Das Hansaviertel – Weltkulturerbe mit Marlene Dietrichs Hilfe?

Anfang August ging es durch die Presse: Der Berliner Senat wird neben dem Jüdischen Friedhof in Weißensee auch das Hansaviertel gemeinsam mit der Karl-Marx-Allee als Unesco-Welterbe vorschlagen. Für die neue Welterbeliste kann jedes Bundesland 2 Vorschläge machen, die endgültige Entscheidung fällt 2014 die Kultusministerkonferenz.

Was macht nun das Hansaviertel so besonders? Seine Architektur steht mit der Karl-Marx-Allee als Symbol für die verschiedene architektonische Entwicklung in der geteilten Stadt Ost- und West-Berlin (siehe auch unseren Artikel über das Frankfurter Tor).

Seit 2001 ist das Hansaviertel ein Teil des Bezirks Mitte, begrenzt durch Schloss und Park Bellevue, Spree und den Bezirken Moabit, Tiergarten und Charlottenburg. Es ist flächenmäßig das kleinste unter den 95 Ortsteilen Berlins und mit am dichtesten besiedelt.

Das Hansaviertel wurde 1861 gemeinsam mit Moabit nach Berlin eingemeindet und seit 1875 mit Villen und anspruchsvollen gutbürgerlichen Wohnhäusern bebaut. Seinen Namen erhielt das Viertel daher, da es von einer Gesellschaft erschlossen wurde, der überwiegend Hamburger Unternehmer angehörten und Berlin zudem  im 14. und 15. Jahrhundert dem Hanse-Bund angehörte.

Die Auswirkungen des Nationalsozialismus waren im Hansaviertel besonders gut zu spüren. Synagogen wurden niedergebrannt und jüdische Familien verdrängt. Man brauchte Wohnraum für die Berliner, die aufgrund der Pläne Hitlers zur Errichtung der Welthaupstadt Germania umgesiedelt werden sollten. Viele goldene „Stolpersteine“ erinnern heute an deportierte und ermordete Bewohner des Viertels, welches durch den Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe fast vollständig zerstört wurde.

Hansaviertel – Zellenbau von Walter Gropius

Zwischen 1955 und 1960 erfolgte der Wiederaufbau im Rahmen eines Wettbewerbs der Internationalen Bauausstellung Interbau, an dem 48  Architekten aus 13 Ländern beteiligt waren. Der endgültige Bebauungsplan entstand unter dem Vorsitz von Otto Bartning – daher auch der Name Bartningallee. In dieser Mustersiedlung aus 35 Objekten mit insg. fast 1.200 Wohneinheiten gleicht kein Haus dem anderen, Farben, Formen und Geschosshöhe variieren. Die aufgelockerte Bebauung wird von viel Grün durchzogen. Das neue Hansaviertel sollte zum Symbol für den Westberliner Erneuerungswillen und zugleich zum Demonstrationsobjekt der Nachkriegsmoderne werden. Den politischen Hintergrund bildete die Konkurrenzsituation zum Berliner Osten: Stalinallee und Hansaviertel wurden nahezu gleichzeitig gebaut und sollten beide die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Gesellschaftssystems verdeutlichen.

Da die finanziellen Mittel jedoch knapp waren, machte man sich Marlene Dietrichs Engagement für Berlin zu nutze. Von der Idee, ein Stück Avantgarde im Hansaviertel zu realisieren, war sie total begeistert. Marlene nutzte ihre Kontakte und ihren Charme und sammelte fleißig Geld –  in nur zwei Tagen hatte sie bereits eine siebenstellige Summe zusammen. Auch den US-Finanzminister wickelte sie schließlich um den Finger, da solch außerordentliche Gelder im Rahmen des Marshall-Planes für Deutschland überhaupt  nicht vorgesehen waren. Marlene bat jedoch um Stillschweigen über ihre maßgebliche Hilfe – ihr lag nichts an dieser Art Publicity.

Neben den architektonischen Besonderheiten gibt es im Hansaviertel das Grips-Theater mit dem berühmten Berliner Stück „U1“ und die Akademie der Künste. Berühmte Bewohner des Hansaviertels waren u.a. Dietrich Bonhoeffer (1912–1917), Käthe Kollwitz (Atelier), Lenin (1912, illegaler Aufenthalt) und Kurt Tucholsky (frühe Kinderjahre 1892/1893).

Hier noch eine kleine Galerie einiger Gebäude des Hansaviertels. Die meisten Fotos wurden uns von Borris Häring zur Verfügung gestellt, vielen Dank dafür!

About sunnykat

War 4 Jahre lang "Berliner" - im Moment hat es mich ins Rheinland verschlagen. Aber mein Herz geht immer noch auf, wenn ich nach Berlin komme! :-)

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