Leute, die auch anderen fotobegeisterten Menschen die besonderen und fast vergessenen Orte in Berlin legal zugänglich machen wollen. Neben den Touren in Beelitz (separate Touren für den Frauen- und Männerbereich) kann man z.B. ein altes Chemiewerk, eine Fleischfabrik, eine Papiermühle, ein Wasserwerk oder die Abhörstation auf dem Teufelsberg und den Spreepark im Plänterwald besichtigen. Fachkundige Begleitung vor Ort bei den Touren lassen dabei keine fotografische Frage unbeantwortet.

Hier noch eine kleine Galerie meiner während der Tour geschossenen Fotos. Zum vergrößern einfach drauf klicken.

About sunnykat

War 4 Jahre lang "Berliner" - im Moment hat es mich ins Rheinland verschlagen. Aber mein Herz geht immer noch auf, wenn ich nach Berlin komme! :-)

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4 comments

  1. Hallo Norbert,
    ein schöner Bericht!
    Am 6. Juli gehe ich auch mit zwei Models auf Erkundungs- und Fototour dort hin. Bin gespannt!
    Viele Grüße,
    Boris

  2. Hallo Boris,

    Danke für Dein Kommentar, die Blumen reiche ich gerne weiter an Sunnykat, welche den schönen Bericht geschrieben hat!

    Beste Grüße
    Norbert alias waldnase

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